Digitale Werbewelten

Ob Online, Mobile oder Connected TV – auf der dmexco waren alle Trends der digitalen Werbewirtschaft präsent. Was in der Branche Rang und Namen hat, war vertreten. Agenturen, Direktvermarkter, Publisher, soziale Netzwerke und Suchmaschinenbetreiber boten einen Blick hinter die Kulissen.

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Digitale Werbewelten

Überaus optimistisch präsentierte sich die Online-Branche auf der Fachmesse dmexco in Köln. Kein Wunder, schließlich verlagert die Werbewirtschaft ihre Ausgaben mehr und mehr in die digitale Welt. Nach einer Studie des Online-Vermarkterkreises (OVK), die zum Messeauftakt vorgestellt wurde, wird der diesjährige Online-Werbeumsatz in Deutschland 7,23 Milliarden Euro betragen und damit erstmals über der Sieben-Milliarden-Euro-Marke liegen. Der Online-Werbemarkt wächst demnach erneut zweistellig um zwölf Prozent und belegt mit 23,5 Prozent des gesamten Werbekuchens Platz zwei hinter dem Fernsehen (38,8 Prozent). „Die werbetreibende Industrie passt sich an die zunehmend digitale Mediennutzung der Konsumenten an“, kommentierte Paul Mudter, Vorsitzender des Online-Vermarkterkreises, die Zahlen.

Dementsprechend boomte auch die Branchenmesse, die dieses Jahr zum fünften Mal stattfand. Die dmexco lockte 26.300 Besucher und damit 20 Prozent mehr als im Vorjahr nach Köln. Die Messe dehnte sich auf drei Hallen aus und belegte eine Fläche von insgesamt 57.000 Quadratmetern. Für den Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) bildete die zweitätige Veranstaltung den Nabel der digitalen Welt. Unter den 742 Ausstellern aus 26 Ländern waren Online- und Medien-Riesen wie Amazon, Axel Springer, Bertelsmann, Ebay, Google, Facebook, die Telekom oder Yahoo. Mit der „World of Experience“ erhielten Technikhersteller einen Rahmen, um Produkte wie vernetzte TV-Geräte vorzustellen. Ebenso wurden Produktionsmittel für digitale Werbung, Analyse-, Tracking- und Ad-Server-Lösungen gezeigt. Einer der Trends war die Werbung auf Mobilgeräten – schlicht „Mobile“ genannt. Hier liegen die Wachstumsraten in der Jahreshälfte gar bei 75,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Gesamtvolumen beläuft sich allerdings auf 44,5 Millionen – ein Anteil an der Online-Werbung von gerade mal 1,5 Prozent. Zwar schätzt der BVDW, dass die Gesamterlöse im Jahr 2013 erstmals die dreistellige Millionengrenze übersteigen. Doch wie viel Aufmerksamkeit erhalten Werbebanner auf den kleinen Bildschirmen der Mobilgeräte? Dies war auch ein Thema der Podiumsdiskussion zum Messeauftakt. Moderator Stefan Plöchinger, Chefredakteur von Sueddeutsche.de, bezweifelte, dass kleine, zuckelnde Werbeanzeigen auf Mobilgeräten überhaupt wahrgenommen würden. Werbeexperte Thomas Koch stimmte überein: „Wir liefern Werbung aus, die nicht sichtbar ist. Wenn ich auf dem Smartphone eine Sueddeutsche.de oder Wiwo.de aufrufe, habe ich die gleichen Werbemittel wie am Rechner. Nur sind die so klein, dass ich sie überhaupt nicht wahrnehmen kann.“ Richtig mache es dagegen Facebook, so Plöchinger. Hier erscheinen Werbeempfehlungen einfach im Nutzerstream – im Gegensatz zu klassischen Webseiten mache Facebook damit viel Geld. Martin Krapf von Wirkstoff TV hielt dem entgegen, dass die Einnahmen von Facebook im Verhältnis zu den Millionen von Nutzern eher gering seien. Dies belege den immer noch geringen Stellenwert der Mobile-Werbung, so Krapf.

Ein weiterhin aktuelles Thema der Werbebranche ist Multiscreen. Nach Studien des BVDW ist jeder zweite Deutsche mit einem Mobilgerät Online, während er TV sieht. Damit erhält auch die Fernsehwerbung nur noch eine geteilte Aufmerksamkeit. Werbekunden könnten daher auf geringere Tarife für die teueren TV-Spots pochen. Einen möglichen Ausweg zeigte die Firma Smartclip mit Sitz in Düsseldorf an ihrem Messestand. Das Unternehmen ist auf die geräteübergreifende Bewegtbildwerbung spezialisiert. Dabei arbeitet Smartclip sowohl mit Connected-TV-Herstellern wie Samsung, LG und Philips zusammen, wie mit App-Anbietern für Smart-TV und den Second Screen.

Doch auch klassische lineare TV-Sender seien mögliche Kunden von Smartclip, so Geschäftsführer Jean Pierre Fumagalli. „Denn in fünf bis sieben Jahren wird sämtliche TV-Werbung von Ad-Servern ausgeliefert“, prophezeite Fumagalli. Technisch sei dies kein Problem – denn der Standard HbbTV ermögliche es, DVB-Streams mit Internetinhalten zu verknüpfen. Das Fernsehen sei daher künftig nicht mehr von der digitalen Welt zu trennen. Dies ermögliche es, sogenannte 360-Grad-Kampagnen zu fahren, die alle Bildschirme bedienen. Die Ad-Server-Ausspielung habe zudem den Vorteil, dass sich die TV-Werbung personalisieren lasse – also Werbespots nach den Zuschauer-Interessen ausgeliefert werden können. Die dafür notwendigen Daten gewinnen die Onliner aus dem Surfverhalten. Smartclip zeigte eine pfiffige Lösung, um Fernsehwerbung auf den zweiten Bildschirm eines Mobilgeräts zu verlängern. Dazu hatte der Werbespotvermarkter jüngst eine Partnerschaft mit Shazam geschlossen, dem App-Anbieter, dessen App Millionen Songs an ihrem sogenannten digitalen Fingerabdruck erkennt. Entsprechend bemerkt die App „Shazam for TV“, welcher Fernsehspot gerade läuft. So lassen sich etwa Produktinformationen oder eine passende „Microsite“ auf das Smartphone liefern. Nach Medienberichten sollen die Allianz, Canon und Volkswagen bereits Werbekunden sein.

Einen weiteren Ansatz, um den zweiten Bildschirm einzubinden, präsentierte Christian Heins, Mitgründer von TV Smiles am Stand von Seven One Media. Die Firma hat eine App entwickelt, mit der TV-Zuschauer Bonuspunkte in Form von „Smiles“ sammeln können. Ab einer bestimmten Anzahl „Smiles“ winken dann Gewinne. Die TV-Smiles-App erkennt Fernsehspots an ihrem akustischen Fingerabdruck. Die App startet dann ein Quiz oder ein Spiel zum Produkt. Auf die Nachfrage, wie diese Form der Werbung ankomme, entgegnete Heins: „Die Nutzerzahlen haben unsere Erwartungen zum Start weit übertroffen. Wir erwägen sogar, die Werbung für TV Smiles einzustellen.“

Adobe, Hersteller von Desktop-Publishing-, Bild- und Videobearbeitungssoftware, stellte auf der dmexco seine Marketing Cloud erstmals in Deutschland vor. Sie bietet Werkzeuge zur Analyse, zum Targeting und der inhaltlichen Optimierung von Websites. Zudem war Adobe Primetime zu sehen: Die Weiterentwicklung des Adobe-Media-Servers soll es ermöglichen, relevante Videospots, also Werbung nach den Nutzer-Interessen, lückenlos in Webvideo-Streams einzufügen. Dan Erck, Senior Director Video Solutions bei Adobe, erklärte, der lückenlose Übergang eines Webvideo-Streams auf Werbespots gelinge mit üblichen Ad-Servern nicht. Hier stocke die Wiedergabe meist am Übergang. Adobe verwende daher einen zweiten Layer, bei dem der Werbespot über dem Video-Stream liege. In den USA habe man mit Comcast den größten Kabelnetzbetreiber als Kunden gewonnen. Zudem setzt NBC Sports bei seinen Internet-Streams auf Adobe Primetime. Für NBC Sports habe man bereits die Spotauslieferung für Olympia 2012 übernommen. Der Startzeitpunkt der Werbespots lasse sich beliebig festlegen – mit Markern oder auch per Echtzeit-Steuerung. Dafür habe man eine entsprechende Schnittstelle des Adobe-Ad-Servers zu den Content Delivery Networks (CDN) geschaffen. Im Zusammenspiel mit anderen Web-Tools von Adobe ist ebenso eine Analyse des Nutzungsverhaltens möglich: Springen die Zuschauer etwa ab, weil zu viel Werbung läuft? Dadurch lasse sich das ideale Verhältnis von Content zur Werbung bestimmen, so Erck.

Eines der weiteren beherrschenden Themen war „Big Data“ – also das Sammeln und Auswerten von gewaltigen Datensätzen über Nutzer und Käufer. Zwar wurde dies vor dem Hintergrund der Prism-Affäre durchaus kritisch diskutiert. Doch Wettbewerber, die die digitale Datenflut analysieren und qualitativ einsetzen, seien im Vorteil, so die Einschätzung der Branche.
Jan Fleischmann
(MB 10/13)

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