40 Jahre Privat-TV – Technik (Teil 3)

Vom anfänglichen Mangel an terrestrischen Frequenzen bis zum technologischen Showdown mit den Internet-Giganten. Autorin Erika Butzek beleuchtet im dritten Teil "40 Jahre Privat-TV" die technische Entwicklung.

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Anke Schäferkordt
Anke Schäferkordt ©RTL

„Content is King“ hieß es einmal. Doch mehr als der Inhalt hat die Technik die Entwicklung des Privatfernsehens bestimmt. Und die soll künftig auch für ein besseres Werbegeschäft sorgen. 

Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht schon 1961 grünes Licht für die Etablierung von Privatfernsehen in Deutschland gegeben, aber es konnte lange Jahre nicht starten, weil es dafür zunächst keine zusätzlichen terrestrischen Frequenzen neben den von ARD/ZDF bereits besetzten gab. Erst als die technologische Infrastruktur mit Kabel und Satellit für Distribution und Empfang ausreichend ausgebaut war, konnte sich werbefinanziertes Privatfernsehen unternehmerisch entfalten. Schon in der analogen Zeit, aber verstärkt im Zuge der Digitalisierung der TV-Distribution ab 2012, hat es bei RTL und ProSiebenSat.1 als Branchenriesen des deutschen Privatfernsehens eine Fragmentierung mit immer mehr Zielgruppen- und Sparten-Sendern sowie Online-Videoangeboten gegeben. All das wird aktuell über ihre Streaming-Plattformen RTL+ und Joyn für die crossmediale Vermarktung von Werbeplätzen gebündelt, wobei beide Gruppen neuerdings betonen, das lineare Fernsehen als wichtigen Motor für die Reichweitengenerierung und für Zuschauer im Vergleich zu on Demand bequemeres Fernsehen zu pflegen und einzubinden, nicht nur Broadcast-mäßig, sondern auch als Livestream.

Vom TV-Sender zur Tech&Data Company

Dabei hat sich der ewige Marktführer RTL als mehrheitliche Bertelsmann-Tochter im Vergleich zu ProSiebenSat.1 konsequenter und schneller als eine Tech & Data Company nach dem Vorbild der Internetgiganten aufgestellt, die die effiziente Produktion von Inhalten und Programmierung sowie Instrumente zur Werbefinanzierung automatisiert steuern will. Das Fundament dafür hat die Betriebswirtin Anke Schäferkordt gelegt, die technik-affin rechnen konnte und gleichzeitig ein sicheres Bauchgefühl für beim Publikum beliebte Programme hatte. Schäferkordt, die ihre steile Berufskarriere von Anfang an im Bertelsmann-Konzern aufgebaut hatte, agierte ab 2005 als RTL-Chefin. Mit dem damaligen InfoNetwork ließ sie ab 2008 von der damaligen RTL-Tochter CBS eine nagelneue filebasierte Produktions- und Sendetechnologie aufbauen, die schon damals rund 30 Produzent des RTL-Programms produzierte, ob seriöse News oder unterhaltsamen Klamauk, ob Magazine, Reality-Reihen oder die Nachrichten von N-TV.

Stephan Schmitter, CEO RTL Deutschland
Stephan Schmitter, CEO RTL Deutschland ©RTL

Der aktuelle RTL-Chef Stephan Schmitter hatte dann 2020 die Geschäftsführung von InfoNetwork übernommen bevor er im Februar 2021 Geschäftsführer der neu gegründeten RTL News GmbH wurde, unter deren Dach heute neben InfoNetwork, CBS, N-TV sowie Units aus der RTL-Werbetechnologie unter einem Dach verschmolzen sind. Bevor Schmitter im Januar dieses Jahres die CEO-Position bei RTL übernahm, hatte er 2022 mit der Zusammenführung von RTL Deutschland und der großen Publisher-Gruppe Gruner + Jahr (u.v.a „Stern“) zunächst zusätzlich die Funktion des Chief Journalistic Content Officer von RTL Deutschland übernommen. Technik, Inhalt und Werbefinanzierung sind bei RTL eng crossmedial verknüpft, um so effektiv wie möglich Inhalte zu schaffen und darüber im Internetzeitalter automatisiert Werbeeinnahmen zu generieren. Entsprechend hat der Bertelsmann-Chef Thomas Rabe RTL Deutschland umorganisiert. 

Kooperation in Sachen Werbung

Nachdem der ehemalige Chef der ProSiebenSat.1 Gruppe, Thomas Ebeling, 2010 die Eigenproduktion von Nachrichten und Informationsprogrammen aus dem Konzern herausgelöst hatte, weil sie ihm schlicht zu teuer war, um die Aktien der Sendergruppe hochzujazzen, hat die Gruppe seit 2023 damit begonnen diese wieder einzubinden. Ebeling hatte damals offensichtlich nicht erkannt, dass die Technologie für Produktion und Distribution im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung zusammen wächst, immer preiswerter und effektiver auch für den crossmedialen Einsatz von Werbung im IP-Zeitalter wird. Neuerdings allerdings haben RTL und ProSiebenSat.1 eine Kooperation vereinbart, um den Internet-Giganten die Harke zu zeigen, die ihnen in den letzten Jahren das Werbegeschäft vermiesten. Laut RTL plant man „einen durchgängigen AdTech-Stack für Europa“ zu etablieren, „der das Lineare und Digitale miteinander verknüpft“ und eine bessere Alternative zur Werbetechnologie der internationalen Tech-Anbietern darstelle. Damit soll eine automatisierte Monetarisierung ihrer Streaming-Plattformen mit Hilfe von KI gelingen, die auch die Empfehlungssysteme steuern soll. Mit Hilfe von Technologie und Daten soll eine größtmögliche individuelle Wirkung von Werbung ohne Streuverlust erzeugt werden, ein Versprechen, mit dem die Internetgiganten in den letzten Jahren bei der Werbewirtschaft reüssierten.


Mit dem Technik-Teil der Triologie “40 Jahre Privatfernsehen” geht die Serie nun zu Ende. Der erste Teil zum Thema Medienpolitik findet sich hier. In einem zweiten Teil beleuchtete unsere Autorin Erika Butzek die wirtschaftlichen Aspekte des Privat-TV.