Einen Tag vor Beginn der NAB Show 2025 in Las Vegas hat Ross Video seine neue Produktionsplattform Carbonite HyperMax vorgestellt. Rund 1000 geladene Gäste verfolgten die Präsentation vor Ort, viele weitere schalteten sich über den Livestream dazu. CEO David Ross leitete die Keynote mit einem ungewöhnlich offenen Rückblick auf Herausforderungen im bisherigen Switcher-Portfolio ein – und kündigte mit HyperMax eine technische und konzeptionelle Neuausrichtung an.
„Wir machen etwas, das man auf einer Keynote-Bühne nur selten sieht: Wir sprechen offen über die Schwächen unserer bisherigen Produktlinie“, sagte Ross zum Auftakt. Die Lösung für viele dieser Probleme: eine große, skalierbare Carbonite-Instanz – vereint im neuen HyperMax-System.
Zwei Systeme, zwei Welten – ein Problem
Bisher bot Ross zwei getrennte Mischerlinien: Carbonite für kleinere und mittlere Produktionen sowie Acuity für High-End-Anwendungen. Zwar lassen sich beide mit denselben TouchDrive-Panels steuern, doch die zugrunde liegenden Systeme unterscheiden sich – etwa in der Bedienoberfläche, bei Speicherformaten und in der Art, wie Effekte konfiguriert werden.
„Es gibt keinen einfachen Weg, von Carbonite zu Acuity zu wechseln“, so Ross. Besonders problematisch: Viele Carbonite-Funktionen wie UltraScene sind in Acuity nicht verfügbar, gespeicherte Effekte lassen sich nicht übertragen. Das erschwert Anwendern den Wechsel in größere Produktionsumgebungen – gerade wenn gewohnte Workflows erhalten bleiben sollen.
Ein weiterer Engpass: Wer bislang Carbonite mit ST-2110-Quellen betreiben wollte, war auf das Ultrix Carbonite beschränkt – und dort auf 18 IP-Eingänge limitiert. Mehr Bandbreite erforderte den Wechsel zur Acuity-Serie – mit all ihren systemischen Unterschieden. Auch das trug zur Fragmentierung bei.
Skalierbare Architektur auf SDPE-Basis
Mit Carbonite HyperMax will Ross diese Lücke schließen. Das System basiert auf der bestehenden Carbonite-Architektur, wird aber über Ultrix-Hardware skaliert – konkret über SDPE-Blades (Software Defined Production Engine). Pro System lassen sich bis zu acht dieser Blades in einem Ultrix FR12-Frame kombinieren. Je nach Ausbaustufe sind so bis zu 200 Eingänge möglich, darunter unter anderem SDI, ST 2110, HDMI, Glasfaser oder hybride Kombinationen.
Dabei bleibt das Bedienkonzept konsistent: Das User Interface, das sich viele Carbonite-Nutzer über Jahre angeeignet haben, bleibt auch in HyperMax vollständig erhalten. Die gewohnte Steuerung über DashBoard und TouchDrive-Panels bleibt unverändert – eine bewusste Entscheidung, um Schulungsaufwand und Integrationsrisiken zu minimieren.
Integriertes Routing, Multiviewing und Signalmanagement
Durch die Einbindung in die Ultrix-Infrastruktur übernimmt HyperMax nicht nur Mischfunktionen, sondern auch zentrale Aufgaben im Bereich Routing und Signalverteilung. Die Plattform kann interne und externe Signale flexibel schalten, wobei auch Up-, Down- und Cross-Conversion auf SDPE-Ebene möglich ist – softwarebasiert und latenzoptimiert.
Ebenfalls integriert: Multiviewer-Funktionen auf jeder SDPE-Blade. Diese lassen sich frei konfigurieren und pro ME individuell zuweisen. So können Bediener ihr Monitoring-Layout direkt aus dem System heraus steuern, ohne zusätzliche Hardware zu benötigen. Das spart nicht nur Platz, sondern vereinfacht auch die Signalwege im Gesamtsystem.
Drei Betriebsmodi pro Blade
Jede SDPE-Blade kann in einem von drei Modi betrieben werden:
- MaxME: Ein voll ausgestatteter M/E mit sechs Keyern, zwei Übergangs-Keyern, 14 Advanced DVEs, vier 3D-DVEs, Clip-Playern, Key-Kombinierern und integrierten Multiviewer-Ausgängen. Laut Ross ist dies das leistungsfähigste Carbonite-ME, das das Unternehmen je gebaut hat.
- MaxMini: Drei voneinander unabhängige Mini-MEs pro Blade. Jede Einheit ist mit zwei Keyern ausgestattet und basiert technisch auf der MaxME-Architektur. Diese Struktur erlaubt eine gleichzeitige Steuerung mehrerer kompakter Produktionen – etwa für parallele Live-Formate.
- MaxScene: Ein szenenbasiertes Layer-System, mit dem sich bis zu acht vorproduzierte Szenen pro Blade speichern, abrufen und mit gemeinsamen Ressourcen betreiben lassen. Keyer, Layer und Effektprozessoren lassen sich dynamisch zwischen Szenen umverteilen.
Die Modi lassen sich per Softwarelizenz aktivieren und jederzeit neu zuweisen. Die Hardware bleibt unverändert, wodurch sich die Produktionslogik schnell und flexibel anpassen lässt – etwa für mehr MEs am Abend oder zusätzliche Szenenblöcke bei Live-Events.
Zentrale Steuerung und dynamische Nutzung
Für die Verwaltung kommt der Ross Platform Manager zum Einsatz. Die Software übernimmt Konfiguration, Lizenzverteilung und Benutzerrechte. So können Produktionsumgebungen dynamisch angepasst werden – etwa an wechselnde Sendeformate im Tagesverlauf oder an unterschiedliche Anforderungen zwischen Nachrichten, Talkshow und Sportproduktion.
„Du startest den Tag mit zwei parallelen Nachrichtensendungen, wechselst am Mittag zu einer Talkshow und produzierst am Abend mehrere Sportveranstaltungen – ohne die Hardware umzustecken“, erklärte Les O’Reilly, Director of Product Management bei Ross. „Das ist die Stärke unserer Lösung.“
Zukunftsoffen durch Modularität
Ein weiterer Vorteil: HyperMax lässt sich nicht nur in bestehenden Ultrix-Setups nachrüsten, sondern auch etappenweise ausbauen. Wer zunächst nur eine oder zwei Blades benötigt, kann das System später bei Bedarf erweitern – ohne Änderungen am Bedienkonzept. Auch unterschiedliche Blade-Modi lassen sich innerhalb eines Systems kombinieren, wodurch Mischformen aus klassischen M/Es, Mini-MEs und Szene-Engines möglich sind.