Anspruch auf Technologieführerschaft

Bei den Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) auf dem Nürnberger Norris-Ring hatte TV-Produktionsdienstleister WIGE Media einige Exemplare der brandneuen SD/HD-Minikameras CUNIMA MCU[1] im Einsatz. Das sehr leistungsstarke und kompakte System wurde gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen entwickelt.

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Bruno Spengler kam in der 22 Runde mit seinem Mercedes-Boliden langsam aus der Boxengasse am Nürnberger Norris-Ring. Hier darf man nicht schneller als 60 km/h fahren. Die Rennpiste und das Aufhebungszeichen für die Geschwindigkeitsbegrenzung in Sicht, drückte der Kanadier dann aber kräftig auf die Tube. Die rote Ampel am Ende der Boxen-Gasse, die die DTM-Rennleitung wegen einer Safety-Car-Phase eingeschaltet hatte, ignorierte er. „Für mich war es grün“, sagte er später. Dass der Sieger des DTM-Rennens am Norris-Ring mit seiner Farbwahrnehmung voll daneben lag, bewiesen schnell die TV-Kameras. Bei großen Rennen, egal ob in der Formel 1 oder bei der DTM, lässt sich mit ihnen meist lückenlos das Renngeschehen dokumentieren. Zumindest die Autos der Top-Fahrer verfügen über Onboard-Spezialkameras im Cockpit oder auch außen an der Karosserie. Der Zuschauer sieht, was der Fahrer sieht. Und im Fall Spengler auf dem Norris-Ring war das klar eine rote Ampel.

Die kleinen Spezialkameras, die den Zuschauern das Renngeschehen so hautnah erlebbar machen, haben jetzt Zuwachs bekommen. Bei der DTM auf dem Norris-Ring setzte TV-Produktionsdienstleister WIGE Media seine neue CUNIMA MCU[1] ein.
Entwickelt wurde die Kamera gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen. „Die Initiative zum Bau der Kamera ging von uns aus. Die Basistechnologie dafür stammt aber vom Fraunhofer Institut. Das hatte einen rudimentären Prototypen gebaut und auf Messen präsentiert. Der bot uns einen sinnvollen Ansatz, um eine kleine Kameralösung zu realisieren“, berichtet Tobias Vees, Technischer Leiter von WIGE Media und Mitentwickler der Kamera. Die Projektdauer war dabei sehr kurz. Vees: „Im November letzten Jahres haben wir erste Gespräche mit dem Fraunhofer Institut geführt. Konkret mit der Entwicklung angefangen wurde aber erst Ende Januar 2007. Nur drei bis vier Monate brauchten wir dann bis zum ersten produktionsfähigen System. Die Umsetzungszeit war schon rekordverdächtig.“

Die CUNIMA MCU[1] stellt laut WIGE eine Revolution in der Mikrokamera-Technik dar. Bei kleinsten Maßen (182 g Gewicht bei 33,5 mm × 38 mm × 111,5 mm) wird sie höchsten Qualitätsansprüchen gerecht. Maximal drei Watt Leistungsaufnahme reichen dem neuen Kamera-Leichtgewicht. Sie bietet unter anderem folgende Features: AGC (Automatic-Gain-Control), elektronischer Shutter, einfach auswechselbare Glasfilter direkt im C-Mount, programmierbare RS-422-Fernsteuerung etc.
Der Multiformat-Winzling kann durch die verwendete neueste CMOS-Chip-Technik als einziges Mini-System weltweit ein natives HD- und SD-Signal liefern, letzteres auch in SD 16:9. Die CUNIMA MCU[1] wurde als echter Allrounder konzipiert und besticht durch das ultrakompakte Design und die Tatsache, dass eine zusätzliche externe Kamera-Elektronik wie eine CCU (Camera-Controll-Unit) nicht benötigt wird. Das fertige Bildsignal liegt direkt an der Kamera an.

„Wichtigste Besonderheit ist, dass die Kamera ohne zusätzliche Elektronik komplett autark arbeiten kann und ein wirklich produktionsfertiges HD-SDI- oder SD-SDI-Signal liefert. Alle anderen Miniaturkameras, die es im Moment auf dem Markt gibt, haben eine externe Kameraelektronik für die Signalverarbeitung und setzen über Multicore-Kabel die eigentlichen Sensordaten dorthin ab“, betont Vees. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut habe man es geschafft, den Signalprozessing-Vorgang soweit zu miniaturisieren, dass die CUNIMA MCU[1] auf externe Elektronik verzichten könne. Dabei habe man keine Kompromisse bei der Bildqualität gemacht.

Natives 16:9 SD-Signal
Für WIGE Media war wichtig, dass die Kamera auch ein natives 16:9 SD-Signal erzeugen kann. „Das war einer der Gründe, warum wir das System entwickelt haben. Wir investieren nur in technische Entwicklungen, wenn wir etwas brauchen, was uns andere nicht zur Verfügung stellen können. Wir waren auf Suche nach einem sehr kleinen 16:9 SD-Kamerasystem und haben auf dem Markt nichts Entsprechendes gefunden. Normalerweise liefern 16:9-Minikameras ein HD-Signal, das man dann auf SD herunterkonvertieren muss“, meint Vees.

WIGE Media aber habe häufiger Bedarf an nativen SD 16:9-Signalen. „Das hat etwas mit der Chipgröße und den Optiken zu tun, die verwendet werden können“, erklärt er. „Für ein SD 16:9-Signal nutzen wir nicht die komplette 2/3“-Fläche des Chips, sondern nur 1/3“ und können deshalb auch eine Reihe anderer Objektive benutzen. Wenn wir mit der Kamera aber HD-Aufnahmen machen, dann nutzen wir die ganze 2/3-Fläche des Chips als bildaktiven Teil.“
Hintergrund sei, dass für 1/3“ die Auswahl an Objektiven größer sei und die Preise der Objektive deutlich günstiger. „Bei vielen unserer Anwendungen müssen die Objektive sehr leicht sein und auch kostengünstig. Bei Autorennen ist es besser, keine 10.000 Euro-Optik einzusetzen, sondern lieber eine für unter 1.000 Euro“, meint Vees. Die CUNIMA MCU[1] selbst habe schon einmal einen heftigen Crash schadlos überstanden, ihre dabei eingesetzte Optik hingegen nicht.

Um die Onboard-Minikameras bei den Autorennen zu stabilisieren werden spezielle Halterungen mit Vibrationsdämpfung eingesetzt. Die Optiken werden zudem in die Kameras eingeklebt, damit sie sich nicht lösen können. „Beim Design von Kamerasystemen legen wir viel Wert darauf, dass sie möglichst wenig bewegliche Teile mit möglichst geringer Masse haben. Das ist auch ein Grund dafür, warum die CUNIMA MCU[1] so leicht ist“, erklärt Vees.
Neben dem C-Mount sind theoretisch auch andere Objektivaufnahmen an der Kamera möglich. Der vorhandene Kamera-Mount lässt sich abnehmen und durch einen anderen ersetzen, zum Beispiel auch durch einen B4- oder BL-Mount. „Das ist alles denkbar. Die Modularität der Kamera erlaubt das. Der C-Mount ist meiner Meinung nach aber eigentlich die richtige Wahl, weil die Objektivgröße mit der Kameragröße ja einhergehen sollte. Es bringt nichts, wenn die Kamera zehn Zentimeter lang und das Objektiv dazu 70 Zentimeter. Wenn man aber in Spezialrichtungen geht, kann es durchaus vorteilhaft sein, wenn man auch den Kamera-Mount mechanisch verändern kann“, meint der Technische Leiter von WIGE Media.

Zur Steuerung der Kamera bedient sich WIGE Media des Steuerprotokolls RS422. Über das Protokoll kann man alle Parameter der Kamera wie elektronsicher Shutter, Gain, Weis- und Schwarzabgleich fernsteuern. Beim DTM-Lauf auf dem Norris-Ring wurden die Parameter jedoch nicht über die eingesetzte WIGE Drahtlos-Technik ferngesteuert und verändert, sondern vor dem Rennen fest eingestellt. „Wir bauen aber gerade ein System, mit dem wir Steuersignale über Funk in die Fahrzeuge hinein übertragen können, um jederzeit auf die Optik-Parameter zugreifen zu können“, verrät Vees. Die dafür nötigen Optiken mit Stellmotoren würde man bei darauf spezialisierten Unternehmen bestellen.
Bei WIGE Media arbeitet man indes weiter an der Optimierung des neuen Kamerasystems. Vees: „Es gibt an kleineren Stellen immer Verbesserungsbedarf.

Meist geht es dabei um den subjektiven Bildeindruck. Da sammeln wir im Moment auch noch bei unseren eigenen Produktionen Erfahrungen und versuchen das Set-Up der Kameras den jeweiligen Gegebenheiten möglichst perfekt anzupassen.“
Auf dem Norris-Ring in Nürnberg hatte WIGE Media vier Rennwagen mit je zwei Mini-Kameras ausgestattet, jeweils eine außen und eine innen. Die Innenkamera ist in der Regel am Überrollbügel ganz in der Nähe des Fahrerkopfes installiert. Vees: „Der Zuschauer erhält so eine Perspektive geliefert, die ähnlich der subjektiven Perspektive des Fahrers ist.“
Die Kamera erlaubt laut Vees viele weitere Anwendungsmöglichkeiten zur kreativen Bildgestaltung. Im Sportbereich seien Einsätze als Goal-Cams, Chip-Cams im Skisprung-Schanzentisch oder als Pole-Cam möglich. Ebenso geeignet sei die CUNIMA MCU[1] als feste Kameraposition auf der Konzertbühne. Durch ihre kompakten Abmessungen biete sie außerdem ideale Voraussetzungen für den Einsatz von stereoskopischen Videoaufnahmen.

Die CUNIMA MCU[1] Kameras will WIGE Media künftig auch verleihen oder verkaufen. Der Verleih soll unter anderem auch über das zum Unternehmen gehörende Rental-Haus HDinside laufen. Für den Verkauf werden noch Vertriebspartner gesucht. „Mit der CUNIMA MCU[1] untermauern wir unseren Anspruch auf Technologie-Führerschaft“, betont der für das operative Geschäft zuständige WIGE-Vorstand Stefan Hoff. „Dazu haben wir nicht nur bei unseren eigenen Produktionen nun noch mehr Möglichkeiten zum kreativen Kameraeinsatz, sondern bieten diese Kamera auch anderen Unternehmen zum Kauf an.“
Eckhard Eckstein (MB 07/07)