Noch nicht das Ende der Fahnenstange

Das Interesse an Technologien für 4k-Produktionen war auf der IBC 2014 nach Angaben vieler Hersteller überraschend hoch. Gleichzeitig wurde auch eine recht differenzierte Betrachtung der ultrahochauflösenden TV-Zukunft deutlich. Beispielhaft dafür steht das Engagement von TVN. Der Hannoveraner Dienstleister ist Produzent der imposanten 4k-Bilder vom Red Bull Air Race in Gdingen, die Sony auf am IBC-stand zeigte.

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Noch nicht das Ende der Fahnenstange

Nach drei Jahren Pause veranstaltet Red Bull in diesem Jahr wieder die Flugrennserien Red Bull Air Race. Insgesamt acht weltweit ausgetragene Rennen sind dabei zu absolvieren. Die letzten beiden davon finden demnächst in Las Vegas/USA (11./12. Oktober) und Spielberg/Österreich (25./26. Oktober) statt. Das Air Race bietet spektakuläre Bilder vor oft traumhafter Kulisse. Kein Wunder, dass es unlängst auch für 4k-Testproduktionen ausgewählt wurde.

Die TV-Produktion der Rennserie wird im Auftrag des Red Bull Media House von den beiden eingespielten Partnern Euro TV aus Österreich und TVN MOBILE PRODUCTION aus Hannover realisiert. Bei der Standard-HD-Produktion kommt dabei die selbst entwickelte Flightcase-Regie TVN-MPE3HD zum Einsatz. Insgesamt 28 Kameras sind pro Rennen im Einsatz, darunter vier Drahtlos-ENG-Kameras, zwei im Eventbereich und zwei am Flughafen sowie die von Riedel bereitgestellten Mini-Kameras im Cockpit und am Heckflügel der Maschinen. Die Funkübertragung der Kamerasignale ebenso wie die gesamte Kommunikation und Datenübertragung wird mit Unterstützung von Riedel bewerkstelligt. Alle Kameras am Boden sind mit Glasfaser an zwei Regien angebunden. Eine Regie dient der TV-Übertragung und eine der Monitor-Bespielung im Event-Bereich. Am Hauptmischpult sitzt in der Regel Stefan Koch. Aber auch Volker Weikert war bei einigen Rennen wie dem in Ascot/London (16./17. August) als Regisseur im Einsatz. Für die Glasfaserverkabelung an den Rennstrecken und die Anbindung an die Flightcase-Regie und den jeweils vor Ort für die Event-Regie hinzu gemieteten Ü-Wagen zeichnet Euro TV verantwortlich.

TVN erledigt die gesamte TV-Produktion und sucht dabei ständig nach Möglichkeiten, die Rennen noch besser in Szene zu setzen. „Weitere Verbesserungen sind geplant. Wir sehen noch viel Entwicklungspotential in der Analyse, um die Unterschiede zwischen den Flügen besser sichtbar machen zu können. Dazu tüfteln wir gerade sehr viel mit 4k-Kameras“, erklärt Christoph Moll, TVN-Produktionsingenieur und Leiter Video, der auch die Flightcase-Regie TVN-MPE3HD maßgeblich mit konzipiert hat. „Wenn wir mit 4k-Kameras ein Bild zur Analyse festhalten, es automatisch tracken lassen und da rein zoomen, um die Flugmanöver der einzelnen Piloten zu vergleichen, optimieren wir am Ende auch die Qualität einer HD-Produktion. Die Grafik soll gleichzeitig zeigen, welcher Pilot sitzt in welcher Maschine und in welcher Zeit kommt er rein geflogen. Wir wollen den Wettbewerb für das Fernsehen interessanter machen, zeigen wo die Piloten Zeit liegen gelassen haben und dabei insgesamt mehr Spannung aufbauen“, betont er.

Bei der 4k-Testproduktion in Gdingen bei Danzig kamen fünf Sony F55-Kameras zum Einsatz. Die 4k-Signale wurden durch hochkonvertierte HD-Signale der HD-Kameras ergänzt. Mit einem Vizrt-System wurden dazu echte 4k-Grafiken erzeugt.

„Im Vergleich zum HD- bedeutet der 4k-Workflow grundsätzlich einen deutlich höheren Aufwand. Ein 4k-Signal muss schließlich über vier Videostrecken beziehungsweise über vier BNC-Kabel übertragen werden“, meint Moll. „Die vorausschauende Planung und die höheren Investitionskosten 2009 beim Umbau des TVN-Ü2 von SD auf HD haben uns heute allerdings die Möglichkeit gegeben, die 4k-Produktion ohne jegliche Hardware-Erweiterung oder -Änderung umzusetzen. Unser Ü2 ist ja komplett 3G-fähig und kann somit auch 4k-Signale aufzeichnen“, berichtet er.

Das 4k-Signal beim Red Bull Air Race in Gdingen wurden von der Kreuzschiene über den Mischer und Riedels Mediornet ins Set an Sony 4k 84 Zoll-Monitore im Race Club und in der Sky Lounge übergeben.

Im Ü-Wagen war ein Sony 65 Zoll 4K-Monitor aufgebaut, auf dem man das 4k-Signal mit dem bisherigen HD-Standardsignal vergleichen konnte. Mit zwei Sony-Servern (PWS 4400) wurden die 4k-Feeds unkompremiert aufgezeichnet, ebenso wie die hochkonvertierten HD-Signale der On-Board-Spezialkameras. Mit Hilfe von fünf EVS-Maschinen wurden die aufgezeichneten Daten parallel auf Festplatten gestreamt.

Der Mischer im Ü2 war mit dem für die Red Bull-Produktion zuständigen Mischer in der Flightcase-Regie verkoppelt. „Wenn wir was geschnitten haben, das nicht 4k war, dann ging das über Up-Converter auf den Mischer, um so dann ein durchgängiges 4k-Signal zu haben. Moll: „Das war zwar etwas geschummelt, sah aber trotzdem noch sehr gut aus. Die On-board-Spezialkameras sind halt noch nicht 4k-tauglich. Auch die Funktechnik ist noch nicht soweit, dass sie viermal 3G aus dem Flieger bei 350 km/h einfach rausblasen kann. Deswegen macht es Sinn, die Spezialkameras hoch zu bohren. Das sah aber auf Sonys 84 Zoll-Monitoren schon sehr gut aus.“

Für die Super-Zeitlupe beim Red Bull Air Race setzt TVN eine eigene NAC 2-Kamera von Ikegami ein. Bei den Rennserien in den letzten Jahren sorgte noch LMC mit dem Highspeed-Kamera-System Antelope für diese Bilder. Moll erklärt: „Die Ikegami NAC 2 macht zwar nur bis zu 1.000 Bilder pro Sekunde, aber das reicht auch für diese Sportart vollkommen aus. Und ich habe den Vorteil, dass ich live vom normalen Replay in Echtzeit einfach auf die 1.000-fach Geschwindigkeit bremsen, an die richtige Stelle heran fahren, dort langsam machen und dann wieder schneller werden kann. Bei LMC geht das nicht. Da wird die Slomo auf eine EVS ausgespielt und kann dann nur noch in einer Geschwindigkeit wiedergegeben werden. Man ist da also ziemlich festgelegt.“ TVN setzt bei der Produktion des Red Bull Air Race derzeit sechs XT3 EVS-Maschinen ein. Eine siebte soll demnächst dazu kommen. In Gdingen waren noch XT2 im Einsatz. In Ascot wurde dann umgestellt und sämtliche Clips, die man vorher schon gesammelt hatte, über Netzwerkverbindung auf die neuen XT3 überspielt. Der Wechsel von XT2 auf XT3 wurde laut Moll vollzogen, weil man mehr Festplatten-Kapazität und Ausspielkanäle benötigt.

Die 4k-Testproduktion in Gdingen war nach Angaben des TVN-Produktionsleiters ein Angebot seines Unternehmens an das Red Bull Media House, welches man dort gerne angenommen hat. „Red Bull ist sehr offen, was neue Technologien und Bildeindrücke angeht“, betont er. „Was die 4k-Zukunft betrifft, so gehen wir davon aus, dass man mit dieser Technik in Kombination mit der bisherigen Broadcast-Technik höher auflösendes Fernsehen mit bewältigen kann. Aber ich meine das Ende der Fahnenstange ist das ja nicht“, sagt Moll. So habe man in Gdingen zusammen mit Sony auch eine modifizierte F55 am Start gehabt, die 8k aufzeichnen konnte. Auch hiermit habe man erste Tests gemacht in Kombination mit speziell entwickelten neuen Optiken von Canon und Fujinon. Das 8k-Material hatte Sony ebenfalls auf der IBC in Amsterdam dabei.

Moll meint indes: „Auch 8k ist wohl noch nicht das Ende. Was ich so höre, ist es wohl erst 12k. Das wird man ganz gut komprimieren können. Aber solche Signale werden dann eben nicht mehr standardmäßig via HD SDI übertragen sondern auf irgendeiner Netzwerktechnologie. Dann braucht man eh neue Kameras, Bildsensoren und neue Signalübertragungswege. Ich glaube deshalb, dass 4k mehr oder weniger ein Zwischenschritt, ein Übergang ist, mit dem man schon mal ganz gute Erfahrungen sammeln kann.“ TVN werde deshalb auch nicht in einen dedizierten 4k-Ü-Wagen investieren. Stattdessen wolle man die Marktentwicklung weiter beobachten und die verfügbaren 4k-Systeme testen. „Wir haben die 4k-Kamera Sony F55 bei uns für EB-Geschichten. Den Live Adapter, die Anschlussplatte an der Seite, werden wir uns noch kaufen. Dann haben wir den Spielraum für EB und Live und können das unseren Kunden anbieten“, sagt er. Die neue Technik für die Broadcast-Zukunft, so der TVN-Produktionsleiter, habe die IBC 2014 präsentiert. Moll: „Dafür stehen nicht mehr eine normale Kreuzschiene, sondern vielmehr IP-Switche und -Netzwerke. Die Entwicklung geht da ganz woanders hin.“ Auch Sony, einer der wichtigsten Treiber der 4k-Entwicklung, hat das längst erkannt. Wie viele andere Hersteller auch hält sich das japanische Unternehmen alle Optionen für die ultrahochauflösende TV-Zukunft jenseits von 4k offen. Der neue Sony-Slogan heißt dann auch sehr vielversprechend „Beyond Definition“.

Eckhard Eckstein

MB 6/2014

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