Stabile Bilder bei Wind und Wellen

Auf dem Beetzsee bei Brandenburg an der Havel wurde Anfang Mai die Ruder-EM 2016 ausgetragen. Das Weltbild wurde vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) produziert. Da die Regattastrecke in einem Naturschutzgebiet mit schwer zugänglichem Ufer liegt, musste ein Großteil der Aufnahmen von zwei Kamera-Katamaranen aus gemacht werden, die die Ruderer auf dem Wasser begleiteten.

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Stabile Bilder bei Wind und Wellen

Beim Setup der 22 Kameras für die Ruder-EM spielte das Know-how von Produktionsleiter Eduard Palasan vom Hostbroadcaster Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) eine wichtige Rolle. Dem passionierten Wassersportler und ehemaligen Geschäftsführer des Berliner Ü-Wagen-Dienstleisters TopVision lag viel daran, Aufnahmen zu bekommen, die nahe an der Wasserlinie lagen, also die Perspektive der Ruderer einnahmen. Dafür wurde eine Kamera auf einem Orbiter tief und flach auf einer Landspitze direkt am Wasser positioniert und zwei Kamera-Katamarane eingesetzt.

Der erste Katamaran war mit zwei Gyro-Stabilisierungssystemen von SHOTOVER ausgerüstet, eines davon an einem fest montierten Träger (mit Sony HDC-P1 und 42-fach Optik) und eines an einem Kran (mit Sony HDC-2500 und 13-fach Optik). „So konnten wir die eine Kamera auf das Führungsboot richten und die Krankamera entweder das ganze Feld oder auf die zwei bis drei Boote, die um die Spitze kämpften“, erläuterte Palasan den Gedanken hinter dem Set-up. „Rudern überträgt man am besten mit einer dynamischen und sich immer in Bewegung befindliche Führungskamera“. Der erste Katamaran fuhr auf der 2.000 Meter langen Ruderstrecke parallel zum Feld. Etwa 250 Meter vor dem Ziel übergab er entweder an die Orbiter-Kamera oder an ein 200 Meter langes Seilzugkamerasystem, das erstmals bei einer Ruder-Regatta eingesetzt wurde. Grund für die Übergabe war der mangelnde Platz für den Katamaran auf den letzten 200 Metern, die eng an der Zuschauertribüne entlang führten.

Der zweite Katamaran folgte den Ruderern zwischen Bahn drei und vier der Strecke. Er verfügte über ein Cineflex-Kamerasystem (Sony HDC-1500 mit 42-fach Optik, verdoppelbar auf auf 84-fach), das an seinem Bug installiert war, um die Ruderer in Großaufnahme zu zeigen und ihre Emotionen einzufangen. Die Katamarane wurden mitsamt ihrer Steuerleute vom Weltruderweltverband FISA (Fédération Internationale des Sociétés d’Aviron) zur Verfügung gestellt. Diese Regelung war Bestandteil eines umfassenden Vertrages zwischen der European Broadcast Union (EBU) und der FISA, an dessen Vorgaben sich der Hostbroadcaster, das lokale Organisationskomitee und die FISA zu orientieren hatten.

„In der Vergangenheit gab es in einzelnen Ländern immer wieder Probleme mit den Kamerabooten, die den Sportlern bedrohlich nahe kamen, weil die Fahrer auf spektakuläre Bilder aus waren“, erklärte Palasan die Regelung. Die technische Bestückung der Katamera verantwortete indes der rbb. Das umfasste nicht nur die Kameras, sondern auch die Operatorplätze, die Drahtlosverteilung und die Kommunikation, die Palasan entsprechend den Anforderungen auf offenem Wasser konzipiert hatte. Dabei mussten sowohl Wind, Gischtwasser und Sonneneinstrahlung berücksichtigt werden. Bei der Stromversorgung verabschiedete sich Palasan von lauten Dieselgeneratoren und packte Akkus auf die Boote, die eine Laufzeit von je 16 Stunden hatten. Dadurch machte es Sinn auf den Katamaranen auch Mikrofone mitzuführen, um die Rennatmosphäre durch weiteren Ton erlebbarer und intensiver zu machen.

Weltbild-Dienstleister

Neben dem Weltbild produzierte Hostbroadcaster rbb bei der Ruder-EM auch alle Hörfunk, Online- und Fernsehbeiträge für die ARD. Live war die EM in Deutschland meist nur per Internet-Stream zu erleben. Während der „ARD Sportschau live“ am letzten Renntag wurde allerdings live zur Strecke geschaltet. Live wurde die EM in zahlreiche Ländern übertragen, angefangen bei der BBC in Großbritannien bis hin zu Fox Sports in Australien. „Die Australier sind absolut ruderverrückt“, erklärte Michael Mannteuffel, dem die Leitung der Ruder EM-Übertragung für den rbb und die ARD oblag, diesen Umstand. „Sie kommen da gleich hinter Deutschland und Großbritannien. Zudem arbeiten in Australien viele deutsche Rudertrainier.“ Insgesamt haben zwölf Länder das Weltbild von der Ruder-EM 2016 von der EBU übernommen, die für die Rechte-Vermarktung zuständig war. Die Dienstleistungen für das Weltbild und darüber hinaus werden anteilig von allen bezahlt, doch von zusätzlichen Einnahmen aus der internationalen Vermarktung hatte der rbb nichts, weil die Höhe der Preise für diese Dienstleistungen für die internationalen Partner auch über die EBU geregelt war. Laut EBU-Richtlinien sind alle Mitgliedssender verpflichtet dafür zu sorgen, dass bei internationalen Sportereignissen ein Weltbild erstellt wird. Das bedeutet natürlich auch, dass ARD und ZDF an Weltbildern partizipieren, die andere Anstalten erzeugen. In diesem Fall fungierte der rbb „als Dienstleister für alle“, so Mannteuffel und holt weiter aus: „Also auch für unsere eigenen Lokalsendungen, die live von der Strecke berichten, für andere ARD-Anstalten und für das ARD-Hauptprogramm zum Beispiel mit der Tagesschau, die lokale Ruderer in den Fokus ihrer Berichterstattung stellen, für die FISA, die eigene Bilder für ihren Webauftritt haben möchte und nicht zuletzt auch für die ‚Sportreportage‘ des ZDF.“ Das Weltbild muss ausgewogen erstellt werden und folgt daher strengen Regeln bei der Vorstellung der Sportler am Start sowie bei den eingeblendeten Grafiken. Während des Rennens und im Ziel geht es dann ausschließlich um die sportliche Leistung und Anstrengung. „Wenn wir allerdings vorher wissen, welche Länder live schalten, können wir denen in einem gewissen Rahmen auch auf sie zugeschnittene Bilder liefern, damit die Sender etwas für ihre Zuschauer haben“, sagte Mannteuffel.

Insgesamt wurden vom rbb für die Übertragung 120 Techniker, Kameraleute, Redakteure und Kommentatoren aufgeboten. Von den 22 Kameras waren vier Kameras unilaterale Kameras. Zwei waren für Studio-Positionen vorgesehen, zwei konzentrierten sich im Zielbereich auf die deutschen Teilnehmer, die sich mit insgesamt zehn Medaillen, davon drei mal Gold und sechs mal Silber, sehr gut schlugen und nur deshalb im Medaillenspiegel hinter den erstplatzierten Briten landeten, weil diese bei sieben Medaillen vier Goldene einfuhren. Für die vor Ort anwesende BBC stellte der rbb kurzfristig jeweils einen Doppel-Kommentatorenplatz für Hörfunk und Fernsehen zur Verfügung. Die Kommentatorenplätze waren offen und lagen direkt neben den Zuschauerrängen. Nur die ARD hatte eine Kabine. „Das ist reiner Pragmatismus“, sagte Mannteuffel. „Denn wenn wir Bilder nachvertonen, wollen wir natürlich die Atmosphäre des tatsächlichen Rennens erhalten und nicht die Hintergrundgeräusche auf Band haben, die zum Zeitpunkt der Vertonung zu hören sind.“ An dieser Stelle konnte man gut erkennen, wie vorausdenkend eine Sportübertragung geplant werden muss. An der Tribünenüberdachung wurde an der Seite ein Sonnensegel angebracht. Ohne hätten die Kommentatoren der ARD in ihrer Kabine echte Probleme bekommen, wenn die Sonne am späten Nachmittag von der Seite direkt auf die Monitore gestrahlt hätte. Im Zielbereich kam eine Steadicam zum Einsatz, die die Sieger aus ihren Booten zur Siegerehrung begleitete. Dafür wurde extra eine Rampe ohne Stufen gebaut, da die Athleten nach einem Rennen immer etwas wackelig auf den Beinen sind. Da die Rampe aber auch wieder nicht zu steil sein durfte, kam es zu dem Kuriosum, dass die Athleten, als sie bei der rbb/ARD-Moderatorin Jessy Wellmer vorbei kamen, tiefer als sie standen und die Moderatorin für die Gespräche in die Hocke hätte gehen müssen – was dann mit einem schnell hergestellten kleinen Tritt mit einer Stufe für die Ruderer ausgeglichen wurde.

Technischen Support erhielt der rbb bei seiner Ruder-EM-Produktion am Beetzsee von einigen Technik-Dienstleistern. Dazu zählten Ü-Wagen-Betreiber TV Skyline, HD-Skycam als Lieferant der Cineflex- und SHOTOVER-Systeme, rentEvent im Bereich der Funk- und Drahtlos-Aktivitäten sowie die Firma Professional Motion Technology (PMT), die den Katamaran-Kran und das Zwei-Punkt-Seilsystem RocketCam bereit stellte.

Als reguläre Regattastrecke verfügt der Beetzsee unter Wasser auf eine Länge von 2.000 Metern für Fernseh- und andere Übertragungen über eine feste Glasfaser- und Strom-Kabel-Infrastruktur. Bei längeren Rennen, wie jetzt bei der EM, wird die dann erforderliche zusätzliche Strecke fliegend verkabelt.

Für die EM kamen insgesamt 40 Kilometer Glasfaser-Hybridkabel zusammen, die für den Signaltransport von Kameras, Mikrofonen, In-Ears und Monitoren zur Verfügung standen.

Funkstrecken und Seilzugkamera

Zusätzlich wurde von rentEvent die Funkstrecken eingerichtet, mit denen die Signale der mobilen Kameras, einschließlich Telemetrie, übertragen wurden. Dazu gab es in der Kommunikation mit den beiden Kamera-Katamaranen jeweils einen Kommandokreis für Fahrer und Operator, um Ablenkungen und Missverständnisse zu vermeiden. Die Empfangsantennen für die Funkstrecken waren auf dem Renntower-Dach montiert. Von dort wurden die Signale via Glasfaser an den Ü-Wagen geschickt.

Ursprünglich wurde auch über den Einsatz einer Kameradrohne nachgedacht. Doch nach dem Absturz einer Videodrohne beim Weltcup-Slalom von Madonna di Campiglio im Dezember, die den Österreicher Marcel Hirscher knapp verfehlte, wurden die Sicherheitsbestimmungen verschärft. „Der Abstand zum Sportler im Wettkampf wurde auf 150 Meter fest gelegt“, erzählte Mannteuffel. „Das ist zu weit für gute emotionale und spektakuläre Bilder. Außerdem wäre der Einsatz einer Drohne auch sehr teuer gewesen. In der Planung müsse man auch diesen Aspekt zwischen Wirtschaftlichkeit und redaktionellen Wünschen im Auge behalten.“ Mit Blick auf den windbewegten See ergänzte er dann noch: „Und bei dem Wetter hätten wir sie leider auch nicht einsetzen können.“ Der Wind, der das ganze EM-Wochenende angehalten hat, hat aber auch den Ruderern selbst zu schaffen gemacht. Oft kam er von schräg vorne. Vor allem aber verursachte er einen Wellengang, der dazu führte, dass die Athleten die Ruder entweder zu tief oder nicht tief genug ins Wasser tauchten und damit an Geschwindigkeit einbüßten. Statt mit einer Drohne wurde deshalb mit der RocketCam von PMT gearbeitet. Auch sie lieferte mithilfe eines Gyro-stabilisierten-Kopf sehr ruhige Bilder. Die Seilzugkamera funktioniert wie ein Schienensystem in der Luft und kann ganz generell durch enge Passagen gelegt werden. Für die Ruder-WM wurde ein Sony HDC-P1-Kamera mit einem Zwölffach-Zoom eingesetzt. Die Übergabe von der Krankamera auf dem Katamaran auf die Seilzugkamera funktionierte in der Praxis überraschend nahtlos und tat der Dynamik des Bildes keinen Abbruch. Aus Sicherheitsgründen und damit sich der Kameramann voll auf die Bilder konzentrieren konnte, wurde das Seilsystem nicht von ihm gefahren, sondern von einem eigenen Operator. Auf den letzten Metern war bei der Seilkamera auch besondere Vorsicht geboten. Um nicht in das Sichtfeld der Führungskamera zu kommen, musste der Seilzug etwas höher und dadurch enger am Regatta-Tower entlang geführt werden, an dessen Dach sie befestigt war. Dadurch bestand die Gefahr, dass der Wind die Kamera gegen das Gebäude drücken konnte.

Bildtechnik von TV Skyline

Die Beautyshots wurden mit TV Skylines hauseigenen SportsCam5-Kameras ge-macht. Ansonsten kamen überwiegend Ikegami HDK97A Kameras zum Einsatz.

Der im Ruderbereich recht erfahrene Dienstleister TV Skyline stellte die gesamte Bildinfrastruktur. Das Unternehmen war mit dem Ü-Wagen Ü7 inklusive Rüstwagen sowie einem Doppelschnittmobil vor Ort. Mit dem mobilen Schnittplatz wurden unter anderem Beiträge für die Tagesschau erstellt. Der rbb selbst hat zwar auch einen neuen, erst im Februar in Dienst gestellten HD-Ü-Wagen, doch der war bei den parallel stattfindenden Deutschen Meisterschaften im Schwimmen in Berlin eingesetzt. Im Ü7 von TV Skyline waren zur Ruder-EM die nationale Regie, die Highlighter-Regie, zwei Highlighter- und zwei Slomo-Arbeitsplätze untergebracht. Die internationale Regie sowie zwei weitere Slomo-Arbeitsplätze befanden sich in der ausgebauten Subregie im Rüstwagen.

TV Skyline wird mit dem Ü7 auch die Ruder- und Kanuwettbewerbe der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro übertragen. „Egal ob Beetzsee oder Copacabana: Unsere Ü-Wagen Ü7 und Ü8 sind durch das großzügige und flexible Raumkonzept prädestiniert für Sport-Hostbroadcastings in derartiger Größe“, sagte TV Skyline-Geschäftsführer Robert Kis. „Insofern war die Ruder-EM für uns ein tolles Highlight und Meilenstein auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Rio“.

Thomas Steiger

MB 2/2016

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