Analysen, Studien und emotionale Momente

Zum vierten Mal wurde vom 19. bis 22. Mai 2011 im Golfpark Gut Häusern die UniCredit Ladies German Open ausgetragen. Das Turnier hat sich zu einem der Top-Events auf der Ladies European Tour (LET) entwickelt. Entsprechend hochwertig hat man dort mittlerweile auch die TV-Produktion aufgestellt. In diesem Jahr brachte Produktionsunternehmen U.Com zusammen mit LMC Live Motion Concept erstmals die Highspeed-Kamera Antelope in der Funkversion „AIR“ zum Einsatz sowie direkt vor den Abschlägen zwei Camaeleon-POV-Kameras.

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Analysen, Studien und emotionale Momente

Regisseur Felix Marggraff hatte alle Hände voll zu tun. Im Ü-Wagen von SIVision kreierte er ein eindrucksvolles Potpourri an Bildern vom Golfturnier „UniCredit Ladies German Open“ in Gut Häusern. Marggraff, bekannt als engagierter Geschäftsführer von LMC LiveMotionConcept, erledigte bei der 4. Auflage des Ladies European Tour (LET) Turniers im Dachauer Hinterland gleichzeitig verschiedene Jobs. Für den DGS (Deutscher Golf Sport) produzierte er das Weltbild mit Inhouse- und News-Feeds und für Sky Deutschland die Bilder für Highlight- und Live-Übertragungen.

Der Pay-TV-Sender hatte sich erstmals entschieden, auch live von der Golf-Anlage des GC Eschenried zu berichten. Zunächst sollte nur an den beiden letzten Turniertagen Live-Bilder gezeigt werden. Wenige Wochen vor dem Event wurde dann aber entschieden, an allen vier Turniertagen neben der Highlight-Berichterstattung auch live zu senden (Donnerstag und Freitag je eine Stunde, Samstag und Sonntag je drei Stunden). Eine gute Entscheidung. Bei traumhaftem Sommerwetter wurde in Gut Häusern absolut hochklassiges und spannendes Damengolf gezeigt. Einen souveränen Sieg feierte dabei die Italienerin Diana Luna. Die hohe Anziehungskraft des LET-Turniers belegten auch knapp 32.000 Besucher. Sie konnten auf einigen Großdisplays auf der Golf-Anlage miterleben, was die TV-Zuschauer bei Sky erstmals auf ihren heimischen Fernsehgeräten serviert bekamen – hochauflösende Golfaufnahmen in Super-Super-Zeitlupe, aufgezeichnet von der LMC Highspeed-Kamera Antelope. Sie war laut Marggraff erstmals überhaupt bei einer Produktion in der neuen Funkversion Antelope AIR im Einsatz – live und im Replay. Der Antelope-Kameramann seine Assistentin mit Funkrucksack und Antenne begleiteten die Leader-Flights und hielten die Abschläge der Proetten im Bild fest. Der Kameramann musste nur draufhalten und die Schärfe ziehen.

Alle anderen Kameraeinstellungen konnten über die funkbasierte Telemetrie-Steuerung direkt vom Ü-Wagen aus gemacht werden. „Auch das gab es so noch nie“, berichtete der technische Leiter von LMC, Christian Schreiber. „Es ist das erste Mal, dass wir alle Einstellungen der Antelope über Funk steuern und ihr HD-Signal im Rahmen einer Live-Produktion über Funk zum Ü-Wagen übertragen“, erklärte er. Schreiber lobte die hohe Stabilität der Funkübertragung und die Super-Qualität der Bilder. Dies sei das Ergebnis der „hervorragenden Zusammenarbeit“ zwischen Riedel und LMC. „Riedel hat uns die Möglichkeit geschaffen, die Steuerdaten von der Kamera über Funk komplett mit unserem Remote Controll Panel (RCP) zu kontrollieren“, betonte er. Das System für die drahtlose Steuerung basiert auf Riedels Conductor-Lösung.

Das kleine Conductor-Interface kommuniziert laut Riedel bidirektional mit allen gängigen Broadcast-Kameras von Sony, Grass Valley und Ikegami. Es ist in einem kleinen, leichten Kästchen untergebracht und lässt sich leicht an die Kameras andocken. Die Conductor-Steuerungsdaten werden in einen digitalen Audiokanal eingebettet, so dass zur Anbindung der Conductor-Basisstation lediglich eine digitale AES-Verbindung notwendig ist.

Um die Antelope AIR via Funkstrecke steuern zu können, hatte Riedel unlängst auch das Telemetrie-Protokoll des Conductor-Systems entsprechend angepasst. „Wenn man bedenkt, dass wir hier eigentlich den ersten echten Fieldtest mit der Antelope AIR fahren, funktioniert das System ausgezeichnet“, berichtete Marggraff. Auch die beim Funk auftretenden Latenzen seien kaum relevant gewesen. „Der Operator in unserem Kontrollfahrzeug war jederzeit in der Lage die Kamera komplett fern zu bedienen“, betonte der LMC-Geschäftsführer und Regisseur des LET-Turniers.

In Gut Häusern sorgte Riedel nicht nur für den reibungslosen Funk-Einsatz der Antelope AIR sondern betreute auch alle anderen Funkstrecken. „Die drei Riedel-Leute, die in der Bildtechnik des SIVision-Ü-Wagens sitzen, machen hier einen sehr guten Job“, lobte Marggraff.
Insgesamt waren sechs Funkkameras im Einsatz. Neben der Antelope AIR waren das vier Sony XDCAM-Schultercamcorder sowie eine POV-Kamera Camaeleon. Eine weitere Camaeleon am Abschlag von Bahn 15 war über Glasfaser direkt mit dem Ü-Wagen verbunden. Die Camaeleons zeigten die Spielerinnen beim Abschlag aus der Front-Perspektive. „Das hat es noch nie zuvor gegeben. Und keine der Spielerinnen hat sich darüber beschwert, dass genau in ihrer Abschlagrichtung eine kleine Kamera auf dem Boden liegt“, meinte Marggraff. Beide Camaeleons wurden komplett aus dem Ü-Wagen heraus gesteuert. Die Kameras sind für 1080p/50 ausgelegt. Produziert wurde jedoch in 1080i/50.
Die drahtlosen Signale wurden von Antennen aufgefangen, die unter dem Kamerakorb auf einem 65 Meter hohen Steiger angebracht waren. Von dort aus wurden sie via Glasfaserleitung zum Ü-Wagen transportiert.

Als Produktionsunternehmen war U.COM Media aus Düsseldorf von der DGS mit der Produktion der TV-Bilder beauftragt worden. U.COM wiederum hatte den zum Turnier-Zeitpunkt noch mit der Insolvenz kämpfenden Ismaninger Ü-Wagen-Dienstleister SIVision und LMC ins Boot geholt. LMC war für die Bereitstellung und die Bedienung der Antelope AIR und der Camaeleon-Kameras zuständig. „Schon 2009 haben wir zum ersten Mal die LET German Ladies Open für die DGS übertragen“, berichtete Marggraff. „Bislang wurde allerdings nur das Weltbild beziehungsweise das sogenannte In-House-Feed produziert. Sky und andere Abnehmer konnten sich hieraus das Material für ihre Highlight-Zusammenschnitte nehmen.“ Das war noch eine überschaubare Aufgabe für den Regisseur, zumal auch die Zahl der dabei eingesetzten Kameras geringer war als bei der diesjährigen Produktion. In diesem Jahr gingen bei Marggraff deutlich mehr Signale über den Mischer und – wie eingangs erwähnt – war er als Bildgestalter multifunktional unterwegs.

Technikeinsatz

Für die Weltbild-Produktion standen Marggraff drei EVSMaschinen zur Verfügung und eine weitere dedizierte EVS für die Sky-Produktion. Geschnitten wurde an Final Cut Pro Schnittplätzen. „Alle Signale liegen auf einer Kreuzschiene auf und können von überall nach überall gespielt werden. Es gibt Nachvertonung, Live-Kommentar und relativ viel News-Playout für die LET Tour“, erklärte Marggraff.
Insgesamt gab es auf dem Golfplatz in Gut Häusern neben den erwähnten mobilen Kameras elf feste Kamerapositionen – drei mehr als letztes Jahr. Drei der mit 86x Optiken ausgestatteten Sony- HDC1500-Kameras waren auf eigens errichteten Kameratürmen postiert (Bahn 15,16 und 17), eine weitere auf dem erwähnten 65 Meter hohen Steiger der Firma Schmidt. Zwei Kameras waren auf der Clubterrasse mit Blick auf das Doppelgrün der Bahnen 9 und 18 positioniert, weitere auf Tribünen und Podesten.

Zwei Kameras mit 20x Optiken standen dem Open-Air-Studio von Sky direkt vor dem Doppelgrün zur Verfügung.
Die Antelope-Kamera, die von 25 bis zu 3.000 Bilder pro Sekunde aufzeichnen kann, wurde ausschließlich eingesetzt, um die Spielerinnen zu zeigen. „Den Ballflug zu filmen macht mit einer Highspeed-Kameras keinen Sinn. Wir nutzen die Antelope-Bilder für Analysen, Studien und emotionale Momente. Den Ballflug nehmen wir mit unseren ganz normalen Sony HDC1500 auf“, sagte Marggraff.
LMC-Chef Marggraff griff als Regisseur im Ü-Wagen gerne auf die sensationellen Bilder seiner Antelope-Kamera zu, räumte jedoch auch ein: „Bei all der Begeisterung für die Antelope-Bilder muss unsere Bildgestaltung natürlich sportlich relevant bleiben“. Als ideale Schnittweise habe sich herausgestellt, die Superzeitlupenaufnahmen der Antelope im Übergang vom Abschlag einer Spielerin zur anderen zu zeigen. „Diese Bilder sind sehr ästhetisch und zeigen sehr genau die Schwungtechnik der Spielerinnen“, schwärmt er. Bei der Produktion des LET-Turniers orientiere man sich an der sehr viel aufwändigeren Produktion der PGA Tour – auch wenn man nur über rund einem Viertel des TV-Produktionsetats eines PGA-Turniers verfüge.

Die Produktionsmannschaft von U.COM und Partnern muss also an verschiedenen Stellen sparen und kann nicht an jeder der 18 Golf-Bahnen feste Kameras aufbauen. „Um trotzdem von überall her Bilder zeigen zu können, sind flexibel einsetzbare Kamerateams mit funkbasierten Systemen die ideale Lösung“, sagte U.COM-Produktionsleiter Jörg Zumkeller.
Ein wenig auf der Strecke blieb dabei jedoch der Ton. Nicht an jedem Abschlag konnte die Atmo adäquat eingefangen werden. Dafür standen nur drei Big Ear Systeme zur Verfügung, die von Abschlag zu Abschlag herum gefahren werden mussten. Die drahtlosen ENG-Kameras waren zudem mit Richtrohr-Mikros ausgerüstet. Die Kameras mit den langen Optiken waren zwar auch mikrofoniert, aber meist zu weit weg vom Geschehen. „Der Ton ist auch eine Frage des Budgets. Da können wir mit der PGA Tour nicht mithalten, wo an jedem Abschlag ein Atmo-Mikro steht und bei jedem Flight ein drahtloses Richtrohr-Mokrofon mitgeht“, sagte Marggraff.

Immerhin – das gesamte TV-Produktionsteam in Gut Häusern bestand inklusive der Sky Deutschland-Mannschaft aus 70 Leuten. U.COM selbst war mit zehn eigenen Mitarbeitern am Start. Das Düsseldorfer Produktionshaus macht im Golf-Bereich zahlreiche Produktionen für die Herren European Tour und die LET bei den Frauen. „In diesem Jahr sind wir als Produktionspartner für alle Turniere der LET Tour verantwortlich“, berichtete Zumkeller. Zu den weiteren Produktionsschwerpunkten von U.COM zählen zudem insbesondere Tennis und Eishockey (70 Spiele pro Saison).

Sky Deutschland

„Ursprünglich war auch für dieses Jahr geplant, die UniCredit Ladies German Open nur als täglich einstündige Highlight-Sendung für Sky Deutschland zu produzieren. Das Kamerakonzept wurde zunächst nur dafür angepasst. Es war aber am Ende live-fähig. So kam man dann auf die Idee, auch gleich live zu senden“, sagte Zumkeller. Neben einstündigen Zusammenfassungen am Donnerstag und Freitag wollte der Abo-TV-Sender die entscheidenden Abschläge und Putts am Samstag und Sonntag live zeigen (Samstag ab 15.00 Uhr, Sonntag ab 13.00 Uhr). Am Ende wurde auch am Donnerstag und Freitag eine Stunde live übertragen.

Sky hatte dafür sein personelles Aufgebot deutlich aufgestockt. Neben Moderator Hartmut von Kameke führte Esther Sedlaczek durch die Sendungen. Für aktuelle Interviews und bunte Beiträge auch abseits der Grüns sorgte Uwe Bornemeier, der schon zum vierten Mal in Folge aus Gut Häusern für Sky berichtete. Kommentiert wurde das Turniergeschehen von Adrian Grosser, der die Veranstaltung ebenfalls schon seit dem Jahr 2008 bestens kennt. „Dass Sky direkt von der Golf-Anlage hier live kommentiert, gab es vorher noch nie“, betonte Marggraff. „Wir haben hier jetzt eine relativ große, ausgewachsene Live-Produktion – auch Donnerstag und Freitag. Wenn Sky Deutschland produziert hat der Pay-TV-Sender natürlich Hoheit auf dem Ü-Wagen. Dann wird das Weltbild in den EVS-Maschinen isoliert aufgezeichnet und später nachgereicht“, sagte er.

Trotzdem habe man auf dem Ü-Wagen schon „eine etwas spritzige Situation“ gehabt wegen all der Signale, die dort oft gleichzeitig produziert werden mußten. „Wenn wir für Sky proben, müssen wir parallel dazu das In-House-Signal sportlich weiter produzieren. Das ist schon eine Sondersituation und es gibt nicht viele, die das so machen möchten“, erklärte er.
Ein Regisseur reiche für eine solche Produktion eigentlich nicht aus. Eine Subregie für Sky sei sicherlich hilfreich gewesen. Marggraff sieht jedoch auch einen Vorteil bei der gewählten Vorgehensweise. „Wenn der sportliche Regisseur gleichzeitig auch das Sky-Feed mitbetreut und alles bei einer Person zusammen läuft, ist es für das Produkt am Ende des Tages vielleicht auch gar nicht so schlecht. Dann können zwei Regisseure auch nicht gegeneinander arbeiten“, meinte er.
Die faszinierenden TV-Bilder aus dem Golfpark Gut Häusern zeigen, dass er mit dieser Ansicht so falsch nicht liegt.
Eckhard Eckstein
(MB 06/11)

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