SWR startet Virtual-Production-Projekt mit Sony und Midflight

Der SWR testet in einer dreimonatigen Pilotphase den Einsatz virtueller Studioproduktion. Eine Live-Rollenspielshow auf Twitch markiert das Highlight des Innovationsprojekts.

5
Behind-the-Scenes von „Fehler im System“
Das interaktive Format „Fehler im System“ verbindet klassisches Pen-&-Paper-Rollenspiel mit virtuellen 3D-Sets – live umgesetzt im Virtual-Production-Studio des SWR. ©SWR/Christian Koch

Der Südwestrundfunk (SWR) hat ein Innovationsprojekt gestartet, das sich mit dem Einsatz von Virtual Production im eigenen Studioumfeld befasst. Seit September 2025 läuft im Studio 6 in Baden-Baden ein dreimonatiger Testbetrieb. Ziel ist es, die Möglichkeiten der Technologie zu evaluieren und ihren potenziellen Nutzen für zukünftige Eigenproduktionen zu bestimmen.

„Das virtuelle Produzieren mit mehreren getrackten Kameras kann für die Medienwelt ein echter Game Changer sein – in vielerlei Hinsicht: Wir gewinnen dadurch gestalterische Möglichkeiten, werden effizienter, flexibler und sparsamer.“

Michael Eberhard, SWR Direktor Technik und Produktion

Herzstück des Versuchsaufbaus ist eine zehn Meter breite LED-Wand aus der Crystal-LED-Serie VERONA. In Kombination mit einem Echtzeit-Tracking-System werden virtuelle Kulissen dargestellt, die sich dynamisch zur jeweiligen Kameraposition verhalten. Moderatorinnen und Darsteller bewegen sich so in einem digitalen Set, dessen Perspektive sich live anpasst. Die Technik erlaubt eine realitätsnahe Darstellung ohne nachträgliche Bearbeitung.

Pen-&-Paper als Produktionsformat

Im Zentrum der Testphase steht das Format „Fehler im System“. Dabei handelt es sich um eine interaktive Pen-&-Paper-Show, die in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Midflight entsteht. Zwei Live-Sendungen sind für den 24. und 25. Oktober 2025 geplant und werden jeweils ab 19 Uhr auf twitch.tv/ard ausgestrahlt.

Das erzählerische Rollenspiel wird mit einem Game Master und mehreren Mitspielenden umgesetzt. Sie übernehmen fiktive Charaktere, interagieren miteinander und reagieren auf situative Entwicklungen. Die Show kombiniert Elemente aus Gaming, Improvisation und klassischer TV-Produktion.

Die Spielleitung übernimmt Hauke Gerdes, bekannt aus der Streaming- und Gaming-Szene. Zum Mitwirkendenkreis gehören unter anderem Daniel Budimann, KaddiTV, Uke Bosse, Haselnuuuss sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler Franciska Friede, Frederic Böhle und Ron Helbig.

Studio 6 des SWR
Im Baden-Badener Studio 6 testet der SWR den Einsatz von Virtual Production mit LED-Wand, Kamera-Tracking und Unreal Engine in einem realen Produktionsszenario. ©Sony

Technikpartner Sony liefert LED-Wand und Tracking

Die technische Umsetzung erfolgt mit drei getrackten Studiokameras. Als Trackingsystem kommt OCELLUS von Sony zum Einsatz, das speziell für Anwendungen in der virtuellen und augmentierten Studioproduktion entwickelt wurde. Der SWR hat dazu eine Entwicklungspartnerschaft mit Sony geschlossen. Planung, Aufbau und Kalibrierung der technischen Infrastruktur wurden gemeinsam mit dem österreichischen AV-Dienstleister AV-Professional realisiert.

Sony Ocellus auf der NAB 2025
Sony Ocellus auf der NAB 2025

Die Darstellung der virtuellen Sets erfolgt mit der Unreal Engine, einer Echtzeitgrafikplattform, die ursprünglich aus der Computerspielentwicklung stammt. Insgesamt wurden sechs digitale Räume entworfen, die im Verlauf der Show bespielt werden. Ziel ist es, reale Requisiten und Studioelemente so in die virtuellen Umgebungen einzubinden, dass die Übergänge visuell kaum noch wahrnehmbar sind. Durch den Parallax-Effekt entsteht ein realistisch wirkender Tiefeneindruck, der sich bei jeder Kamerabewegung verändert.

Anwendungspotenzial in verschiedenen Programmbereichen

Neben dem Rollenspielformat sollen im Rahmen des Testprojekts vier weitere Anwendungsszenarien untersucht werden. Geplant sind Produktionen aus den Bereichen szenische Dokumentation, Studioproduktion (Live-on-Tape), Challenge-Format und Social-Media-Erklärvideo. Der SWR prüft damit, wie Virtual Production langfristig in verschiedenen Genres eingesetzt werden kann, um gestalterische Spielräume zu erweitern und gleichzeitig Effizienzgewinne in der Produktion zu erzielen.

Laut SWR-Technikdirektor Michael Eberhard bietet die Technik Potenzial für mehr Flexibilität und Gestaltungsfreiheit im Studiobetrieb. Auch im öffentlich-rechtlichen Kontext könne Virtual Production zu wirtschaftlicheren und kreativeren Produktionsmodellen beitragen.