Knüppelharter Wettbewerb

Stefan Hoff zeichnet seit Dezember 2008 als Geschäftsführer des TV- Dienstleisters nobeo GmbH in Hürth verantwortlich. Der Ex-Vorstand der WIGE MEDIA AG ist zudem Vorstand im Verband Technischer Betriebe für Film & Fernsehen (VTFF). MEDIEN BULLETIN sprach mit ihm über die wirtschaftliche Situation von Studiobetreibern und die besondere Positionierung von nobeo in einem immer härter werdenden Wettbewerbsumfeld.

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Knüppelharter Wettbewerb

Wie geht es Deutschlands Studiobetreibern?

In unserem Geschäft besteht ja traditionell ein enges Beziehungsdreieck zwischen Sendern, Produzenten und Dienstleistern. Bei knapper werdenden Sender-Budgets geben Produzenten den Kostendruck auch an uns Dienstleister weiter. Als letztes Glied in der Wertschöpfungskette sind wir wirtschaftlich in einer undankbaren Situation. Schließlich müssen wir massiv in neueste Technik investieren, um auch weiterhin den Ansprüchen unserer Auftraggeber gerecht werden zu können.

Auch nobeo investiert in neue Studiotechnik. Mit welchem Ergebnis?

Im harten Wettbewerb sind wir nur dadurch bestens aufgestellt. Investitionen bergen zwar immer ein gewisses Risiko, sind für uns letztlich aber die einzige Chance, dauerhaft im Markt erfolgreich zu agieren.

Was muss geschehen, um die Position der Dienstleister im Produktionsgeschäft zu verbessern?

Als Geschäftsführer der nobeo aber auch als Vorstand des Verbandes Technischer Betriebe für Film [&] Fernsehen kann ich nur an alle Player im Markt appellieren, ihre Gemeinsamkeiten zu stärken. Das bedeutet insbesondere, dass die Produktionsbudgets fair ausgehandelt und bezahlt werden müssen. Sonst können die Dienstleister das heute erreichte Niveau nicht länger halten. Deswegen haben wir als Verband auch das Gespräch mit der Produzentenallianz gesucht, ebenso wie den verstärkten Austausch mit den Sendern. Es geht uns dabei überhaupt nicht darum, das vorhandene Beziehungsgeflecht zu durchbrechen, sondern lediglich deutlich zu machen, dass das Zusammenspiel in der Produktion nur dann auch weiterhin reibungslos funktionieren kann, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen in der Verwertungskette gesund bleiben.

Wie stellt sich die Wettbewerbssituation von nobeo dar?

nobeo muss sich gegenüber den größeren Studiobetreibern am Markt behaupten. Ich selbst sehe das Ganze eher sportlich. Statt nach dem Regulierer zu rufen, stellen wir uns lieber dem Wettbewerb. Wir müssen besonders innovativ und verlässlich sein, um mit dem intensiven Wettbewerb im Produktionsmarkt klar zu kommen. Auch gegenüber unseren Gesellschaftern argumentiere ich deshalb, dass das Unternehmen nobeo bleiben muss, was es ist und immer war: ein verlässlicher Partner, der in der Lage ist, auf dem höchsten technologischen Niveau Dienstleistungen anzubieten. Ein gutes Beispiel dafür ist „stern TV“. Seit mittlerweile 18 Jahren produzieren wir dieses Live-Format Woche für Woche zuverlässig wie ein Uhrwerk.

Studios mit öffentlich-rechtlichen Gesellschaftern verleiben sich immer wieder kleinere private Produktionsfirmen einverleibt. Hat das Relevanz für ihre Auftragslage?

Das spüren wir in der Tat. Sollte Deutschland den Weg gehen, sich von Europa abzukoppeln und über einen öffentlich-rechtlich geprägten Produktionsmarkt zu positionieren, dann bin ich mal gespannt, wie die großen privaten Sendergruppen RTL oder ProSieben Sat.1 reagieren. Darauf können wir aber keinen Einfluss nehmen, das ist nicht unsere Aufgabe. In Paris hingegen baut die Euro Media Group gemeinsam mit Luc Besson einen riesigen Studiokomplex, das Cité du Cinéma. Das zeigt, die Marktmacht unserer Muttergesellschaft ist vorhanden, weitere Studios zu bauen. Ich vertrete aber die Meinung, dass aktuell rund um Köln als auch im Rest Deutschlands genügend Studios sowie Ü-Wagen existieren. Und meine Strategie geht nicht dahin, im Markt weitere Überkapazitäten aufzubauen.

Expansion ist also ausgeschlossen?

Es gibt bei uns eine offensichtliche Leistungsgrenze mit acht Studios, einem Ü-Wagen und rund 40 Edits in der Postproduktion. Bei Bedarf buchen wir über unsere Schwestergesellschaften weitere Ü-Wagen hinzu, was in Bezug auf zusätzliche Studiokapazitäten leider nicht möglich ist. Deshalb haben wir zum Beispiel die Technik der neuen HD-Regie von „Wer wird Millionär“ in Studio 7 in Flight-Cases eingebaut. So können wir sie auch außerhalb des Geländes nutzen. Im letzten Jahr haben wir beispielsweise alle TV-Produktionen aus der neuen Kölner Location LimeLight wie z.B. den „RTL2 Funclub“ umgesetzt und die „Oliver Pocher Show“ im Residenzkino in Köln produziert. Außerdem stehen wir mit dem Ü-Wagen jede Woche am Studio von Brainpool und produzieren die „Heute-Show“. Wir haben für KI.KA „Die beste Klasse Deutschlands“ einen Monat in einem MMC-Studio aufgezeichnet. Das zeigt, dass wir weitere Spielflächen haben, die wir bedienen können. Auch durch unsere Ü-Wagen-Produktionen – der Wagen ist jetzt fast drei Jahre im Einsatz – haben wir uns erfolgreich breiter aufstellen können.

Unter anderem bei den Box-Weltmeisterschaften mit Felix Sturm für Sat.1 oder bei der „TV total WOK WM“ und „TV total Stock Car Crash Challenge“ für Brainpool.
Stolz sind wir darauf, dass wir wieder einen Auftrag von Red Bull erhalten haben und seit Mai die europäischen Events der weltweiten Red Bull Cliff Diving Serie mit Flight-Case-Technik und eigenen Leuten produzieren werden. Das sind vier europäische Events in Athen, Malcesine, La Rochelle und Yalta.
Das zeigt, es gibt immer mehr Produktionen, die wir außerhalb unseres Geländes in Hürth produzieren und so zu einer Diversifizierung unseres Geschäftes beitragen.

Grundsätzlich könnten Sie hier aber weitere Studios bauen?

Unser Freigelände würde das hergeben. Dort haben wir ja auch schon die ersten drei Staffeln von „Big Brother“ produziert. Von der Infrastruktur her ist der Platz vorbereitet, um dort ein Showstudio zu errichten. Allerdings könnte es dann wiederum einen großen Preiskampf mit den seit Jahren bestehenden Show-studios geben. Ausschließen möchte ich aber nicht, dass wir das Freigelände bald wieder intensiv nutzen werden.

Steht die Flight-Case-Technik für eine neue Strategie bei nobeo?

Sie als neue Strategie zu bezeichnen wäre deutlich übertrieben. Der Flight-Case-Einsatz passt einfach gut zum Vorgehen unserer Gruppe und auch zu meinem eigenen Background. Zudem entspricht es den Wünschen unserer Kunden.

Wie ist die allgemeine Auftragslage bei nobeo?

In den Kernzeiten, in denen intensiv produziert wird, können wir uns nicht über die Auslastung beklagen. Mit unseren Langzeitformaten haben wir zudem vier Studios dauerhaft belegt – das sind die Filmpool-Formate „Richterin Barbara Salesch“, „Zwei bei Kallwass“ und „Niedrig und Kuhnt“. Dazu kommen das i[&]u-Format „stern TV“ und das Endemol-Format „Wer wird Millionär“. Unser Problem ist nur, dass sich die Peak-Zeiten, das heißt die Zeiten mit sehr hoher Studio-Auslastung, verschoben haben. Im letzten Jahr hatten wir – wie die meisten anderen Studiobetreiber auch – unter einem sehr ausgedehnten Sommerloch zu leiden.

Das dauerte rund vier Monate. In den übrigen acht Monaten konnten wir dafür einige Produktionen nicht annehmen, weil die angefragten Studios belegt waren. Studio 8, mit 1.400 qm Fläche unser größtes Studio, war unter anderem mit Formaten wie „5 gegen Jauch“ oder „Die Chartshow“ komplett ausgelastet. Zuletzt wurde in diesem Studio übrigens auch „50 Jahre Sportschau – Die große Geburtstagsshow“ produziert. Der Auftrag für diese WDR/ARD-Produktion ging an den privaten Produzenten white balance GmbH, der seinen Sitz bei uns auf dem Studiogelände hat. Und in Studio 8 wird zum Beispiel auch das „Quiz des Menschen“ produziert.

Wie ist die Auslastung der kleineren nobeo-Studios?

Die Studiokapazitäten für kleinere Produktionen sind im Moment nicht immer gefragt – das hat aber den Vorteil, dass wir unseren Kunden hier oft flexibel Kapazitäten bieten können, zum Beispiel für deren Pilotproduktionen. Verbunden mit der erwähnten Sommerloch- und Peak-Produktion-Problematik war das auch ein Grund dafür, dass wir im letzten Jahr kämpfen mussten und keine schwarzen Zahlen verbuchen konnten. Ich war deshalb auch gezwungen umzustrukturieren.

Gibt es Pläne, die kleineren Studios besser zu nutzen?

In 2010/2011 haben wir viele Pilotproduktionen durchgeführt, welche hier Platz finden würden, aber diese müssen erst von den Sendern beauftragt werden. So wurden etwa die ersten beiden Folgen von „The Cube“ in in England produziert und wir machen hier die Postproduktion. Wenn diese Formate tatsächlich laufen würde, hoffen wir, dafür auch unsere Studiokapazitäten anbieten zu können. Außerdem nutzen wir unsere Studios verstärkt auch für andere Aufgaben als für TV-Produktionen.

Zum Beispiel?

Der Sektor Events hat sich bei uns in den letzten Jahren deutlich entwickelt. Unsere Studios vermieten wir unter anderem für Festlichkeiten, Kongresse oder Produktpräsentationen. Auch Werbedrehs mit Komplettservice oder branchenspezifische Workshops wie zum Beispiel unlängst das 3D-Event von Presteigne Charter finden hier statt.

Welche strukturellen Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu verbessern?

Wir haben hier bei nobeo natürlich auch einige sehr erfolgreiche Jahre erlebt und in dieser Zeit Kapazitätsreserven angelegt. Das war auch der Strategie geschuldet, die Aktivitäten auszubauen – zum Beispiel mit Ü-Wagen- und Flight-Case-Bereich sowie bei der Nutzung weiterer Locations im Kölner Umland bis hin zu einem möglichen Bau neuer Studios in einem boomenden Markt. Reserven machen aber nur Sinn, wenn sich das Geschäft auf zwölf Monate im Jahr verteilt. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Kapazitätsplanung und Personalstärke nicht an den positiven Auslastungsspitzen zu orientieren, sondern an der durchschnittlichen Auslastung.

Wie viele Mitarbeiter mussten gehen?

Insgesamt haben wir uns von zehn Mitarbeitern trennen müssen. Darunter waren allerdings auch Kollegen, deren Verträge ohnehin ausgelaufen wären.

Wie schlagen sich die unterschiedlichen Geschäftsaktivitäten von nobeo auf das Geschäftsergebnis nieder?

Über 60 Prozent erwirtschaften wir mit unserem Kerngeschäft im Studiobereich, um die 20 Prozent in der Außenübertragung also Ü-Wagen- und Flight-Case-Technik. Die Postproduktion liegt bei circa 15 Prozent, hier spielt auch das Geschäft mit rein, das wir mit unserer Tochter Filmpartners Deutschland GmbH am Standort Coloneum machen. Etwa fünf Prozent des Umsatzes generieren wir im Vermietbereich.

Im Bereich Postproduktion ist nobeo also recht stark?

Wir sind ein großer Postproduktionsdienstleister mit über vierzig Avid-Systemen einschließlich der nötigen Server und Glasfaserleitungen. Unsere komplette Infrastruktur ist modular aufgebaut. Wenn eine Produktion kommt, können wir Edits und Büroräume kombiniert zur Verfügung stellen. Hierdurch sind wir sehr flexibel und können von der Ausstattung her sehr bequeme Strukturen anbieten und ein komplettes, attraktives Service-Paket schnüren. Die gesamte Wertschöpfungskette aus einer Hand bedienen zu können, ist sicherlich der Hauptvorteil.

Sie haben in ihre Studios investiert und mittlerweile drei davon für die HD-Produktion aufgerüstet.

Das ist richtig. 2007 waren wir die Ersten, die im Studio 6 ein HD-fähiges Regiestudio mit dem neuesten technischen Standard aufgebaut haben. Darauf folgte 2008 der Bau unseres HD-Ü-Wagens. Der wurde genutzt, um hier auch zwei HD-Produktionen parallel fahren zu können. Das Problem war nur, dass wir in 2009 und 2010 eine solche Situation fast nie hatten. Ich war gleich zu meinem Beginn bei nobeo gezwungen, schnell eine andere Nutzungssituation für unseren Ü-Wagen zu finden. Heute können wir ihn nicht mehr aus dem AÜ-Geschäft abziehen, falls er auf dem nobeo-Gelände gebraucht werden sollte. Deshalb haben wir weiter in HD-Regien investiert. Im Frühjahr 2011 haben wir die Regien 1 und 7 auf HD aufgerüstet.

Sehen sie einen Trend hin zu HD-Studioproduktionen?

Ich kann nur sagen: Die große Formatvielfalt stellt eine große Herausforderung dar und die Tatsache, dass es in Deutschland nicht immer eine vorausschaubare Investitionsstrategie der Kunden und Partner gibt, macht es nicht einfach. Der eine Kunde möchte von uns SD 4:3 und der nächste redet mit uns schon über 3D. Bei manchen Formaten komme ich hingegen fast schon mit Consumer-Technik aus. Das bedeutet aber, dass wir immer neue Strukturen und Abläufe definieren müssen. Der Markt erwartet von uns, dass wir die ganze Palette an technischen Möglichkeiten bereit halten – und die meisten reden dabei nur über die einzusetzende Kamera und nicht über die damit verbundenen Workflows. Wir investieren nicht, weil wir Technikfreaks sind, sondern weil wir unsere Kunden technisch optimal bedienen wollen. Dabei müssen wir sehen, dass das, was gefordert ist, auch sinnvoll in der Umsetzung ist und beraten unsere Kunden auch dahingehend.

Es gibt also bei den in ihrem Haus realisierten Produktionen keine speziellen technologischen Trends?

Natürlich gehen die Anfragen heute schon eindeutig in Richtung HD. „Wer wird Millionär“ wird seit diesem Jahr komplett in HD produziert. Das gilt auch für die „50 Jahre Sportschau – Die große Geburtstagsshow“, „Quiz des Menschen“ und „Menschen, Bilder Emotionen“. Manch potentielle Auftraggeber gehen davon aus, dass sie heute eine HD-Produktion zum Preis einer SD-Produktion bekommen können. Grundsätzlich wäre das auch möglich. Allerdings wurden die SD-Preise in den letzten Jahren auf VHS-Niveau gedrückt. Und diese Preisvorstellungen dann mit HD-Produktionen zu verbinden, ist nicht machbar. Wir müssen in einem vernünftigen Rahmen bezahlt werden, um auch wieder neu investieren und den Kunden state-of-the-art bedienen zu können. Das wird leider oft vergessen…

Hat nobeo neue Produktionen in der Pipeline?

Das darf ich heute noch nicht verraten. Es stehen aber dieses Jahr noch zwei oder drei Themen an, die durchaus für Furore sorgen könnten.

Gibt es Pläne in Richtung 3D-Produktion?

nobeo hat aktuell keine 3D-Kunden. Wir partizipieren aber von Projekten unserer Holding. Dazu gehörten echte Highlights wie Isle of MTV:Malta 2011, eine der abgefahrendsten Outdoor Musikevents weltweit. Größen wie Lady Gaga, David Guetta, The Black Eyed Peas und die Scissor Sisters geben sich Ende Juni die Ehre. Bei den internationalen Produktionen sammeln unsere Mitarbeiter dann wichtige Workflow-Erfahren – aber die Nachfrage nach 3D ist in Deutschland noch gering. Im täglichen Geschäft wird sich das so schnell nicht durchsetzen. Trotzdem suchen die potenziellen Kunden aus oben genannten Gründen einen engen Kontakt zu nobeo. Innovationen = nobeo: Das ist am Markt bekannt.
Eckhard Eckstein
(MB 07/08_11)