Diversifikation der Verkaufsangebote

Einkaufen via Fernsehen erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Die Zahl der Anbieter wächst. Mit Multichannel- Strategien versuchen sie neue Umsatzpotentiale zu erschließen. Auf der Multichannel Money Stream-Konferenz (MCMS) am 22. Juni in Barcelona sprach MEDIEN BULLETIN darüber mit Julian Oberndörfer, Executive Director der Electronic Retailing Association Europe.

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Diversifikation der Verkaufsangebote

Erklären Sie doch bitte die Struktur Ihres Verbandes?

Die Electronic Retailing Association Europe vertritt Handelsunternehmen, die Produkte über das Fernsehen, Internet und andere elektronische Medien direkt an Konsumenten vertreiben. Der Verband repräsentiert 70 Unternehmen aus 23 Ländern aus Europa und dem Nahen Osten und ist mit dem wesentlich größeren Schwesterverband ERA US assoziiert. Die Mitgliederstruktur ist heterogen. Zum einen sind die großen Live-Shoppingsender wie zum Beispiel QVC und HSE24 aus Deutschland, Italien und England respektive Russland Mitglied. Sie betreiben eigene TV-Kanäle und bieten Einkauf, Verkauf Call Center und Logistik aus einer Hand an. Daneben sind, unter anderem, multinationale Unternehmen wie JML aus England, Studio Moderna aus Slowenien und Mediashop aus Österreich Mitglieder, die auf mehreren Märkten in ganz Europe im B2C Bereich tätig sind.

Wie stellt sich die Teleshopping-Situation in Deutschland dar?

Zunächst sollte man sicherlich differenzieren zwischen sogenannten DRTV-Anbietern und Home-Shopping-Kanälen. Erstere kaufen Airtime und bieten einige wenige Produkte mit vorgefertigten Clips zum Kaufen an.

Letztere wie zum Beispiel QVC, HSE24, Channel 21 oder Mediashop sind große Multi- oder Omnichannel Versandhändler, deren Expertise vor allem darin besteht, über das bewegte Bild Impulskäufe zu generieren, die aber auch jegliche andere bestehende digitale Verkaufsplattform bedienen. Die Sender QVC als auch HSE24 haben mehrere Tausend Mitarbeiter und betreiben mehrere TV-Kanäle. Diese zählen sowohl zu den größten Versandhändlern als auch TV-Unternehmen in Deutschland. QVC ist einer der führenden Multichannel-Versandhändler. Die positiven Umsatz- und Wachstumszahlen 2014 von QVC und HSE24 zeigen, dass sie weiterhin erfolgreich sind.

Teleshopping gilt als „altes“ Medium – wie bestehen Sie im Wettbewerb mit den ja inzwischen nicht mehr ganz neuen Wettbewerbern: eBay, Amazon… aber auch Zalando?

Teleshopping ist ein Medium, welches seit Jahren von Erfolg zu Erfolg stürmt. Mit 20 Jahren im deutschen Markt ist es im „besten Alter“. Als Multichannel-Versandhändler hat Home Shopping gegenüber reinen Online-Versandhändlern unter anderem USPs wie TV, Video, Moderatoren, Erklären, Emotionalität und Identifikation, sowie hohe Kundenbindung durch hohen Service, die einen wichtigen Wettbewerbsvorteil bieten. Seit beinahe 15 Jahren werden interaktive Geschäftsmodelle beschworen. Seit wenigen Jahren wächst eine Technik- und Hardwareinfrastruktur, die tatsächlich in den Haushalten angekommen ist und diese Modelle nun ermöglicht. Im Gegensatz zu oben genannten kann gerade das Geschäftsmodell Home Shopping hier seine Kernkompetenz der Interaktivität sowie des Verkaufens mittels Video ausspielen.

Die Konvergenz setzt alle klassischen Wirtschaftsbereiche unter Druck. Welche Strategie verfolgen Sie dazu?

Wie bereits dargelegt sind Teleshopping-Unternehmen schon lange nicht mehr Unternehmen, die ausschließlich über das TV verkaufen. Im Gegenteil bieten die Eigenheiten des Geschäftsmodells, zu jedem Produkt nicht nur über Verkaufsinformationen sondern auch entsprechende Videos zu verfügen, besondere Chancen. Diese werden bereits über den Multichannel-Ansatz, das heißt Diversifikation der Verkaufsangebote auf allen digitalen Empfangsplattformen oder auch Social-Media präsent zu sein, realisiert. Die „Comfort-Zone!“ der analogen TV-Welt mit wenigen Angeboten hat man schon lange verlassen. Es gilt den Kunden auf den für ihn relevanten Plattformen im richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Produkt abzuholen. Technisch ist das für Teleshopping kein Problem. Langjährige Kundenbindung, hohe Kundenaffinität und Markenbindung tuen hier neben dem sehr großen Produkt-Know-how ihr Übriges. Die meisten Home Shopper bewegen sich tatsächlich seit langen auf allen erdenklichen digitalen Plattformen.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen für Teleshopping-Anbieter?

Auch in der digitalen Welt teilweise immer noch der Zugang zu allen Verbreitungsplattformen. Eine große Herausforderung ist sicherlich auch die Qualität der Reichweite, das heißt im gelernten Medium TV im „Relevant-Set“ erscheinen zu können aber auch gerade in den non-linearen Nutzungsplattformen gefunden zu werden.

Wo sehen Sie Chancen der Diversifikation etwa über Partnerschaften mit anderen Mediengattungen, für die Sie als Bewegtbild-Experte doch eine wertvolle Ergänzung sein könnten?

Als Spezialisten für den Verkauf über bewegte Bilder wird man sicherlich bei der ein- oder anderen Mediengattung Entwicklungshilfe leisten können.

Sie müssen innerhalb des Regelwerks für den Handel mit Verbraucherschutz und europäischer Audiovisueller Mediendienste Richtline agieren. Was bedeutet das für das Homeshopping?

Wir beobachten genau die Initiativen der EU-Kommission zum gemeinsamen digitalen Markt. Hinsichtlich der AVMD müssen wir Bewusstsein dafür schaffen, dass wir beides sind, TV und Handel und insofern Lösungen im neuen Regelwerk gefunden werden müssen, die dieses berücksichtigen. Hinsichtlich der Schaffung eines gemeinsamen digitalen Binnenmarktes wären Händler die letzten, die einem solchen Ansinnen nicht positiv gegenüber stünden. Aber es ist natürlich unsinnig, das Nichtvorhandensein eines gemeinsamen Marktes per Gesetz zu dekretieren, ohne die tatsächlichen Hindernisse zu beseitigen. Insofern scheint die Initiative für einen gemeinsamen „Paketmarkt“ ähnlich der Initiative zum Roaming ein sinnvoller Ansatz den Binnenmarkt in Europa besser zu verbinden. Besonderen Wert legen wir im Übrigen darauf, dass alle unsere Mitglieder sich einer strengen Selbstregulierung unterwerfen, die extern überprüft wird und dem Kunden die Möglichkeit der direkten Beschwerde einräumt.

Was sind Ihre Wünsche an die Regulierer?

Bitte agieren Sie mit Augenmaß, hören Sie unsere Argumente. Es drängt sich teilweise der Eindruck auf, dass nur noch die Polarität Silicon Valley versus Europa gesehen wird. Sicherlich ist es richtig und wichtig die europäischen „Champions“ zu schützen beziehungsweise die Infrastruktur zu entwickeln. Richtig und wichtig ist es aber auch Pluralität oder auch die Interessen der eigentlich Schutzbedürftigen im Sinne der jeweiligen Vorschriften im Auge zu behalten. Wir beobachten zum Beispiel mit großem Interesse die aktuelle Diskussion um Netzneutralität beziehungsweise Roaming.

Wie wird die Retail-Landschaft in fünf oder zehn Jahren aussehen? Wird es Anbieter wie QVC, HSE24 überhaupt noch geben?

Auf jeden Fall.

Wie also werden diese Anbieter aussehen?

Ich gehe davon aus, dass beide Anbieter weiterhin sehr erfolgreich Multichannel-Versandhandel betreiben. Die Kernzielgruppe wird wahrscheinlich weiblich und mittleren Alters sein. Weitere Details gehen in die Richtung der „10 Millionen Dollar Frage“, die ich sehr gerne beantworten können würde.

Dieter Brockmeyer

MB 6/2015

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