Context TV hat die Serie „S.O.S. Tierbabys“ in High-Definition mit Editcam HD-Kameras von Ikegami produziert. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Wir haben von Beginn an versucht, das Format auch nach Amerika zu verkaufen. Erster Interessent und Produktionspartner war dann der US-amerikanische High-Definition-Pay-TV-Sender VOOM. Von da an war klar, dass wir in HD produzieren müssen. Am 23. Dezember 2006 konnten wir schließlich auch das ZDF für das Projekt gewinnen. Die Mainzer waren aber trotz vielfacher Überzeugungsversuche nicht an einem HD-Tape interessiert. Die haben das Material dann auf PAL DVCPRO 50 bekommen.
Und wie fiel die Wahl auf Ikegamis Editcam HD?
Der US-Sender hat natürlich seine Qualitätsansprüche geltend gemacht und so die Aufnahmetechnik mitbestimmt. Wir mussten neue Technik für die Produktion anschaffen. HDCAM war uns etwas zu teuer. Und ich wollte auch nicht so bandbasiert arbeiten. Alle anderen Formate wurden von dem Sender abgelehnt – DVCPRO HD ebenso wie XDCAM HD und Infinity. Die Ikegami Editcam HD akzeptierte man gern, weil sie genau mit dem Codec arbeitet, nämlich mit AVID DnxHD, der auch in der VOOM-Postproduktion genutzt wird. Der Pay-TV-Sender strahlt in 1080/60i aus. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir 50i generieren und dann eine Normenwandlung auf 60i machen. Außerdem: Meine erste Ikegami DVCPRO 25 war elf Jahre im Einsatz und zwar in der täglichen Nachrichtenproduktion. Die Kamera war in der Zeit nicht einmal in der Reparatur. Das ist für mich ein Argument einem Kamera-Hersteller treu zu bleiben. Die Ikegami-Kameras sind zwar immer ein bisschen teurer als andere, halten dafür aber auch ewig.
Konnten Sie die Editcam HD denn vorher testen?
Wir haben von Ikegami eine Vorführung bekommen und dann die technischen Daten der Kamera bei VOOM in New York vorgelegt. Da Ikegami in USA ein sehr bekannter Kamerahersteller ist, haben die sofort gesagt: Wenn bandlos produziert wird, dann Bitte mit diesem Format.
Wie viel Kameras haben Sie von Ikegami gekauft?
Wir haben im kleinen Verbund mit einem Kameramann vier Kameras angeschafft, hatten aber in Spitzenzeiten noch eine fünfte Kamera von Ikegami im Einsatz. Das heißt, wir hatten zum Teil bis zu fünf Teams am Tag mit der Technik im Einsatz. Das war auch der Grund, warum wir bandlos sein wollten. Bei dem Zeitrahmen, den wir hatten, wäre das Eindigitalisieren vom Band ein Riesenproblem gewesen, mal ganz abgesehen von den Kosten.
Inwieweit?
Die Anschaffungskosten von HDCam- und Editcam HD-Kameras sind zwar ungefähr gleich, wir hätten aber über 100.000 Euro mehr für das benötigte Bandmaterial zahlen müssen. Wir haben uns für die Editcams entschieden, weil es sich hierbei um festplattenbasierte Systeme handelt. Festplatten sind sehr angemessen bepreist. Wir kaufen 160 GB für unter 1.000 Euro. Bei Panasonics P2 bekam man dafür gerade mal 16 GB. Da wir einen Riesenaufwand an Drehs getrieben haben, sind wir in einen Bereich gekommen, wo wir, inklusive Kopien auf andere Festplatten, mit den Festpeichern deutlich günstiger arbeiten konnten als mit Bandmaterial. Abgesehen davon bietet bandloses Arbeiten eine Menge Vorteilen. Profitiert haben wir auch davon, dass die Kapazität der Fieldpacks, Ikegamis Festplatten-Speicher, wächst. Wir haben mit 120 GB Speicher angefangen und konnten schon nach einem Monat 160 GB-Platten zum selben Preis kaufen. Diese Platten nutzen wir jetzt als Standard-Fieldpacks für den Dreh.
Was sind für Sie die wichtigsten Vorteile der Festplatten-basierten Systeme?
Ein großer Vorteil ist, dass selbst, wenn man im Play-Modus ist, sofort auf Record drücken kann, ohne erst irgendwohin spulen zu müssen. Man hat durch Festplatten auch eine sehr lange Retro-Loop. Sie entspricht im Grunde der kompletten Aufzeichnungslänge des Fieldpacks. Bei 160 GB sind das 120 bis 130 Minuten. Man lässt die Kamera einfach laufen, geht essen und schaut später, ob was passiert ist. Wenn ja, wird das gesichert. Ansonsten fängt man wieder von vorne an. Das ist besonders bei Tieraufnahmen, aber auch bei Live-Reportagen, ein Super-Tool. Man verpasst garantiert nichts. Mit anderen Systemen ist das so nicht möglich. Die Retro-Loop-Funktion der HDACM zum Beispiel bietet höchstens 1:30 Minuten.
Waren die Fieldpacks für alle Drehsituationen geeignet?
Es gab in der Tat einige Störungen bei Hubschrauberflügen oder Kopfsteinpflasterfahrten. Wir haben deshalb auch die von Ikegami angebotenen Flashpacks mit 32 GB gekauft. Damit sind gut 25 Minuten Aufnahme möglich. Die sind komplett stoßunempfindlich und sehr robust. Mit Flashpacks kann man alles machen. Durch die Kombination Flashpacks und Fieldpacks lassen sich alle Situationen wunderbar meistern.
Warum haben Sie überhaupt eigene Kameras gekauft?
Wir haben 170 Tierbaby gedreht à drei Drehtage. Das macht zusammen 510 Drehtage. Da macht es keinen Sinn, jemanden so das Geld in die Hand zu drücken. Deswegen war klar, wenn wir die Produktion bekommen, wird eigene Technik angeschafft.
Wie war der zeitliche Ablauf des Drehs?
Wir haben im März 2007 mit zwei Kameras angefangen zu drehen, zunächst in Südafrika, Namibia, Australien, Österreich, Spanien und Ungarn. Als in Deutschland das Wetter besser wurde, haben wir verstärkt hier gearbeitet, vier bis fünf Kameras am selben Tag. Hauptproduktionszeit in Europa war Juni/Juli. Im Juli und August haben wir das Material abgeliefert. Von Mitte September bis Ende Oktober wurde es dann im ZDF ausgestrahlt. Im August haben wir außerdem noch eine internationale Version aus dem Material gefertigt. Dazu war ein vollkommen anderer Schnitt nötig. Unser Vertrieb hat das Material auf der MIP schon in zehn Länder weltweit verkauft. Tierdoku-Soaps, die international produziert sind, haben eine große Nachfrage. Aber sie müssen grundsätzlich auf HD vorliegen. Das war für uns auch ein wichtiger Grund, auf HD zu produzieren.
Haben Sie schon vorher mit HD-Kameras gearbeitet?
Das war die erste HD-Produktion mit eigenem HD-Equipment. Wir haben zuvor aber schon mit angemietetem HD-Equipment gearbeitet. Wir waren eine der ersten HD-Produzenten in Deutschland. Schon 2000 haben wir mit „Tauchfahrt in die Vergangenheit“ einen HD-Film über den Untergang der „Bismarck“ für das ZDF gedreht. Eingesetzt wurden dabei HDCAM-Prototypen, die uns George Lucas zur Verfügung gestellt hatte. Wir hatten sechs HDCAM-Bodys am Start. Es war damals schwer, die Kameras überhaupt zusammen zu kriegen. Das waren absolute Sonderanfertigungen, die in einem Titan-Unterwassergehäuse untergebracht waren. Den Film haben dann für ZDF auf Digibeta konvertiert und geschnitten. 2006 wurde er aber noch mal auf HD geschnitten und in den Vertrieb gebracht. Der verkauft sich jetzt ganz gut. Für das ZDF haben wir in der Folge etliches auf HD produziert. Und seit drei Jahren produzieren wir fast nur noch in HD. Ausnahme war allerdings „Fat Machines“ für DMAX. Die Serie haben wir auf Digibeta gedreht.
Kleine eigene Postproduktion
Sie haben auch eine eigene Postproduktion für HD-Arbeiten?
Wir haben eine ganz kleine Postproduktion mit zwei AVID-Mediacomposern. Für den finalen Schnitt gehen wir immer in andere Postproduktionshäuser, weil wir nicht den ganzen Gerätepark vorhalten wollen.
Wie sah der Workflow bei der Produktion von „S.O.S. Tierbabys“ aus?
Wir haben die Fieldpacks mit AVID DNxHD-Clips bespielt und sie dann 1:1 auf zwei SATA-Platten überspielt. Eine Kopie kam bei mir in den Giftschrank und die andere ging in den Schnitt. In der Postproduktion wurde von den SATA-Platten dann in Online-Qualität geschnitten. Dafür haben wir AVID Adrenalines benutzt. Die Berliner Concept AV hat die gesamte Postproduktion gemacht. Andere Postproduktionshäuser, die wir kontaktiert hatten, waren sehr skeptisch und haben gleich abgewunken. Sie haben nicht geglaubt, dass es funktioniert, online in der Menge HD-Material von SATA-Platten aus zu schneiden. Tatsächlich hatten wir anfangs Probleme, aber keine wirklich großen. Und nach einer Weile war der Workflow eingespielt und hat gut funktioniert. Praktisch war, dass auf den Fieldpacks auch die Proxydaten der Clips vorliegen. Die haben wir den Autoren zum Sichten geben. Teilweise haben die sich die auf Laptops vor direkt Ort angeschaut. In Südafrika gab es Situationen, wo wir aus der Kamera heraus die Proxydaten direkt ausgespielt haben und zwar in DVD-Qualität. Den Timecode hatten wir immer im Bild, so dass man auch damit sichten und loggen konnte.
Wie weit ging der bandlose Workflow?
Wir haben bis zur Farbkorrektur vollkommen bandlos gearbeitet. Die Farbkorrektur haben wir dann Tape-to-Tape gemacht. Das Master wurde dabei auf HDCAM 50i ausgespielt und die Farbkorrektur klassisch am da Vinci gemacht. Von dem gegradeten Master wurde am Ende dann eine DVCPRO 50-Kopie gezogen. VOOM hat ein HDCAM-Band bekommen. In der Postproduktion haben wir zudem eine Dolby E Surround-Tonmischung gemacht.
Wie bewerten Sie die bandlose Produktion unter Kostengesichtspunkten?
Durch die bandlose Produktion konnte ich HD-Material zu einem Preis anbieten, der normalerweise bei Digibeta- oder DVCPRO-Produktionen anfällt. Außerdem habe ich jetzt einen Riesenstapel von SATA-Platten mit Full-HD-Material im Schrank. Für die Archivierung eignen sich die Platten mindestens genauso gut wie das Band. In zwei oder drei Jahren lässt sich das Material dann relativ einfach auf andere Medien kopieren. Das finde ich super.
Waren Sie mit den Ergebnissen beim Color-Grading zufrieden?
Wir hatten ein vernünftiges HD-Bild. Das Color-Grading mit dem Editcam-Material war Tape-to-Tape genauso, wie ich es kenne. Wir sind mit der Ikegami-Kamera auch deshalb sehr zufrieden, weil sie atmosphärisch etwas andere Bilder liefert. Die Ikegami-Bilder waren ja schon immer einen Tick freundlicher, weicher und erdiger als die anderer Video-Kameras. Ich bin deshalb schon länger ein großer Ikegami-Fan. Die erste Kamera, die ich mir gekauft habe, war eine HLV 55 Beta SP Kamera und auch die bot eine viel schönere Ästhetik als andere Video-Kameras. Unter Kameraleuten ist das bekannt. Die wissen, dass man mit Ikegami-Kameras schon bei der Aufnahme einen angenehmeren Ton erhält.
Welche Optiken haben Sie beim Dreh benutzt?
Wir haben mit unseren alten Broadcast-SD-Optiken von Fujinon und Canon gearbeitet. Es war uns schlicht zu teuer, für vier Kamerabodys auch noch neue HD-Optiken anzuschaffen. Das hätte sich nicht gerechnet. VOOM hat sich zähneknirschend darauf eingelassen.
Start mit Prototypen
Wie sind die Kameraleute mit den Editcam HD-Systemen klar gekommen?
Die Kameras waren relativ gutmütig. Am Anfang gab es ein paar kleinere Probleme, bis die Kameraleute das System schließlich richtig verstanden haben. Es war für sie schon eine gewisse Umgewöhnung. Wir haben in der Drehzeit zu „S.O.S. Tierbabys“ auch fünf Software-Updates erhalten. Dadurch wurden die Systeme insgesamt verbessert. Angefangen hatten wir im Prinzip ja auch mit Prototypen. Wir haben mit den ersten vier Editcam HD-Kameras der Weltproduktion gedreht. Das war für alle Beteiligten wirklich Neuland, auch für unsere Ansprechpartner bei AVID und Ikegami selbst. Ikegami/Editcam-Partner AVID hat sich übrigens unser Material gesichert, um damit auch Schulungen durchführen zu können. Die AVID-Leute waren begeistert, dass das letztendlich alles so gut funktioniert hat.
Wie waren Sie bislang mit dem Ikegami-Support zufrieden?
Wir hatten einen Super-Support. In Südafrika gab es einmal ein kleines technisches Problem. Und dann ist tatsächlich ein Ikegami-Techniker gekommen und hat das gerichtet. So etwas habe ich bislang selten erlebt. Meiner Meinung nach ist es sehr viel wert, wenn man bei technischen Problemen einen speziellen Ansprechpartner hat und sich nicht an irgendein Servicecenter wenden muss.
Wie bewerten Sie die Lichtempfindlichkeit der Editcam HD-Kameras?
Die Ikegami Editcam HD kann hier den Vergleich mit Sonys HDCAM wunderbar halten. Anfangs haben wir immer mit der Blendeneinstellung – 3 db gedreht, weil wir dachten, dies sei notwendig. Mittlerweile wissen wir, dass wir ohne Probleme auch auf 0 db drehen können. Bei + 3 db fängt dann HD-abhängig das Bildrauschen an. Das ist aber bei allen HD-Kameras so. Ein Vorteil ist, dass die Kamera ja für die doppelte Datenmenge vorbereitet ist. Im Moment arbeiten wir noch mit 120 MB pro Sekunde auf 50i, bei 60i wären das 140 MB. Die Kamera ist aber im Prinzip schon in der Lage, 240 MB aufzeichnen. Diese Funktion ist aber noch nicht frei geschaltet, weil die Fieldpacks den hohen Datenstrom noch nicht verarbeiten können. Die Flashpacks hingegen können das schon heute. Die hohe Datenrate ist jedenfalls eine tolle Option für hochwertige Drehs. Wir machen ja auch große Dokumentationen für National Geographics und Discovery Channel. Weil die Kamera technisch schon den nächsten Zukunftsschritt integriert hat, bin ich mit ihr auch künftig weit vorne mit dabei.
Was erwarten Sie in Zukunft von der Ikegami-Aufnahmetechnik?
Ich freue mich auf das Fieldpack-Recordersystem für zwei Fieldpacks à 160 GB. Das eignet sich natürlich für den Einsatz im U-Boot. Wir brauchen dann nur noch eine Außenkamera und können im U-Boot aufzeichnen. Mit zwei mal 160 GB komme ich fast 300 Minuten weit, aber das in einer Qualität, die ich eigentlich nicht gewohnt bin. Das hat man früher entweder sehr aufwändig mit HDCAM-MAZen gemacht oder auf HDV, was dann eine Riesenqualitätseinbusse bedeutete.
Gibt es neue Projekte bei Context TV?
Wir drehen 2008 auf dem zu den Marshall Inseln gehörenden Bikini Atoll. Wir werden zu den Wracks der Schiffe tauchen, die die Amerikaner dort genau vor 60 Jahren bei ihren ersten Atomtests versenkt haben. Das wird eine große, aufwändige Produktion für Discovery Channel, History Channel und das ZDF. Die Ikegami-Kameras werden dort auf jeden Fall dabei sein und eingesetzt werden. Ich ziehe jetzt alle Drehs mit diesen Kameras durch.
Eckhard Eckstein
(MB 02/07)