Es wird nicht langweilig

Die Abschaltung der analogen TV-Übertragung via Satellit ist in der Nacht zum 30. April über die Bühne gegangen. in Deutschland kann Analog-TV seither nur noch im Kabelnetz empfangen werden. Mindestens zwölf Millionen TV-Haushalte nutzen es noch, nur rund 40 Prozent der Kunden greifen bislang auf das digitale TV-Programmangebot im Kabel zu. Um die analoge Übertragung zu gewährleisten, re-analogisieren die Kabelnetzbetreiber die digitalen Programme und speisen sie parallel zum digitalen Angebot weiter in die Netze ein. Was ist nun Stand der Dinge rund um die Digitalisierung der Kabelnetze und wie geht es in Zukunft weiter? Darüber sprach MEDIEN BULLETIN mit Dietmar Schickel, Tele Columbus-COO und Vorstandsmitglied des Kabelverbands ANGA.

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Es wird nicht langweilig

Herr Schickel, das analoge Satellitenfernsehen ist jetzt abgestellt. Hat mit der Re-Analogisierung der digitalen Signale für die Kabelnetze alles gut geklappt?

Ja, alle Maßnahmen der Re-Analogisierung haben sehr gut funktioniert. Das kann ich für alle Kabelnetzbetreiber bestätigen, weil wir uns gleich nach dem Switch off ausgetauscht und die Situation analysiert haben. Es gab so wenige und so marginale Problemfälle, dass sie nicht einmal erwähnenswert sind. Bei Tele Columbus sind wir besonders glücklich darüber, weil wir bislang 1,1 Millionen unserer insgesamt 2,1 Millionen Haushalte über ursprünglich rund 1.700 eigene Kopfstellen bedient haben. Von diesen konnten wir im Zuge der Re-Analogisierung rund 1.200 abbauen und alle anderen technisch umrüsten. Ein Prozess, den wir 2011 eingeleitet und pünktlich zum 30. April 2012 abgeschlossen haben – erfolgreich, wie wir jetzt wissen.

Wie hoch war der finanzielle Aufwand bei der Re-Analogisierung?

Die Re-Analogiisierung war mit erheblichen Investitionen verbunden. Die Kosten für die Wandlung der Programme bewegen sich pro Kopfstelle im zweistelligen Tausenderbereich.

Waren eigentlich ARD/ZDF und die privaten Sender, die auch vor dem 30. April analog und unverschlüsselt im Kabelnetz zu empfangen waren, einverstanden mit der Re-Analogisierung ihrer jetzt via Satellit ausschließlich digital verbreiteten Programme?

Einverstanden? Es ist ja im Interesse der Sender! Das Problem der Sender beim Switch off bestand darin, dass sie befürchten mussten, erhebliche Reichweite zu verlieren. Gerade im Kabel, wo die Mehrheit der Zuschauer noch die analoge Übertragung nutzt. Wenn man die heutigen Reichweiten analysiert, haben die Sender es im analogen Wettbewerb mit einem Verhältnis von 1 zu etwa 30 Sendern zu tun. Im digitalen Wettbewerb ist das Verhältnis 1 zu mindestens 100 und noch viel mehr Sendern. Je größer das Angebot ist, umso weniger Anteil entfällt auf jeden einzelnen Sender. Ein analoger Senderplatz ist also von Vorteil – und wir Kabelnetzbetreiber sind gerne bereit, hier eine Lösung zu bieten.

Der Senderwunsch war aber sicher nicht der Hauptgrund für die Re-Analogisierung?

Wir wollen keinen unserer Kunden zwingen, auf digitales Fernsehen umzusteigen. Es ist nicht zuletzt auch der maßgebliche Wunsch unserer wohnungswirtschaftlichen Partner, dass das einfache analoge Fernsehen zunächst einmal erhalten bleibt. Zum einen geht es darum, älteren Menschen, etwa Mietern in Mehrfamilienhäusern, die immer noch über ein Röhrengerät fernsehen, auch in Zukunft die Möglichkeit zu geben, selbst zu entscheiden, ob sie beim analogen Fernsehen bleiben oder auf das bessere digitale Fernsehen umsteigen wollen. Das analoge Fernsehen ist in der Nutzung ja relativ einfach – und hat in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern eine ziemlich hohe Bildqualität. Spätestens mit der Anschaffung eines modernen Flachbildschirms macht es natürlich Sinn, auf die bessere Bildqualität und größere Programmvielfalt der digitalen und hochauflösenden Welt zu wechseln, um die Möglichkeiten des Geräts auszuschöpfen. Aber auch Haushalte mit Flachbildschirm betreiben oft noch einen zweiten Anschluss, zum Beispiel im Büro, im Kinder- oder Schlafzimmer, wo dann der alte Röhrenfernseher steht. Hier ist das gewohnte analoge Signal immer noch gefragt – und über das Kabel auch erhältlich.

Nach von SES Astra und den Landesmedienanstalten vorgelegten Zahlen haben die Kabelnetzbetreiber im Vorfeld des Switch-off eine Menge Kunden an den Satelliten verloren. Der Satellit scheint hierzulande nach Jahrzehnten die Marktführung vom Kabel zu übernehmen. Besorgniserregend?

Ich bin entspannt. Die von SES Astra veröffentlichten Zahlen sind problematisch, weil hier viele Haushalte als Satellitenkunden gezählt werden, die eigentlich an Kabelanlagen hängen. Deswegen gibt es auch eine verdächtige Diskrepanz zu anderen, offiziellen Erhebungen. Natürlich werden auch Kabelnetze mit Quellsignalen vom Satellit betrieben. Aber deswegen sind die angeschlossenen Haushalte keine Satellitenhaushalte. Wir, Tele Columbus, nutzen beispielsweise für die TV-Programm-Versorgung eine Infrastruktur, die nicht wie bei Kabel Deutschland, Unitymedia oder Kabel BW auf dem alten Telekom-Netz basiert, das die Deutsche Bundespost vor Jahrzehnten aufgebaut hatte. Wir haben dagegen eigene Kopfstellen.
Wenn nun beispielsweise Kabel Deutschland einen Kunden an einen Wettbewerber verliert, sei es Tele Columbus, PrimaCom, Deutsche Telekabel oder einen kleinen Betreiber, dann ist in Kleinstnetzen nach der Zählweise von Astra nicht sicher, ob der Bestand wieder dem Kabel zugerechnet wird. Kleinere Anlagen werden einfach als Satellitenbestand gewertet, was nicht korrekt ist. Wohlgemerkt: Zwar ist jeder Einzelteilnehmer, der sich für Astra entscheidet, ein Satellitenkunde. Aber jeder Kabelnetzkunde, der an einem Kopfstellennetz hängt, ist kein Satellitenkunde, sondern ein Kabelkunde, obwohl jede Kopfstelle auf die Satelliten-Einspeisung zugreift. Das Kabel ist also nach wie vor der führende TV-Verbreitungsweg.
Klar verlieren wir auch den einen oder anderen Kunden an den Satelliten. Das ist aber nichts Neues, sondern herkömmlicher Wettbewerb. Und entscheidend ist vielmehr, dass wir in Bereichen stark wachsen, die Astra gar nicht abdecken kann: Internet und Telefonie. Immer mehr Wohnungsunternehmen entscheiden sich für die Fortführung der Kabelverträge, weil wir die gewohnt gute Fernsehversorgung mit der Erweiterung unseres digitalen Serviceangebots verbinden. Und der leistungsstarke Rückkanal macht ganz neue Medienanwendungen als nur das lineare Fernsehen möglich.

Jetzt ist das Kabelnetz in Deutschland die letzte analoge TV-Bastion und nur zu etwa 43 Prozent digitalisiert, meinen viele. Richtig?

Das ist eine völlig falsche Aussage. Richtig ist: Das Kabelnetz ist zu 100 Prozent digitalisiert, weil schon seit Jahren die digitale Fernsehwelt zur Verfügung steht! Die 43 Prozent, die Sie nennen, beziehen sich allein darauf, wie viele Kunden das digitale Angebot tatsächlich nutzen. Wir Kabelnetzbetreiber verfügen heute über das größte Spektrum im Distributionswettbewerb für Fernsehen. Allein wir haben die Infrastruktur, die es sich leisten kann, so viele Dienste parallel anbieten zu können: analoges, digitales und hochauflösendes Fernsehen sowie den Zugang zum Internet und die Möglichkeit, über Kabel zu telefonieren. Wer sich von heute auf morgen ausgehend vom analogen TV-Empfang entscheidet, via Kabelnetz neue digitale Service-Angebote in Anspruch zu nehmen, wird sofort bedient. Alle Dienste sind parallel im Kabelnetz mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten verfügbar.
Dadurch haben unsere Kunden etliche Vorteile. So können sie zum Beispiel alte und neue TV-Empfangsgeräte parallel in ihrer Wohnung nutzen. Und wir als Tele Columbus Gruppe haben seit dem Switch off zusätzlich ein schönes Alleinstellungsmerkmal: Wir sind der einzige große Kabelnetzbetreiber in Deutschland, der seinen Kunden die ganze Palette an neuen öffentlich-rechtlichen Programmen in HD-Qualität bereitstellt – und das unverschlüsselt und kostenlos.

Wie kommt es zu dem Tele Columbus-Alleinstellungsangebot?

Standard bei allen Kabelnetzbetreibern ist ja, dass wir die öffentlich-rechtlichen Programme im SD-Format kostenlos und unverschlüsselt zur Verfügung stellen. Wir können zusätzlich auch alle ARD und ZDF-Programme im HD-Bereich anbieten, weil unsere unabhängigen Netze, über die wir einen großen Teil unserer Kunden versorgen, durchgängig eine besonders große Bandbreite haben. Wir haben seit Jahren hybride Netze aufgebaut. Das heißt: Glasfasernetze in Verbindung mit Kupferkoaxialkabel in den Wohnanlagen, so dass wir über unsere eigenen Kopfstellen eine sehr große Bandbreite zur Verfügung stellen können. Der Kunde von Tele Columbus, der an so eine Kopfstelle angebunden ist, kann sowohl analoges als auch Fernsehen in HD-Qualität empfangen, wenn er über ein HD-Empfangsgerät verfügt. Dafür muss er kein Zusatzpaket von uns abonnieren, er braucht nicht einmal einen von uns gelieferten speziellen Receiver. Ein handelsüblicher HD-Receiver reicht für den Empfang aller öffentlich-rechtlichen HD-Programmangebote aus. Mit einem Gerät von Tele Columbus steht allerdings auch die ganze digitale Welt der privaten Sender offen. Und Tele Columbus gibt bereits seit dem Januar 2010 ohnehin nur noch HD-Receiver an Neukunden heraus. Das ist auch eine Besonderheit von Tele Columbus.

In den USA haben Kabelnetzbetreiber immer schon für die Einspeisung von TV-Programmen bezahlt und nicht umgekehrt. Erstmals will nun Unitymedia RTL für HD-Programme zahlen. Was bedeutet das für den Kabelmarkt? Eine Revolution?

Das ist keine Revolution. Wir wissen, dass der Aufwand zur Produktion von HD-Programmen relativ hoch ist. Deshalb wird es in Zukunft auch Modelle geben müssen, um zusätzliche Leistungen vergüten zu können.

Die digitalen Programme der privaten Fernsehsender RTL, ProSiebenSat.1 und andere sind bei Tele Columbus wie bei Kabel Deutschland grundverschlüsselt. Das heißt: man kann sie in digitaler Qualität nur empfangen, wenn man digitales Fernsehen als Paket mit zusätzlichen Kosten abonniert. Bleibt es bei der Grundverschlüsselung?

Unitymedia wird ab 2013 die Grundverschlüsselung einstellen – aber nicht aufgrund von technischer oder wirtschaftlicher Logik, sondern als Zugeständnis für die Übernahme von Kabel BW. Technisch betrachtet und auch im Interesse der Anwender wäre es eigentlich sinnvoll, den Kunden schon bei seinem Eintritt in die digitale Welt mit einem zukunftsfähigen, adressierbaren Endgerät auszustatten, das die Nutzung der gesamten digitalen Angebote ermöglicht. Das ist nur auf Basis einer Verschlüsselung machbar. Die Diskussion um die Verschlüsselung der Programme in digitaler Standardauflösung (SD) ist meines Erachtens völlig irrelevant – SD ist doch nur ein temporärer Übergangseffekt, der sich sehr schnell überlebt. Wichtig ist doch die Entwicklung hin zu HDTV. Und das hochauflösende Fernsehen wird jenseits der öffentlich-rechtlichen Angebote ohnehin nur noch verschlüsselt angeboten – ob per Satellit oder in Kabelhaushalten. Ich persönlich schätze, dass in vier Jahren HDTV der ausschließliche digitale Standard ist – neben 3D natürlich.

Bislang zahlen ARD/ZDF noch Einspeisungsgebühren ins Kabel in Höhe von jeweils 60 Millionen Euro jährlich, zumindest an Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW. Ab 2013 wollen sie nichts mehr für die Einspeisung zahlen. Netcologne und Wilhelm Tel klagen. Worum geht es?

Unternehmen wie Netcologne und Wilhelm Tel aber auch Tele Columbus haben niemals Einspeisungsgebühren seitens der öffentlich-rechtlichen Sender erhalten. Das heißt, kleinere Netzbetreiber wurden diskriminiert. Die Situation ist so, dass die Erben des alten Telekom-Netzes bislang Millionen kassiert haben, und die anderen Kabelnetzbetreiber trotz mehrfachen Protestes davon ausgeschlossen wurden – obwohl auch wir zur Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Programme über unsere eigene Infrastruktur beitragen. Wenn ARD/ZDF in Zukunft nichts mehr zahlen wollen, ist es toll für sie, es ändert aber nichts daran, dass kleinere Kabelnetzbetreiber in der
Vergangenheit diskriminiert worden sind. Natürlich ist auch nachvollziehbar, dass Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW keine Freude an der Ankündigung von ARD/ZDF haben, die Millionen nicht mehr zahlen zu wollen. Dennoch besteht von unserer Seite ein Anspruch darauf, was uns in den letzten Jahren verweigert worden ist.

Wie werden die Kombi-Angebote der Kabelnetzbetreiber zu Digitalfernsehen, Internet und Telefonie – Stichwort: Triple Play – von den Kunden angenommen? Und welche wirtschaftliche Relevanz haben sie mittlerweile für die Kabelbranche?

Dieser Markt wird nach wie vor von der Telekom dominiert. Kabelnetzbetreiber spielen demgegenüber noch nicht die ganz große Rolle. Aber auch für uns wächst der Markt in Millionen Größen. 55 bis 60 Prozent der Neukunden entscheiden sich heute für einen Internetzugang über das Kabelnetz. Das hören die DSL-Anbieter natürlich nicht gerne, aber es ist Fakt. Wirtschaftlich ist es für uns erst einmal notwendig, auch dieses Marktsegment abzudecken. Wir kommen aus einem Niedrig-Preis-Segment im TV-Empfang und erobern mit den Kombinationsangeboten ein höheres Preissegment. Das ist für jeden Kabelnetzbetreiber eine wichtige Entwicklung, an diesem Geschäft zu partizipieren. Bei der Telekom und anderen herkömmlichen DSL-Anbietern ist es umgekehrt: Sie kommen aus dem Hochpreissegment Telefonie und Internet und versuchen sich im Niedrig-Preissegment Fernsehen mit IPTV-Aktivtäten zu etablieren. Ein Zusammenwachsen der Märkte. Beide kämpfen. Das ist gut für den Kunden: Die Bandbreite geht rauf und die Preise gehen runter. Wir haben mittlerweile für Endkunden ein Angebot mit einer Geschwindigkeit von 128 Megabit für Preise, die früher für 256 Kilobit gezahlt wurden.

Die Elektronischen Programmführer (EPG) sind für den digitalen TV-Empfang extrem wichtig. Vom VPRT werden die uneinheitlichen EPG kritisiert. Ein Thema, das auch die Kabelnetzbetreiber berührt?

Wenn sich ein Tele Columbus-Kunde ein handelsübliches Empfangsgerät für digitales Fernsehen kauft, ist häufig bereits ein EPG vorinstalliert. Damit haben dann die Kabelnetzbetreiber nichts zu tun. Die Kritik des VPRT geht eher in die Richtung, auf welchen Plätzen die Sender in den EPG gelistet werden, so dass sie gefunden werden können – auch kleinere Sender sollen ja ihre Chance haben den Zuschauer zu erreichen.

Auf der ANGA Cable werden die neuen hybriden TV-Geräte – sprich SmartTV – und neue VoD-Plattformen thematisiert, die TV mit dem Internet verbinden. Haben die Kabelnetzbetreiber dafür schon eine Strategie entwickelt?

Selbstverständlich entwickeln wir Kabelnetzbetreiber Strategien. Bislang bieten wir eine Distributions-Infrastruktur an und paketieren Angebote. In Zukunft müssen wir damit rechnen, dass Angebote aus dem Internet zum Kunden weiter geleitet werden. Es müssen integrierte Modelle aufgesetzt werden, wie diese Angebote in Zukunft erfolgen können. Denn dafür braucht man entsprechende Bandbreite.
Nur wer als Konsument über einen Anschluss mit großem Datendurchsatz verfügt, kann über das Internet einen Film in HD-Qualität abrufen. Das führt uns zur Diskussion, wer in Zukunft für die Breitbandleistung zahlen soll. Jeder Kabelnetzbetreiber sieht diese Dinge kommen und ist sich bewusst, dass sie in Zukunft an Bedeutung zunehmen – es wird also nicht langweilig.
Die Verbindung von TV und Internet ist die Zukunft, die wir zu erwarten haben. Wir müssen uns damit offenen Auges auseinandersetzen. Verhindern, verweigern, verzögern ist keine Alternative. Es ist auch keine Zukunftsmusik, sondern bei jungen Konsumenten Realität. Zukunft, die schon heute passiert.

Wann wird denn nun analoges Fernsehen im Kabelnetz abgeschaltet?

Wenn die digitale Nutzung im Kabel eine maßgebliche Penetration von 80 bis 90 Prozent überschritten hat, wird sicherlich der Zeitpunkt kommen, über einen konzertierten Ausstieg aus der analogen Kabelverbreitung nachzudenken. Aber wir haben überhaupt keine Eile.

Erika Butzek
(MB 06/12)

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