Mitten im Ruhrgebiet laufen mehr als 20 Sportproduktionen gleichzeitig. 13 Ü-Wagen, über 100 Kameras, 470 Menschen im Einsatz – und ein temporäres Broadcast-Zentrum als Herzstück: Für die FISU World University Games hat NEP ein dezentrales Produktionsnetzwerk aufgebaut, das Live-Signale aus ganz Nordrhein-Westfalen bündelt. Ein Blick hinter die Kulissen.
Ein temporäres Büro, eine Stunde Zeit, ein technisches Großprojekt
Es ist ein heißer Tag im Juli, als Holger Reichert im temporären IBC-Büro in Essen Platz nimmt. Zwischen Routingplänen und seinem Arbeitslaptop hat sich der technische Gesamtleiter der Produktion eine Stunde freigeschaufelt, um mit mebucom über die Abläufe hinter den FISU World University Games 2025 zu sprechen.
Die FISU Games gelten als größte internationale Multisportveranstaltung für Studierende. Tausende Athletinnen und Athleten aus über 150 Ländern treten in 18 Disziplinen gegeneinander an – das sportliche Spektrum reicht von Leichtathletik über Schwimmen bis Fechten, Judo oder Tennis. Was auf den Fernsehbildschirmen wie ein eingespieltes Event aussieht, ist in Wahrheit ein hochkomplexes Produktionssystem – geplant, gebaut und betrieben von NEP.
22 Produktionen, 16 Ü-Wagen, verteilte Verantwortung
„Wir betreuen insgesamt 22 parallele Produktionen“, sagt Reichert. Dafür sind 13 Ü-Wagen im Einsatz – 11 aus dem deutschen NEP-Bestand, zwei weitere wurden aus Belgien hinzugezogen. „Allein das bedeutet schon enorme Logistik. Wir arbeiten hier mit knapp 470 akkreditierten Personen, vom Technikpersonal bis zu den Kamerateams.“
Eine Grass Valley LDX 86N während des Aufbaus ©NEP
Die Sportarten verteilen sich über das gesamte Ruhrgebiet. In Essen etwa werden gleich mehrere Disziplinen in den Hallen der Messe produziert – darunter rhythmische Sportgymnastik, Tischtennis, Fechten und Judo. Tennis und Bogenschießen finden an externen Spielstätten statt. Die größte Produktion jedoch ist die Leichtathletik, die im Lohrheidestadion in Bochum-Wattenscheid über die Bühne geht.
Jede dieser Produktionen wird von einem eigenen Ü-Wagen gesteuert. Die Signale fließen in ein zentrales Broadcast-Setup, mit dem International Broadcast Center (IBC) in Essen als Schaltzentrale.
Die Kontribution: Glasfaser von MTI
„Alle Signale von den Venues laufen ins IBC“, erklärt Reichert. Für die Anbindung ist der Dienstleister MTI verantwortlich. Er stellt an allen Außenstandorten Technikcontainer (TOC) bereit, in denen Nimbra-Systeme für die Kontribution verbaut sind. Die Verbindung erfolgt über Glasfaser – jeweils mit drei ausgehenden Leitungen (Main-Feed, Clean-Feed, Backup) und einem Rückkanal.
Auf dem Messegelände in Essen hat NEP die Signalinfrastruktur auf Basis von Riedel MediorNet selbst aufgebaut. Die Feeds aller Produktionen landen schließlich in der Master Control Area im IBC. Von hier aus wird überprüft, geschaltet und weitergeleitet.
Die IT-Infrastruktur – sowohl im IBC als auch in den Venues – wurde separat ausgeschrieben und von Riedel Communications realisiert.
Produktion mit Struktur: VSM, EVS und viel Handarbeit
Gesteuert wird zentral via Lawo VSM, das in allen NEP-Ü-Wagen zur Anwendung kommt. Darüber werden Kreuzschienen, Signale, Zeitcode und weitere Systeme verwaltet. Für die interne Kommunikation nutzt NEP ein hybrides Setup, das neben klassischer Intercom auch Unity Connect für Remote-Verbindungen zwischen IBC und Venue einschließt.
Die Feeds der einzelnen Sportarten laufen derweil in ein zentrales EVS-Ingest-System. Dieses wird von Partner BSC betreut und dient als Knotenpunkt für Aufzeichnung, Archivierung und Postproduktion. Im IBC stehen dafür sechs Schnittplätze bereit, über die sowohl der Host Broadcaster FISU als auch NEP selbst Inhalte aufbereitet – darunter Highlight-Clips, Social-Media-Material und Archivcontent.
Leichtathletik als Königsdisziplin
Die technisch aufwendigste Disziplin ist die Leichtathletik. Produziert wird dort mit dem UHD 24, einem Groß-Ü-Wagen aus dem NEP-Fuhrpark. Zusätzlich stehen drei Container mit Regien für die einzelnen Disziplinen zur Verfügung – z. B. Weitsprung oder Kugelstoßen. Insgesamt rund 30 Kameras erfassen das Geschehen, inklusive mehreren Super-Slow-Motion-Systemen von Grass Valley sowie einem EVS extraMotion-Server zur nachträglichen Erstellung hochwertiger KI-Zeitlupen.
Besonders dynamische Bilder liefert die Leichtathletik dank fünf mobiler Gimbal-Operatoren, die sich frei im Stadion bewegen. Zum Einsatz kommen dabei Sony FX3-, FX6- und Alpha-Modelle – je nach Einsatzgebiet. Das Videosignal wird direkt per HDMI aus der Kamera abgegriffen, in SDI gewandelt und über eine professionelle Drahtlosstrecke live übertragen. Jeder Operator trägt dafür einen kompakten Rucksack, in dem der Transmitter verbaut ist. „Wir arbeiten hier mit einer klassischen Broadcast-Funkstrecke, entwickelt von unserem Schwesterunternehmen BSI in den USA“, erklärt Reichert.
Sony, Grass Valley, Panasonic, ATOM one
Technisch setzt NEP auf einen Mix bewährter Systeme: Die Kamera-Backbones bestehen größtenteils aus Grass Valley LDX 86N, ergänzt durch Sony HDC-3500, die aus den belgischen Ü-Wagen stammen. Ergänzend kommen rund 30 kleine Kamerasysteme zum Einsatz – darunter PTZ-Kameras von Panasonic sowie ATOMone Minicams von Dream Chip, die etwa bei Turnen oder Fechten genutzt werden.
Jede Sportart wird standardisiert produziert – mit sechs bis sieben Broadcast-Kameras, einer Super-Slow und zusätzlichen Spezialoptiken. „Das ist deutlich mehr als das, was man von Basketball- oder Handballübertragungen in Deutschland kennt“, so Reichert. „Auch wenn es nicht olympisches Niveau ist – wir produzieren hier sehr hochwertig.“
Vom IBC in die Welt – via Mailand
Die fertigen Feeds gehen nicht direkt an die internationalen Rechtehalter, sondern werden gesammelt an einen zentralen FISU-Schaltraum in Mailand übergeben – via SRT. Von dort erfolgt die weltweite Distribution an über 60 Rechteinhaber. Der WDR ist der einzige Broadcaster, der seine Signale direkt aus dem IBC erhält. Er betreibt außerdem das Hauptstudio in Köln-Bocklemünd und ein Außenstudio für die Leichtathletik.
Sicherheit im Hintergrund
Wie bei allen Großproduktionen ist Redundanz essenziell. „Alle Venues sind mit einer USV und zusätzlich einem Generator abgesichert“, sagt Reichert. Je nach Standort liegt die Überbrückungszeit bei etwa 60 bis 70 Minuten – genug, um Ausfälle aufzufangen, ohne die Übertragung zu gefährden. Das IBC selbst ist dabei mit der größten Anlage ausgestattet, die sowohl die technische Infrastruktur als auch zentrale Einspielstationen puffert.
Eine Erfahrung, die bleibt
Für Holger Reichert ist das Projekt ein persönlicher Meilenstein: „Das ist meine erste technische Gesamtleitung für ein Event dieser Größenordnung. Die Planungsintensität war enorm, aber genau das macht es so spannend. Wir haben hier ein Setup realisiert, das in seiner Tiefe und Struktur auch bei künftigen Projekten eine echte Blaupause sein kann.“
Was bleibt, ist nicht nur ein sportlicher Wettkampf auf internationalem Niveau, sondern eine TV-Produktion, die zeigt, wie dezentral vernetzte Systeme heute Live-Inhalte orchestrieren – verlässlich, flexibel und technisch auf höchstem Niveau.