
Als David Cheng in München seinen Vortrag beginnt, geht es ihm nicht um Produktvorstellungen, sondern um ein Prinzip: Wie lassen sich redaktionelle und technische Abläufe in einer Medienwelt organisieren, die immer schneller und unübersichtlicher wird? Cheng arbeitet bei Cuez, einem Unternehmen, das Redaktionssysteme und Automatisierungswerkzeuge softwarebasiert und cloudorientiert entwickelt – und damit einen Ansatz verfolgt, der sich deutlich von klassischen Broadcast-Systemen unterscheidet.
Dieser Kontext ist wichtig, denn sein Vortrag trägt nicht zufällig den Titel Everything Everywhere All at Once. Cheng beschreibt eine Branche, deren Strukturen unter Druck stehen: mehr Plattformen, mehr Formate, mehr Inhalte – und weniger Zeit, sie zu produzieren.

Geschwindigkeit als Imperativ
Cheng beschreibt einen Markt, in dem der Bedarf an Bewegtbild schneller wächst als die verfügbaren Budgets. Klassisches Fernsehen verliert an Reichweite, während Streaming, mobile Nutzung und soziale Plattformen weiter zulegen. „Es gibt mehr Video als je zuvor“, so Cheng, und gleichzeitig verlagere sich die Nutzung auf neue Geräte und Formate.
Die Konsequenz formuliert er nüchtern: Medienhäuser müssten „do more with the same or do more with less“ – ein Mantra, das die RoadtrIP-Gäste in München bestimmt nicht zum ersten Mal hören. Geschwindigkeit wird zum Imperativ. Prozesse, die früher minutiös geplant und von großen Teams gesteuert wurden, müssen heute schneller, flexibler und mit weniger Personal funktionieren. Automatisierung ist für ihn kein Trend, sondern eine zwingende Antwort auf strukturelle Veränderungen.

Zwischen TV und Social: Alles ist Content
Ein wiederkehrendes Motiv seines Vortrags ist die Auflösung der Grenzen zwischen linearem Fernsehen, Streaming, Social Media und Corporate Content. „Fernsehen ist nicht mehr Fernsehen. Alles ist alles“, sagt er plakativ.
Damit meint Cheng nicht nur Ausspielwege, sondern auch die Akteurslandschaft. Neben Broadcastern produzieren Sportverbände, Unternehmen und Marken heute eigene Inhalte – und konkurrieren damit um dieselbe Aufmerksamkeit. Entscheidend sei nicht mehr der Kanal, sondern die Fähigkeit, schnell präsent zu sein und den Austausch zwischen Plattformen zu steuern.
Die Wechselwirkung zwischen TV und Social – Promotion, Rückkanäle, Nutzerinteraktion – versteht er als „multi-feedback loop“, der dafür sorgen soll, dass Inhalte nicht nur einmal ausgespielt, sondern kontinuierlich wiederentdeckt werden.
KI als Beschleuniger – aber anders gedacht
Einen großen Teil seines Vortrags widmet Cheng dem Thema KI. Dabei grenzt er Cuez bewusst von Anwendungen ab, die Texte umformulieren oder Clips übersetzen. Für ihn beginnt der eigentliche Fortschritt an anderer Stelle.

Cuez verfolgt einen agentenbasierten Ansatz: „Ein Agent arbeitet aufgabenorientiert – nicht eingabeorientiert.“ Das zentrale Prinzip lautet: KI-Agenten beobachten Systeme, treffen Entscheidungen, koordinieren sich untereinander und interagieren mit anderen Tools. Nicht als monolithischer Dienst, sondern als Netzwerk spezialisierter Akteure – ein „collaborative mesh“.
Die Vision dahinter: Workflows, die im Hintergrund laufen, Fehler vorausdenken und Entscheidungen vorbereiten, bevor Menschen sie treffen müssen. In seinen Worten: KI, die „fortlaufend beobachtet, was man tut“ und automatisch eingreift, wenn der nächste Schritt gefährdet ist.

Ein neues Verständnis von Redaktion
Am Ende fasst Cheng die Rolle von Cuez auf drei Ebenen zusammen: NRCS-Elemente für Stories, ein Rundown-Tool und eine darauf aufsetzende Automatisierungslogik. Gemeinsam sollen sie ein Ziel erreichen: Journalisten zu befähigen, schneller und autonomer zu produzieren – ohne in die Tiefe technischer Systeme einzusteigen.
Sein Fazit ist weniger eine Produktbotschaft als eine Diagnose: Medienhäuser brauchen Werkzeuge, die so flexibel sind wie ihre Nutzungsszenarien. Und sie brauchen sie jetzt. Denn der Wettbewerb findet nicht mehr nur zwischen Sendern statt, sondern zwischen allen, die Inhalte produzieren.












