Ericsson ist in Deutschland vor allem als Technik-Hersteller bekannt. Welchen Stellenwert haben da die vom Unternehmen angebotenen Dienstleistungen?
Ericsson wird im kommenden Jahr 140 Jahre alt. Das ist eine schwedische Firma mit einer sehr langen Tradition, die in der Tat vor allem auf der Herstellung von Technologien im Telekommunikationsbereich fußt. Das ist heutzutage anders. Umsatzmäßig kann man das Unternehmen heute in zwei gleichstarke Bereiche teilen. Der eine betrifft Produkte und Software und der andere Dienstleistungen. Ich bin in letzterem Bereich angesiedelt. Unsere Aktivitäten sind in der Tat vergleichsweise wenig bekannt. Unsere Strategie ist es, dass wir Kunden helfen können, die Komplexität in ihrem Geschäft zu reduzieren, es deutlich effizienter zu machen und durch Innovationen voran zu treiben.
Wir sind ein sehr großer Anbieter von Mediendienstleistungen. Dieser Geschäftsbereich von Ericsson generiert rund 15 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Ericsson ist außerdem einer der fünf größten Softwareentwickler der Welt.
Was macht Ihr Geschäftsbereich Broadcast und Media Services konkret?
Unsere Hauptzielgruppe sind die Sendeanstalten, denen wir verschiedene Services anbieten. Das beginnt bei den sogenannten Creative Services. Wir entwickeln und produzieren beispielsweise für die BBC Trailer zur Programm-Promotion für neue Filme und Serien. Wir arbeiten mit über 70 Firmen weltweit zusammen und helfen diesen bei der Markenbildung. Hier bewegen wir uns im Bereich Marketing Consulting. Der Großteil unserer Arbeit betrifft indes die Content-Betreuung und zwar vom Ingest bis zur Ausstrahlung. Im Bereich Ausstrahlung von Fernsehprogrammen sind wir der größte Dienstleister weltweit. Wir strahlen 500 Kanäle aus, arbeiten mit Kunden in zehn verschiedenen Ländern zusammen und managen deren technischen Playout-Prozesse. Wir halten das Material vor, verantworten die Qualitätssicherung, stellen die verschiedenen Ausspiel-Versionen zur Verfügung und managen am Ende das Playout und zwar sowohl im linearen wie im nicht-linearen Bereich. In England tätigen wir diese Services für die BBC, ITV, Channel 4, Channel 5, UK TV und BT Sports mit einem sehr bedeutenden Liveprogramm-Anteil. Wir üben diese Aktivitäten heute in zehn Ländern aus. Wenn wir unser Dienstleistungsengagement in England auf Deutschland übertragen würden, dann wäre das so, als wenn wir die gesamte Sendeabwicklung von ARD, ZDF, RTL und Pro7Sat.1 komplett abdecken würden.
Wenn man solche Services für so viele Kunden abwickelt, dann hat man sehr große Skaleneffekte und kann sehr viel günstiger und effizienter arbeiten. Auch für den einzelnen Kunden ist es natürlich viel günstiger als seine eigenen operativen Einheiten aufzubauen und zu betreiben.
Wie kam die Zusammenarbeit mit der BBC zustande?
2005 wurde die BBC-Tochter und Broadcast-Service-Firma BBC Broadcast Limited an die australische Macquarie Capital Alliance Group and Macquarie Bank Limited verkauft und in Red Bee Media umbenannt. Im Mai 2014 hat Ericsson Red Bee Media übernommen. Seither firmiert das Unternehmen mit seinen rund 2.500 Angestellten unter dem Namen Ericsson Broadcast and Media Services (EBMS).
Dieses Jahr hat die BBC sich entschieden, weitere Technikbereiche auszulagern und hat sich wieder für uns entschieden. Wir werden also noch die nächsten zehn Jahre für die BBC arbeiten.
Welche Strategie verfolgt Ihr Unternehmen?
Wie schon erwähnt zielt unser Geschäft vor allem darauf, Effizienz zu steigern und Innovationen voran zu treiben. Wir können natürlich effektiver sein als viele unserer Kunden, weil wir in bestimmten Projektbereichen mehrfach involviert sind. Viele Prozesse können wir deshalb auch viel günstiger abbilden. Wir arbeiten dabei mit den höchsten Qualitätsstandards. Eine BBC würde uns nicht vertrauen, wenn wir das nicht könnten. Wir bauen Plattformen auf, die für viele Kunden relevant sein können. Das ist ein Geschäftsmodell mit dem wir jetzt expandieren.
Ericsson ist eine sehr internationale Firma. In Europa sind wir besonders stark in England, Skandinavien, Frankreich und in den Niederlanden. Darüber hinaus sind wir in Spanien, Australien, in den USA und im Mittleren Osten aktiv. Wir haben eine Niederlassung in Deutschland, die aber derzeit mit 50 Mitarbeitern noch recht klein ist. Hier bieten wir vor allem Untertitel für Deutsche Sendeanstalten und Distributionsunternehmen sowie Metadaten an. Wir sind der größte Metadaten- und Untertitel-Lieferant Europas.
Wie funktioniert das Metadaten-Geschäft?
Wir arbeiten in diesem Segment mit Kunden wie beispielsweise Liberty Global zusammen, decken 24 Länder in Europa ab und bieten entsprechende Services in 31 Sprachen an. Teilweise arbeiten wir mit Sendeanstalten zusammen und generieren für sie ihre Metadaten. Wichtiger Aspekt dabei ist, dass wir nicht nur die Metadaten sammeln, sondern sie mit zusätzlichen Informationen anreichern und sie dann für die verschiedenen Plattformen zur Verfügung stellen. Wenn Sie ein SmartTV von Samsung oder LGI haben und deren Apps nutzen dann kommen die Metadaten dafür von Ericsson. Das gleiche gilt auch für die Microsoft MediaCenter. Auf der IBC 2015 haben wir präsentiert, wie wir Metadaten generieren oder Untertitel vorbereiten, durch den Einsatz von Technologien wie Natural Language Prozessing und Spracherkennung. Wir stellen Tools zur Verfügung, mit denen man noch mehr und bessere Metadaten generieren kann. Normalerweise bekommt man Metadaten auf der Ebene einer Episode geliefert. Dann weiß man, wie lang sie sie, wann sie im Fernsehen ausgestrahlt wird und welche Hauptdarsteller mitspielen. Wir setzen jedoch schon eine Ebene darunter an und untersuchen die einzelnen Szenen einer Episode und die dort beteiligten Schauspieler. Wir beschreiben auch den Charakter der Szene, zum Beispiel ob sie lustig, traurig oder spannend ist. Wir können auch sagen, welche Champagner-Sorte getrunken wird, welches Lied gespielt oder welches Auto gerade durch das Bild fährt. Das ist möglicherweise für einen Werbetreibenden sehr interessant. Und es bietet auch Vorteile für den Zuschauer, wenn man sich sehr komplexe Fernsehserien vorstellt, mit sehr vielen Episoden und Handlungssträngen. Mit unseren Metadaten kann man den Nutzern neue Handlungsmöglichkeiten bieten. Sie können zum Beispiel einzelne Schauspieler durch alle Episoden hindurch verfolgen. Das ist eine spannende Entwicklung.
Ericsson ist mit seinen Services in Deutschland trotzdem noch nicht richtig angekommen. Woran liegt das?
Wir sind natürlich heute ein reiner B-to-B Dienstleister. Nachdem wir uns aus dem Telefon-Bereich zurückgezogen haben, gibt es keine Konsumenten-Produkte mehr. Unsere primären Kunden sind in Deutschland Unternehmen wie zum Beispiel die Deutsche Telekom, Vodafone, E-plus oder Telefonica. Unser Ziel ist es, künftig verstärkt mit Sendeanstalten zu arbeiten. Einige davon sind schon heute unsere Kunden. Aber wir sind hier leider noch nicht so stark wie in anderen Ländern vertreten. Das liegt auch daran, dass sich die Märkte sehr unterschiedlich entwickelt haben. In Ländern wie England ist die Erkenntnis bei den Sendern schon viel weiter, dass bestimmte Dinge nicht selbst gemacht werden müssen und an Dienstleister ausgelagert werden können. Darüber hinaus ist der englische Markt, was die Geschäftsmodelle anbelangt, bereits weiter.
Auch weiter als bei die großen privaten Sendergruppen RTL Group und ProSiebenSat.1?
Ich persönlich glaube, dass das so ist, auch wenn im deutschen Markt einige sehr interessante Sachen passieren. In England gibt es aber eine viel stärkere Spezialisierung der Geschäftsmodelle. Dort zeigen die Sendeanstalten deutlich mehr Aktivitäten, um Werbegelder einzusammeln. Manche unserer Kunden sind dort schon sehr weit, was das programmatische Advertising angeht, die Regionalisierung von Werbeangeboten.
Bei einer Sendeanstalt geht es heute in erster Linie um die Marke. Wofür steht sie? Welche Inhalte transportiert sie? Natürlich spielt auch die Technologie eine gewisse Rolle. Aber man kann eben nicht in allen Dingen gleichermaßen gut sein. Und in England gibt es eher den Trend, dass man sagt, Technologie muss verlässlich sein, flexibel und innovativ. Das können Technologiefirmen besser für uns abwickeln.
Eckhard Eckstein
MB 8/2015