Am 1.460 Meter hohen Erzberg in der Steiermark wird bereits seit dem 11. Jahrhundert Eisenerz gefördert. Heute prägt ein gigantischer, terrassenförmiger Tagebau ein riesiges Areal rund um den Berg. Für Motocross-Fahrer ein ideales Gelände. Kein Wunder, dass dort bereits seit 20 Jahren mit dem Erzbergrennen, das wohl berühmteste Off-Road-Motorradrennen der Welt stattfindet. Dazu gibt es an dem viertägigen Event viele Einzelwettbewerbe. Absoluter Höhepunkt ist aber das Red Bull Hare Scramble am letzten Tag (Sonntag), bei dem 500 Starter vier Stunden Zeit haben, ins Ziel zu kommen. Unterwegs warten an der rund 35 Kilometer langen Strecke 23 Checkpoints, die passiert werden müssen. Alle Red Bull Hare Scramble Starter müssen sich im Prolog zuvor erst noch qualifizieren. 1.800 Fahrer waren hier dieses Jahr dabei. Fast doppelt so viele bewerben sich. Dabei sind nur die Besten der Besten überhaupt in der Lage, den extrem anspruchsvollen Parcour am Erzberg auch bis zum Schluß zu bewältigen. In diesem Jahr waren es neun Fahrer, im letzten Jahr nur fünf.
Initiator des international renommierten Events ist Karl Katoch, Veranstalter die Erzbergrodeo GmbH. Als wichtige Partner dabei sind unter anderem RedBull TV, Servus TV, GoPro, Kärcher, KTM und Generali.
Obwohl das Erzbergrodeo aus sportlicher Sicht sehr attraktiv ist und über hohen Unterhaltungswert verfügt, – allein 45.000 Besucher pilgern jedes Rennwochenende dort hin, – galt es lange Zeit als unmöglich, das Event live im Fernsehen zu übertragen. Das große, extrem schwierige Gelände schreckte die TV-Produktionen ab. Vor vier Jahren kam dann jedoch Günter Polders Euro TV Production ins Spiel. Das im österreichischen St. Veith an der Gölsen beheimatete Unternehmen hat sich schon lange einen guten Namen bei der Produktion von Sportevents in den Bergen und bei schwierigsten Outdoor-Bedingungen gemacht. Auch bei vielen Wintersport-Veranstaltungen ist Euro TV am Start.
2012 produzierte das Unternehmen zunächst nur die Zielankunft beim Erzbergrodeo live für das Fernsehen. Danach begann Euro TV als Hostbroadcaster das komplette Rennen live zu produzieren. Eine ganz besondere Herausforderung.
Maßgeblich für deren Bewältigung war laut Euro TV-Chef Polder vor allem sein eingespieltes Team. „Es gibt sonst keine Mannschaft, die eine solche Produktion in diesem Gelände bei dem hohen Schwierigkeitsgrad umsetzen kann“, meint er. Auch habe das von Euro TV selbst entwickelte Cyber-Backbone-System, welches den schnellen Aufbau von Glasfaserinfrastrukturen zur Signalübertragung ermöglicht, wesentlich zur erfolgreichen Umsetzung der Erzbergrodeo-Produktion beigetragen. Am Erzberg, so Polder, hatte man für den Aufbau der nötigen aufwändigen Infrastruktur gerade einmal drei Tage zur Verfügung. Der Euro TV-Chef wies auch auf „jede Menge Spezialequipment“ und „starke Partner“ hin, die bei solchen „Adventure-Produktionen“ wie beim Erzbergrodeo unabdingbar seien.
Hier verlegte sein Team insgesamt 28 Kilometer Kabel. Die Trasssenführung durch die zerklüftete Geländestruktur und äußere Einflüsse wie die sehr schnell wechselnden Wetterbedingungen am Erzberg, loses Geröll sowie die große Menge an Motorradfahrern und Zuschauern machen die Verlegung und Absischerung der Kabelstrecken nicht gerade einfach. Viel Improvisation und harte körperliche Arbeit sind gefragt. So wurde von der Schlüsselstelle „Gerichtsgraben“ zur Schlüsselstelle „Carl´s Dinner“ ein 1,2 Kilometer langes Stahlseil von Berg zur Berg gespannt an dem dann der Glasfaser-Backbone aufgehängt wurde. Eingesetzt wurde hier eine 8,5 Tonnen schwere Kabeltrommel der Firma Prommegger. „Carl´s Dinner“ zählt zu den extremsten Stellen des Parcours, an der es gilt, ein Feld mit riesigen Granitfelsbrocken zu queren.
Insgesamt waren 22 feste Kamerastationen an der Motocross-Strecke aufgebaut und über zwei Backbone-Hauptadern mit dem Ü-Wagen auf dem Technik-Compound beim Verwaltungsgebäude des Erzberg-Tagebaus verbunden, eine sieben Kilometer lange Leitung reichte bis zur Schlüsselstelle „Gerichtsgraben“ und eine sechs Kilometer lange zur Schlüsselstelle „Badewanne“. Mit den gewählten Kamerapositionen war man oft in der Lage zwei Schlüsselstellen des Parcours zu covern. Wo es schwierig war, Bilder mit stationären Kameras einzufangen, gab es Unterstützung durch die Helikopter-Kamera.
Auch in diesem Jahr zeichnete Euro TV beim Erzbergrodeo nicht nur für die Bereitstellung der Infrastruktur zur Signalübertragung verantwortlich, sondern im Auftrag von Red Bull Media House auch als Hostbroadcaster für die Produktion der unilateralen und multilateralen Signale.
Zur Unterstützung hatte man sich dafür wieder den Hannoveraner Ü-Wagen-Dienstleister TVN mit seinem Ü2 Ü-Wagen ins Boot geholt sowie tpc aus der Schweiz für die Drahtlosübertragungen. Insgesamt gab es zwölf Drahtlosstrecken beim Rennen. Gegenüber dem Erzberg war auf einem benachbarten Berg eine Gegenhang-Kamera mit 100-fach Optik positioniert. Deren Signale wurden per Funk über eine Strecke von rund 3,5 Kilometern Luftlinie direkt zum Ü-Wagen gesendet.
Für die acht Kilometer lange Anfahrt durch unwegsames Gelände zu dieser Position benötigte man laut Polder vom Technik-Compound aus eine ganze Stunde.
Reichlich Luftunterstützung im „Live-Verbund“ bekamen die Kameras am Boden durch den neuen Helikopter von Red Bull Media House mit seinem SHOTOVER-System. Auch diese Kamerasignale wurden per Funk von tpc in den Ü-Wagen geschickt. Mit Funkkameras unterwegs waren zudem einige ENG-Teams, die für Red Bull TV und ServusTV arbeiteten. Beide Sender verfügten in dem mit drei Regien ausgestatteten Ü2 über eine eigene unilaterale Regie. Die dritte diente der Produktion des internationalen Signals. Für den Startbereich war die Aufnahmetechnik für vier Drahtlos-Kameras in einem Anhänger untergebracht, der anschließend in den Zielbereich verlegt wurde. Auch den Aufbau der Kamerapositionen und der Einsatz der Kameramänner verantwortete Euro TV. Dabei half laut Polder der eigene Fuhrpark mit zwei österreichischen Militärfahrzeugen vom Typ Steyr-Puch Pinzgauer, vier Quads und drei Motocross-Maschinen. Ohne Kameraleute zählte das Team von Euro TV und Partner TVN 64 Mitarbeiter.
Beim Erzbergrodeo kamen in diesem Jahr neben 22 Standard-Kameras auch zwei Superzeitlupen-Kameras zum Einsatz, eine Ikegami NAC Hi-Motion II, die bis zu 1.000 Bilder pro Sekunde schafft, und eine Sony HDC-4300 Achtfach-Superzeitlupen-Kamera. Diese Kameras wurden an einigen Schlüsselstellen wie zum Beispiel am „Dynamite“-Steilhang genutzt. Auf dem Technik-Compound des Erzbergrodeos befand sich neben einem großen mobilen Red Bull Media House Office für Redaktion und Produktion, ein SNG-Wagen zum Transport der Sendesignale via Satellit, der Ü-Wagen Ü2 von TVN, ein SRG/SRF-Ü-Wagen und tpc-Supportwagen für die Drahtlostechnik und ein Schnittmobil. Bei der Live-Übertragung eingesetzt wurden auch Kräne und Steiger im Start- und Ziel-Bereich sowie eine Seilkamera an der Schlüsselstelle „Carl´s Dinner“. Sie war über eine 700 Meter lange WLAN basierte HD-Funkstrecke mit dem Ü-Wagen verbunden. Nach dem Rennen zeigte sich Polder sehr zufrieden. „Von der technischen Seite ist hier alles hervorragend abgelaufen“, erklärt er.
Das bestätigten auch Vertreter vom Red Bull Media House. Beim diesjährigen Erzbergrodeo war das Red Bull Media House mit seiner Spezialkamera-Abteilung vor Ort und nutzte das Event, um neue innovative Aufnahmetechnologien auszuprobieren und weiter zu entwickeln. So wurden zehn 360 Grad-Kameras beziehungsweise sogenannte Spherical-Systeme (kugelförmige Rigs für 360-Grad-Aufnahmen) eingesetzt. Damit wurde unter anderem ein acht Minuten langer 360 Grad-Videoclip mit den Highlights des Red Bull Hare Scramble produziert. Schon 2013 hatte das Red Bull Media House übrigens schon ein erstes 360 Grad-Video von dem Rennen produziert. Die Sphericals bestanden aus integrierten GoPro-Kameras. Eines der Systeme wurde beispielweise als Helmkamera von einem der Fallschirmspringer genutzt, die vor dem Start des Red Bull Hare Scramble von einem Helikopter aus in den Startbereich hinein schwebten. Zwei weitere Sphericals waren im Wettbewerb als Helmkameras bei zwei Motocross-Fahrern im Einsatz. Der größere Aufwand bei der 360-Grad-Produktion ergab sich laut Red Bull Media House beim Stich der Spherical-Kamera-Signale. Allerdings habe GoPro hierfür durch die Übernahme von Autopano und Kolor „einen recht smarten Verbund“ aufgebaut, hieß es.
Insgesamt hatte das Red Bull Media House über 50 GoPros im Einsatz. Deren Bilder waren nicht im Live-Verbund sondern wurden auf SD-Karten zur späteren Verwendung aufgezeichnet. Onboard-Funkkameras gab es an den Motorrädern nicht, denn das Erzberggelände erschwert auf Grund des Eisenerzes den Aufbau von Funkverbindungen und damit auch die Realisierung der Live-Funk-Einbindung von Onboard-GoPros erheblich. Außerdem ist jeder Fahrer bei diesem harten Rennen darauf bedacht, kein unnötiges Gepäck dabei zu haben. GoPro-Kameras machen ihnen nichts aus, Sender für die Funkübertragung aber schon, war zu hören. Gemeinsam mit GroPro ist das Red Bull Media House deshalb dabei, eine Lösung zu entwickeln, um das Sender-Gewicht auf ein Minimum zu reduzieren. Ziel ist es, nach eigenen Angaben, Point-of-View-Shot-Kameras (POV-Kameras) bei Live-Übertragungen stärker einzubinden.
Red Bull und GoPro haben im Mai 2016 eine mehrjährige Partnerschaft geschlossen, die sowohl Content-Produktion und -Distribution, Cross Promotion und Produktentwicklung beinhaltet. Die beiden Firmen teilen sich auch Content-Rechte bei Koproduktionen. Damit verbundene Inhalte sollen sowohl über die digitalen Distributionsnetzwerke von Red Bull als auch von GoPro Verbreitung finden. GoPro selbst war mit einem Präsentationstruck vor Ort beim Erzbergrodeo und zeigte hier auch seine Virtual Reality- und 360-Grad-Video-Technologie.
Das Red Bull Media House plant nun, beim Erzbergrodeo im nächsten Jahr den Spherical-Bereich mit in die Live-Produktion für seine digitalen Kanäle aufzunehmen. Für Spherical Live sieht man noch viele Einsatzmöglichkeiten. Um das Thema 360-Grad-Video noch attraktiver zu machen ist das Unternehmen auch dabei, den Audioteil in den 360-Grad-Clips zu verbessern. Der Nutzer soll den Ton auch von dort hören, wo er gerade hin schaut. Bislang ist das noch nicht optimal gelöst. Um Bild und Ton besser zu verbinden, hat die eigene Audioabteilung von Red Bull Media House ein spezielles Mikrofon mitentwickelt und sucht noch einen Partner, der es produzieren kann.
Zudem ist man bemüht, möglichst viel neuen 360-Grad-Content zu produzieren. Dabei arbeitet man nicht nur mit einer Kamera für ein paar einzelne actionreiche Sekundenclips, sondern versucht, aktiv Geschichten zu erzählen. Man ist sich bewusst, dass dies auch auf der redaktionellen Seite einen gewissen Lernprozess voraussetzt, um die Zuschauer mit der richtigen Bildersprache durch ein Ereignis hindurch führen zu können.
Zum Erzbergrodeo produzierte das Red Bull Media House neben Highlight-Clips auch Vorberichte einschließlich Best-Ofs oder Athleten-Porträts. Dazu kam noch ein Teaser für das Event-Wochenende. Jonny Walker, Gewinner vom letzten Jahr, fuhr dazu die Donnerstags-Passage sechsmal mit Helmkamera. Aus dem dabei produzierten Material wurden dann die schönsten Bilder für den Teaser ausgewählt. Am Samstag, beim Event „Sturm auf Eisenerz“ wurden weitere Spherical-Clips produziert. Und am Freitag beim Prolog sowie am Sonntag beim Red Bull Hare Scramble an „Carl´s Dinner“-Passage nutzte man auch ein Bullet Time-Rig mit 15 GoPro Hero4 Sessions zur Erzeugung von Matrix-Effekten für die Highlight-Produktion. Dabei wurde erstmals ein vom Red Bull Media House selbst gebauter Prototyp getestet. Zu den weiteren Special Cams vom Red Bull Media House beim Erzbergrodeo zählten drei Sony FS7 Slowmotion-Kameras (150 Bilder pro Sekunde) und zwei Sony Alpha 7s-Kameras mit dreiachsenstabilisierten Handheld-Gimbals Ronin-M von DJI. Die Systeme wurden beim Prolog von rückwärtig auf einer Motocross-Maschine und auf einem Buggy sitzenden Kameraleuten bedient.
Den Live-Verbund unterstützte die Red Bull Media House Spezialkamera-Abteilung mit einer ARRI Mini-Kamera im SHOTOVER-System am Helikopter und einer 4k-Highspeed-Kamera Phantom Flex, die 1.000 Bilder pro Sekunde lieferte. Letztere wurde sowohl für Live- als auch für Highlight-Aufnahmen genutzt.
Die Spezialkamera-Produktion beim Erzbergrodeo betrachtet man im Unternehmen in erster Linie noch als ein Lernprozess. Neben der Produktion einiger gelungener Clips, die man sehr gut verwenden konnte, sei es viel wichtiger gewesen, neue Ideen zu sammeln, um künftig noch bessere Bilder zu generieren, hieß es. Die 360-Grad-Video-Produktion sei jedenfalls sehr ausbaufähig. Erste 360-Grad-Bilder vom Red Bull Hare Scramble waren übrigens schon online bevor noch der Sieger fest stand.
Das Red Bull Media sorgte beim Erzbergrodeo auch für die Bespielung der Großleinwände auf dem Gelände. Der Digitalkanal Red Bull TV nutzte das multilaterale Signal, ServusTV das unilaterale. Weitere internationale Taker konnten das Signal beim Red Bull Media House in Wals bei Salzburg abgreifen.
Die Distribution der spektakulären Erzbergrodeo-Bilder konnte laut Veranstalter durch die enge Zusammenarbeit mit dem Red Bull Media House und dem Red Bull Content Pool in völlig neue Dimensionen gehoben werden. Seit 2012 hat beispielsweise das US-TV-Network NBC das Erzbergrodeo in sein Actionsportprogramm aufgenommen und erreicht damit über 110 Millionen Haushalte. Im deutschsprachigen Bereich war neben ServusTV und Red Bull TV in Eisenerz auch der ORF und SRG/SRF am Start. Live verbreitet wurden die Bilder vom Erzbergrodeo ferner im im Red Bull Motorsport Channel auf redbull.com. Auch weitere Webseiten wie MotorradReporter.com, erzbergrodeo.at und erzberg.com berichteten ausführlich über das Event. Und natürlich ist das Erzbergrodeo auch ein Riesenthema auf den Social Media Plattformen wie YouTube, Twitter und Facebook. Gibt man auf YouTube den Suchbegriff „Erzberg“ ein, erhält man ein beeindruckendes Ergebnis – hunderte Videos zeigen die beinharte Schinderei und tragen den „Mythos Erzbergrodeo“ in die ganze Welt.
Eckhard Eckstein
© Red Bull
MB 3/2016