Rekordverdächtiger Quotenerfolg für „Bauer sucht Frau“ bei RTL in der Prime-Time: Haben Sie etwas am Konzept geändert, seitdem die Doku-Soap in dritter Staffel von der Day-Time in die Prime-Time gewechselt ist?
Nein. Wir haben 2005 mit der ersten Staffel und den ersten Schritten angefangen, um das Format auszuprobieren. Die Doku-Soap erlebt ja zurzeit einen enormen Boom, wir aber haben von Anfang an versucht, das Format auch sehr ernst zu nehmen. Das heißt: Unsere Doku-Soap verfolgt nicht einfach nur reportagemäßig eine Geschichte, sondern wir achten darauf, dass das Format in jeder einzelnen Folge einen echten Soap-Anteil hat.
Was heißt „echter Soap-Anteil“?
Wenn man die vielen Doku-Soaps, die auf dem Markt sind, vergleicht und analysiert, stellt man fest, dass „Bauer sucht Frau“ schon im Auftritt – im Opener – ähnlich wie eine Telenovela oder Fiction-Soap aufgemacht ist. Wie beispielsweise bei GZSZ erkennt der Zuschauer auf den ersten Blick den Cast – unsere Bauern. Pro Bauer entwickeln wir mit Storylines einen großen Handlungsstrang, der seine Geschichte über mehrere Folgen erzählt und die wir mit den Geschichten der anderen Bauern verflechten.
Doch „Bauer sucht Frau“ ist ja im Gegensatz zu einer Fiction-Soap nicht gescripted. Wann und wie kommen die für eine Soap typischen Storylines da hinein?
Erst einmal haben wir eine Drehregel, eine verabredete Aufgabe für das Format: Einfacher Bauer, der eine Frau sucht. Da gibt es eine Portraitsendung, in der die Bauern sich vorstellen. Dann melden sich die Frauen mit einem Brief, und dann können sich die Bauern aus der Post zwei Frauen aussuchen, die sie zum Auftakt der Serie auf dem Scheunenfest treffen werden. Wir drehen ab dem Moment, wenn sich der Bauer für eine oder zwei Frauen entschieden hat, die er gerne näher kennen lernen möchte. Die Frauen kommen dann als Gast auf den Hof, und es beginnt ein Miteinanderleben auf Probe. Wir begleiten alle Stationen, die sich ganz natürlich durch so eine Dating-Situation ergeben…
Und die Storylines…?
Wir haben eine starke Drehverabredung, an welchen Punkten und Stationen über die Woche und im Tagesablauf gedreht wird. Wenn das gedrehte Material zu uns in die Produktion kommt, schauen wir uns die Geschichten genau an und entscheiden, was den Soap-Anteil ausmachen soll und legen entsprechend unsere Storylines darüber. Natürlich suchen wir die stärksten Geschichten aus, die wir dann bei der Bearbeitung in der Postproduktion durcherzählen: Geschichten von einem smarten jungen Bauern, von einem schüchternen, von einem liebevollen oder von einem properen Bauern und wie sie jeweils den Frauen begegnen und mit ihnen umgehen. So entsteht der Soap-Charakter.
Die Soap-Struktur wird erst entwickelt, nachdem das komplette Material vorliegt, der Dreh abgeschlossen ist?
Richtig. Erst nachdem wir alles gedreht haben, geht es in die Postproduktion, und da beginnt die Auswahl der Geschichten. Wir entscheiden dann, welcher Bauer in welcher Folge mit welchem Anteil gezeigt wird und wie die Geschichten in die Folgen geschnitten werden…
Aber Sie erhalten doch sicher schon beim Dreh Ideen, was spannend sein kann in Bezug auf die Storylines oder sogar schon beim Cast…?
Beim Cast wählen wir eine Vielzahl von unterschiedlichen Typen aus. Damit sind wir schon dicht am Fiction-Cast dran, indem wir Charaktere vorab auswählen.
Erzählen Sie dann nicht doch mehr oder weniger fiktionale Geschichten mit ausgewählten Laien-Darstellern?
Nein. Wir arbeiten mit einem großen Dokumentationsanteil. Wir bilden Realität ab, wir inszenieren nicht! Die Kamera folgt der Aktion. Wir begleiten die Realität. Und das soapige ist, wie wir die Geschichten in den Folgen in der Postproduktion abbilden.
Während die Doku-Soap zurzeit im deutschen Fernsehen boomt, hat die deutsche serielle Fiction-Produktion in der jüngeren Vergangenheit überwiegend mit Akzeptanzproblemen seitens der Zuschauer zu tun. Ist der Erfolg von „Bauer sucht Frau“ als Doku-Soap vielleicht doch eher auf den großen Realitätsanteil zurückzuführen?
Fernsehen hat immer verschiedene Wellen. Es gab Talk-Shows, dann Gerichtsshows, die sehr gut liefen. Und jetzt gibt es eine sehr starke Doku-Soap-Welle. Auch die Coaching-Formate wie „Super Nanny“, „Raus aus den Schulden“ bei RTL oder Geschichten bei VOX wie „Das Perfekte Dinner“ funktionieren wunderbar. Weshalb ich eigentlich nur pauschal sagen würde: Manchmal schreibt das Leben die besten und spannendsten Geschichten.
Zwei Perspektiven bedient
Worauf führen Sie zurück, dass mit „Bauer sucht Frau“ plötzlich Geschichten vom platten Land ein so breites Interesse bei Fernsehzuschauer finden? Eine Art modernes Volks-TV?
Bei „Bauer sucht Frau“ sind Geschichten für zwei Perspektiven drin. Für den Städter ist die Welt des Landlebens spannend, wo das Leben noch ganz anders tickt: Die Menschen leben einfach, sie sind auf den Höfen noch in traditionellen großen Familienverbänden eingebunden, leben mit Mutter und Vater zusammen. Es geht um harte körperliche Arbeit. Sie stehen früh auf und müssen sich jeden Tag, ob feiertags oder im Urlaub, um Tiere kümmern, müssen Verantwortung tragen. Wir haben zum Beispiel einen 23-jährigen Bauern gezeigt, der seit seinem 18ten Lebensjahr die vielen Tiere und den Hof bewirtschaftet. Das ist enorm viel. So ein echtes Landleben eröffnet für den Stadtbewohner einen spannenden Blick. Andersherum werden Landbewohner mit Frauen konfrontiert, die in der Regel aus der Stadt kommen. So kommt für sie ein soapiger Charakter in die Geschichten rein. Zum Thema volksnahes Fernsehen kann ich schwer was sagen. Das würde ich eher Formaten wie „Raus aus den Schulden“ oder „Super Nanny“ zuschreiben. Da reden Menschen über ihre Probleme, und die Zuschauer bekommen Einblicke in reale Probleme von Menschen, die alle haben – und das ist volksnah.
Bekommt man denn nicht bei „Bauer sucht Frau“ auch Einblicke in die Realität, auch wenn dabei nicht die großen Probleme, sondern Liebesgeschichten eine Rolle spielen?
Es geht bei uns um Liebe. Es geht um das Leben auf dem Land. Das hat für Städter eine gewisse Exotik. Aber es gibt auch genügend Zuschauer aus dem Umfeld von Kleinstädten und Dörfern, wo der Effekt nicht da ist, weil sie sich selber wieder erkennen müssen. Aber es stimmt: Grundsätzlich sind es in jedem Fall reale Geschichten aus unserem Leben.
Vom Titel her erinnert „Bauer sucht Frau“ an die früheren Reality-Formate wie „Die Alm“, die dann als „Trash“ untergegangen sind, weil es sich mehr oder weniger um künstliche Krawall-Inszenierungen und Tabu-Überschreitungen handelte…
Unsere Doku-Soap hat nichts mit Trash zu tun. Bei manchen Figuren kann der Zuschauer selber sehen und beurteilen, warum die Beziehungen eventuell wieder auseinander brechen. Zum Beispiel, wenn ein Bauer sehr uncharmant ist, und die Frau dann sagt, „ich hab’ keinen Bock darauf“. Wir begleiten das nur. Sicher kitzeln wir mitunter auch skurrile Situationen heraus. Aber es geht nur so weit, wie wir es auch verantworten können. Wir werden unsere Bauern niemals denunzieren oder bloßstellen. Es gibt immer einen Punkt, da machen wir die Kamera aus. Alle Bauern, mit denen wir bislang gearbeitet haben, fühlen sich gut behandelt. Da können wir jederzeit wieder drehen. Zum Teil haben sie geheiratet oder sind enger mit den Frauen zusammen, die sie über unsere Doku-Soap kennen gelernt haben. Sie gucken sich „Bauer sucht Frau“ auch weiter an und sagen, „oh, wie schön!“. Wir drehen zunächst im Sommer bei ihnen und dann noch mal ein halbes Jahr später. Dann haben sich die Beziehungen natürlich geändert: Die einen, die zunächst himmelhoch jauchzend begeistert waren, haben sich getrennt. Andere sind klammheimlich zusammengezogen, und wir sind überrascht, dass da die Liebe entstanden ist.
Das Voyeuristische, das „Bauer sucht Frau“ bietet, gehört es mit zum Erfolgsgeheimnis?
Auf jeden Fall. Das gilt aber für alle neuen Doku-Infotaiment- oder Factional-Entertainment-Formate oder wie immer sie heißen. Dem Zuschauer wird ein Schlüssellochblick geboten. Genau das ist ja auch spannend: mal zu gucken, wie sieht es beim Nachbarn aus?
Erika Butzek (MB 12/07)