Sehr verheißungsvoll

Nach drei Jahren Abstinenz engagiert sich die Telekom-Tochter T-Systems wieder als Dienstleister im Rundfunkbereich. Derzeit ist man intensiv mit Planung und Bereitstellung eines Rundfunknetzes (BS-Net) für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk befasst. Auch Für Audio over IP soll ein neuer Service an den Start gehen.

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Sehr verheißungsvoll

Das Thema Audio over IP (AoIP) ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Es geht um die Ablösung der bislang im Rundfunkbereich eingesetzten ISDN- durch IP-Technik bei der Übertragung von Audiosignalen ins Funkhaus. Mit Aufkommen der IP-basierten Next Generation Networks (NGN) sollen ISDN-Dienste abgeschafft werden. Wann genau ist nicht klar. Die öffentlich-rechtlichen Sender bereiten sich jedenfalls schon einmal darauf vor. So hat die ARD schon im Dezember 2011 den AoIP-Regelbetrieb eingeführt. Dazu wurde am ARD-Sternpunkt in Frankfurt eine zentrale Infrastruktur eingerichtet über die man gesichert Beiträge innerhalb und außerhalb der ARD-Netze via Internet verschicken beziehungsweise empfangen kann.

Die Vorteile der IP-Technik für Broadcast-Anwendungen sind vielfältig. Netzbetreiber und Rundfunksender können damit flexibler und kostengünstiger operieren. Allerdings gibt es auch einige Fallstricke zu beachten. Im Gegensatz zu ISDN gibt es bei AoIP oft keinen definierten Quality of Service (QoS). Auch das Zusammenspiel unterschiedlicher Codecs wirft noch Fragen auf. Wie man damit umzugehen hat wurde bereits 2007 bei der ARD.ZDF-Medienakademie in Heimbuchenthal auf einem dreitägigen Seminar diskutiert. Auch in den Jahren darauf gab es dort entsprechende Foren, zuletzt wieder vom 25. bis 27. Februar 2013 mit „IP auf allen Wegen – Audiocontribution heute und morgen“. Gefragt wurde hier: Wie finde ich aus der Fläche den besten Übertragungsweg ins Funkhaus?

Antworten darauf gaben unter anderem T-Systems International, die IT-Tochter der Deutschen Telekom, und die Arbeitsgemeinschaft Rundfunkbetriebstechnik der ARD (ARGE RBT). Gemeinsam hatte man zuvor eine AoIP-Lösung zwischen dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und dem ARD-Sternpunkt in Frankfurt aufgesetzt und getestet.

Jochen Geiß, Technical Sales Manager im Bereich Public Sector, ARD und ZDF, berichtete bei der Gelegenheit auch über das neu entfachte Engagement von T-Systems als Rundfunk-Dienstleister. Vor gut drei Jahren hatte sich das Unternehmen mit dem Verkauf der Broadcast-Sparte an die französische TDF-Gruppe ja erst aus dem Rundfunk-Geschäft verabschiedet. Jetzt steigt man wieder ein und ist dabei eigene Netzinfrastrukturen aufzubauen – zunächst einmal für die öffentlich-rechtlichen Sender. Künftig sind laut Geiß aber auch Privatsender als Kunden willkommen.

Man hat vor, den Sendern für alle Anwendungsbereiche ein „Rundum-Sorglos-Paket“ zu bieten. Dazu soll zukünftig nur für die Rundfunksender ein eigenes Broadcast-Service-Netz (BS Net) aufgebaut werden, auf dem von klein- bis hochbitratigen Schaltverbindungen alle möglichen Services bereitgestellt werden können – im ersten Step national, später – bei Bedarf – auch in ganz Europa. T-Systems plant den Bau eines Backbones zwischen den elf größten Telekom NGN Pops, dort wo die Telekom Deutschland maximale Bandbreiten zur Verfügung stellen kann. „Wir gehen davon aus, dass wir mittelfristig 100 Gbit/s als Backbonestrecken brauchen werden. Das kann man explizit nur an diesen großen Standorten sicherstellen. Von dort aus wollen wir das Ganze mit bis zu 10 Gbit/s Richtung Kunden verbreiten. Damit sind wir dann flächendeckend gut aufgestellt“, erklärt Geiß.

Wie dieses Netz funktionieren wird, konnten Rundfunk-Kunden von Januar bis März 2013 an Hand eines Showcases erleben, den die T-Systems gemeinsam mit Ihren strategischen Partnern und Suppliern in ihrem Rechenzentrum in Frankfurt-Niederrad aufgebaut hatte. „Die T-Systems hat den Showcase gestartet, weil wir neu in den Markt eingestiegen sind und beweisen wollen, dass wir in der Lage sind, mit unterschiedlichen Partnern oder Herstellern gut funktionierende Systeme zu errichten“, erklärt Martina Domeyer, Account Director Public Services ARD und ZDF, von T-Systems. Der Frankfurter Showcase zeigte die typischen medienspezifischen Anwendungen für Schalten mit unterschiedlichen Formaten im Audio- und im Video-Bereich. Jochen Geiß, der mit Domeyer von Vodafone zu T-Systems gewechselt war, um dort das Broadcast-Geschäft wieder neu zu beleben, trug die technische Verantwortung des Showcases vom Konzept über den Aufbau bis hin zur anschließenden Beratung. „Die Resonanz der Rundfunksender auf unsere Frankfurter Präsentation war sehr gut“, berichtet er.

Mit dem neuen BS-Net tritt T-Systems insbesondere in Konkurrenz zu MEDIA BROADCAST und deren Rundfunknetz BNS (Broadcast Network Services).

Das BS-Net von T-Systems soll auf Basis der MPLS-Technologie (Multi Protocol Label Switching) aufgebaut werden. Mit der gewählten Lösung habe man „mehr Intelligenz im Netz“. Wenn es mal zu Leitungsfehlern, Netzknotenausfall oder Kapazitätsengpässen kommen sollte, könne man damit trotzdem einen reibungslosen Signaltransport durch schnelles Umrouten sicherstellen. Bei MPLS kann zudem die Übertragungsbandbreiten im Netz optimal ausnutzt werden, was Kosten verringert. Mit BS-Net lassen sich neue Standorte schnell anbinden, was besonders für kurzfristig zu realisierende Event-Lösungen interessant ist. Ein weiteres Plus bietet die hohe Sicherheit der Netzverbindungen. Die Knotenpunkte eines MPLS-Netzes sind für die Außenwelt unsichtbar und abgeschlossen, Daten werden in einem virtuellen Tunnel übertragen.

Für die Übertragung von AoIP, wie es in Zusammenarbeit mit der ARGE RBT getestestet wurde, wird hier das Virtual Privat Network (VPN) des verfügbaren Telekom-Standardprodukts IntraSelect genutzt.

„Bei dieser Lösung geht der Weg nicht über das öffentliche Internet. Stattdessen wird über eine am DSL-Standort eingetragene Kennung auf dem Router ein Tunnel direkt in das MPLS-Netzwerk der T-Systems aufgebaut und damit am öffentlichen Internet vorbei. Auch wenn die „kleinen Anschlüsse“ keine QoS bieten würden, könne man so trotzdem gewährleisten, dass Bandbreite ausreichend zur Verfügung stehe, um sicher in die Rundfunkanstalten hinein arbeiten zu können – zum einen entweder direkt auf der vorhandenen MPLS-Netzinfrastruktur und später dann auch in Kombination mit dem geplanten T-Systems BS-Net. Somit sei der Start der AoIP-Services via MPLS IntraSelect deshalb schon heute möglich. Die ARD prüfe derzeit noch mit dem Testaufbau MDR/ARD-Stern die damit verbundenen Möglichkeiten. Besonders interessant dabei ist die Zuführung der Audio-Signale über Standard-ADSL oder -SDSL-Anschlüsse. „Die Test haben gezeigt, dass man selbst mit einem ganz normalen Privatkunden-T-DSL-Anschluss mit 16 Mbit/s Download und 1 Mbit/s Upload eine Audioübertragung in hoher Qualität in die Rundfunkanstalten hinein realisieren kann“, erklärt Geiß. Auch via UMTS und LTE sei man in der Lage, den Zugang zum MPLS-Netz zu gewährleisten.

Das findet man dann auch bei der ARD interessant. „Die bislang vorliegenden ersten Testergebnisse sind sehr vielversprechend“, berichtet Christian Scholz-Graber, Systemadministrator ARD-Hörfunksternpunkt. Auftrag des ARD-Sternpunkts war und ist es, eine zentrale Lösung für die gesamte ARD zu schaffen, mit der es möglich ist, Live-Beiträge aus dem Internet, Mobilfunknetzen und Next Generation Networks in die Infrastrukturen der Landesrundfunkanstalten übertragen zu können – das Ganze gesichert und den besonderen rundfunkspezifischen Begebenheiten der ARD-Anstalten mit ihren speziellen Codier Algorithmen wie zum Beispiel AAC (Advanced Audio Coding) angepasst. Eine weitere Anforderung sei eine mandantenfähige Anbindung an den SIP-Server (SIP = Session Initiation Protocol; Netzprotokoll zum Aufbau, Steuerung und Abbau einer Kommunikationssitzung), der im ARD-Sternpunkt in Verbindung mit einem Session-Border-Controller Verwendung findet. „Dies ermöglicht unter anderem, dass die Landesrundfunkanstalten ihre User-Anschlüsse selbst administrieren können, weil wir beim ARD-Sternpunkt das nicht leisten können“, berichtet er. Interesse an AoIP-Services von Netzbetreibern habe die ARD weil sie ständig bemüht sei, die dort eingesetzten Workflows zu verfeinern. Insbesondere die SIP-Implementierungen seien noch verbesserungswürdig.

Scholz-Graber betont aber auch: „Im Internet hat man keine garantierte Übertragungskapazität, sprich QoS, anhand dessen man die benötigten Einstellungen, wie zum Beispiel zu verwendender Algorithmus, Buffer etcetera tätigten könnte. Für den Rundfunk ist das essentiell. Da wir gewährleisten müssen, dass das Live-Audio in bester Qualität in ein Funkhaus übertragen werden kann, brauchen wir natürlich vorzugsweise gesicherte Übertragungskapazitäten und die Möglichkeit, den Audiocodec vernünftig einzustellen.“ Das Telekom MPLS-Netz sei in dieser Hinsicht „sehr verheißungsvoll“. Die Funktionalität und Zuverlässigkeit müsse aber erst noch in der Fläche getestet werden. Bis Anfang des vierten Quartals will man beim ARD-Sternpunkt die entsprechenden Netz-Tests abgeschlossen haben. „Danach wird entschieden, ob das was für uns ist und inwieweit wir die damit verbundene Technologie hier aufsetzen können“, erklärt der ARD-Sternpunkt-Experte. Grundsätzlich seien MPLS basierte Next Generation Networks von Netzbetreibern für die ARD sowohl für planbare Ereignisse als auch für kurzfristige Event-Einsätze interessant.

Eckhard Eckstein
(MB 04/13)

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