BR: Mit Brezenbot gegen Big Tech

Auf den Medientagen München stellte der Bayerische Rundfunk ein überraschendes KI-Projekt vor. Ein Oktoberfest-Chatbot wurde zur Blaupause für neue Wege im Umgang mit Künstlicher Intelligenz und zum Symbol für mehr digitale Unabhängigkeit.

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Staatsminister Dr. Florian Herrmann und Dr. Katja Wildermuth (Intendantin BR)
Staatsminister Dr. Florian Herrmann verwies auf die Investitionen Bayerns in KI-Forschung und betonte die Notwendigkeit europäischer Rechenzentren als Grundlage digitaler Souveränität.

Es war ein ungewöhnliches Panel auf den Medientagen München 2025. Unter dem Titel „Europas Medien und KI: Warum Infrastruktur jetzt sexy ist“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Medien, Politik und Tech über digitale Souveränität. Zwischen regulatorischen Ambitionen und technischer Realität zeigte der Bayerische Rundfunk (BR), wie selbst ein spielerisches Projekt – ein Chatbot zur Wiesn – zum strategischen Schritt werden kann.

„Wir müssen selbst machen, statt abzuwarten“, sagte BR-Intendantin Dr. Katja Wildermuth. Gemeint war damit nicht nur technologische Eigenständigkeit, sondern auch eine neue Haltung im Umgang mit KI: weg von der Zuschauerrolle, hin zur aktiven Gestaltung.

Diskussion über digitale Souveränität auf den Medientagen München
Diskussion über digitale Souveränität auf den Medientagen München: Vertreterinnen und Vertreter aus Medien, Politik und Tech debattieren über die Rolle europäischer Infrastrukturen im KI-Zeitalter.

Der Brezenbot: Spielerei mit Signalwirkung

Uli Köppen auf den Medientagen München 2025
Uli Köppen stellte den Breznbot des BR vor – ein KI-Projekt, das journalistische Inhalte strukturiert bereitstellt und neue Wege im Umgang mit verlässlichen Daten aufzeigt.

Das Projekt mit dem Namen „Brezenbot“ ermöglichte es Nutzerinnen und Nutzern, während der Wiesn Fragen rund um das Oktoberfest zu stellen. Der Bot war eingebettet in die Angebote des BR, aber auch bei Partnerverlagen wie der „tz“ und dem „Merkur“ nutzbar. Ziel war es, zwei unterschiedliche journalistische Content-Pools zu verbinden und daraus ein gemeinsames KI-Produkt zu entwickeln.

„Ippen berichtet anders über das Oktoberfest als wir“, erklärte Uli Köppen, Chief AI Officer des BR. „Aber genau das ist der Vorteil. Komplementäre Daten verbessern die Qualität.“ Das Ergebnis überzeugte: 1,2 Millionen Interaktionen in zwei Wochen. Für Köppen war das mehr als ein Testlauf. Der Chatbot wurde zum Vorbild für das Konzept eines Trusted Content Pools – einer Dateninfrastruktur, die vertrauenswürdige journalistische Inhalte KI-tauglich und nutzbar macht.

Trusted Content statt Blackbox-KI

Die Idee hinter dem Trusted Content Pool: Inhalte wie Texte, Videos und Audios sollen strukturiert bereitgestellt werden, damit sie von KI-Systemen sinnvoll verarbeitet werden können. Dabei geht es nicht um anonymes Trainingsmaterial für amerikanische Konzerne, sondern um eine transparent nutzbare, redaktionell geprüfte Wissensbasis.

Dr. Katja Wildermuth auf den Medientagen München 2025
Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks, plädierte für mehr Eigeninitiative im Umgang mit KI und betonte die gesellschaftspolitische Relevanz vertrauenswürdiger Medienangebote.

„Wir brauchen nicht immer die ganz große Lösung“, sagte Katja Wildermuth mit Blick auf KI-Infrastruktur. Vielmehr gehe es darum, pragmatisch zu handeln, Inhalte schrittweise bereitzustellen und sich als öffentlich-rechtlicher Rundfunk in einem europäischen Ökosystem mit klaren Werten zu verorten. Dieses Ziel lasse sich nur durch Kooperation erreichen: mit Verlagen, Tech-Partnern und der Politik.

„Wir dürfen nicht in Schönheit sterben“

Die Diskussion auf dem Panel machte deutlich: Der BR versteht sich längst nicht mehr nur als Sender, sondern auch als technologische Plattform. Gleichzeitig fordert das einen kulturellen Wandel innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems. Wildermuth plädierte für mehr Mut, mehr Tempo und die Bereitschaft, Fehler zuzulassen. „Früher hätte man erst mal eine 50-köpfige Arbeitsgruppe gegründet. Heute müssen wir einfach loslegen.“

Der Freistaat Bayern unterstützt diesen Ansatz. Staatsminister Dr. Florian Herrmann verwies auf die milliardenschwere Hightech-Agenda. Der Aufbau digitaler Infrastruktur sei keine technische Fußnote, sondern ein politisches Kernanliegen. Bayern wolle Europas digitale Zukunft aktiv mitgestalten.

Plattformabhängigkeit als Risiko

Gleichzeitig wurde deutlich, wie stark die Medienbranche bereits von großen US-Konzernen abhängt. „Unsere Daten lagen schon bei Microsoft – jetzt laufen auch die Modelle dort“, sagte Köppen. Wer ein KI-Produkt aufsetzt und später das zugrundeliegende Modell wechseln muss, müsse oft bei null anfangen. Technologische Abhängigkeit sei also nicht nur ein infrastrukturelles, sondern auch ein strategisches Risiko.

Die Lösung liege für Köppen nicht in der kompletten Selbstversorgung, sondern in flexiblen Kooperationen, offenen Standards und gezielten Partnerschaften. „Wir müssen genau wissen, mit wem wir arbeiten, wo unsere Daten liegen und wie wir unsere Inhalte schützen können.“ Der Trusted Content Pool sei dabei ein erster Schritt – aber nicht der letzte.

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Vom Labor zum Leuchtturmprojekt

Wie geht es weiter? Für Köppen ist klar: Der Brezenbot war erst der Anfang. Zwei neue KI-Produkte sollen bis Ende 2026 folgen. Auch Robin Hermann von STACKIT plädierte dafür, jetzt Leuchtturmprojekte zu schaffen, die zeigen, dass europäische Medienhäuser technologische Innovation selbst gestalten können – auf Basis eigener Inhalte, mit Partnern auf Augenhöhe und innerhalb eines rechtssicheren Rahmens.

Wildermuth betonte, wie wichtig es sei, neue Formen der Zusammenarbeit mit Verlagen zu entwickeln. Beim Breznbot habe man gezeigt, dass öffentlich-rechtliche und private Medien gemeinsam ein besseres Produkt liefern könnten – gerade, wenn es um verlässliche Informationen im KI-Zeitalter gehe.

Ein kleiner Bot, ein großes Ziel

Was mit einem Chatbot zur Wiesn begann, ist heute Teil einer größeren Strategie. Der Bayerische Rundfunk zeigt, dass Medienhäuser mehr können als zuschauen. Wer seine Inhalte in die digitale Infrastruktur von morgen einbringt, muss wissen, worauf es ankommt: auf Vertrauen, auf Kooperation und auf eine klare Haltung zur Souveränität im Netz.