Sie haben hier auf der NAB die Erweiterung des DVB-T Standards angekündigt. Der neue Standard soll DVB-T2 heißen. Warum dieser Schritt?
Vor dem Hintergrund der Abschaltung des analogen terrestrischen Fernsehens in einigen Ländern ab 2009 ist es wichtig, einen erweiterten DVB-T-Standard zu definieren. Den Sendern wollen wir damit ermöglichen, einen höheren wirtschaftlichen Nutzen aus den neuen technischen Gegebenheiten nach der Analog-Abschaltung zu ziehen.
Wann soll die neue Spezifikation stehen?
DVB-T2 soll im ersten Quartal 2008 fertig definiert sein, rechtzeitig, um entsprechende technische Systeme 2009 ausliefern zu können.
Welche Vorteile birgt der neue Standard?
Er wird vor allem eine höhere Effizienz bei der Realisierung von Multichannel-HDTV bieten. DVB-T2 wird zudem rückwärtskompatibel zu DVB-T sein, stationäre, portable und mobile Receiver unterstützen und 30 Prozent mehr Nutzlast-Kapazität haben als DVB-T. Der Standard soll zudem die Möglichkeit bieten, den Lateralabstand zwischen den Sendern in einem Single Frequency Network (SFN) um 30 Prozent zu optimieren.
Im Februar 2007 hat das DVB-Projektbüro mit DVB-SH bereits einen weiteren neuen DVB-Standard verkündet. Was verbirgt sich dahinter?
Der DVB-H-Standard – Digital-Video-Broadcasting- Handheld – wurde hauptsächlich für den UHF-Bereich entwickelt. Er ist aber auch im VHF- und im L-Band-Bereich einsetzbar. Als deutlich wurde, dass auch ein Frequenzspektrum im 2 GHz-, also im S-Band-Bereich, verfügbar wird, galt es für uns herauszufinden, ob DVB-H auch in dieser Umgebung funktioniert. Und das ist so. DVB-H kann im Prinzip in allen Frequenzbändern übertragen werden. Wir haben daher mit dem DVB-SH-System für das S-Band ein Äquivalent zu DVB-H entwickelt.
Wann geht es los mit DVB-SH?
Geplant ist, Mitte 2009 einen Satelliten zu starten. Das DVB-SH-Spektrum ist aber auch hybrid nutzbar, das heißt terrestrisch und via Satellit. Man kann also die Sender auf der gleichen Frequenz einsetzen und auch terrestrische Repeater einsetzen. Die Regeln für dieses hybride Satelliten-terrestrische Spektrum erlauben jedoch, dass der Einsatz der terrestrischen Repeater schon 18 Monate vor dem Start des Satelliten möglich ist. Also können wir bereits Ende des Jahres, vorausgesetzt die Lizenzen sind erteilt, mit dem terrestrischen Start von DVB-SH-Angeboten rechnen. Das DVB-SH-System erlaubt zwei Nutzungsmodi: ein Single-Carrier-System, ähnlich wie DVB-S2, und ein Multicarrier-System wie DVB-H. Interessanter ist natürlich, DVB-SH im Multicarrier-Modus zu starten. In dem Fall werden die Signale des Satelliten und des terrestrischen Netzwerkes auf einer Frequenz ausgestrahlt. Das Mobile-TV-Endgerät empfängt also sowohl über Satellit als auch Terrestrik die gleichen Services.
Ist auch DVB-H-Empfang mit den DVB-SH-Endgeräten möglich?
Das hängt von der Implementierung ab. Die S-Band-Frequenz liegt rund viermal höher als die UHF-Frequenz. Das Problem wird also sein, einen Tuner zu entwickeln, der in der Lage ist, die große Frequenz-Bandbreite zwischen S-Band und UHF zu bedienen.
Wo ist die DVB-SH-Nutzung sinnvoll?
Im Prinzip macht DVB-SH in allen Märkten Sinn, in denen S-Band-Spektrum verfügbar ist. Bei unseren SH-Aktivitäten mussten wir einige Bedenken zerstreuen, insbesondere in Bezug auf die Kosten des Netzaufbaus für das S-Band. Es ist ja nicht nur mit dem Start eines Satelliten getan. Der Einsatz von terrestrischen Repeatern kann sehr teuer werden. Wir haben unser SH-System deshalb so konzipiert, dass es nicht nur in 3G-Basisstationen integrierbar ist, sondern auch die gleichen 3G-Übertragunsantennen nutzen kann wie die 3G-Basisstationen. Die Topologie des Sendenetzes sollte daher keine zusätzlichen Investitionen erforderlich machen.
Die Netzaufbaukosten bei DVB-SH, so hört man, sollen deutlich unter denen bei DVB-H liegen. Stimmt das?
Es wird definitiv nicht billiger sein, ein DVB-SH-Netzwerk aufzubauen.
Aber ein Vorteil ist dann die europaweite Lizenzierung?
Im S-Band liegt die Frequenzerteilung in der Tat bei der EU. Bei anderen Bändern sind nationale Behörden zuständig, in Deutschland die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post – RegTP. Die regionale Lizenzierung von Programmen durch die Landesmedienanstalten bleibt davon jedoch unberührt. Also wird DVB-SH auch hier für keine wesentlichen Veränderungen sorgen.
DVB-SH wird als Einfallstor für Telekommunikationsunternehmen in die Broadcast-Welt gesehen…?
Das mag sein. Der Haupteinfluss auf DVB-SH kommt in der Tat aus der Richtung.
DVB-SH kann also durchaus in Konkurrenz zu DVB-H treten?
Wir wissen, dass es so gut wie unmöglich ist, eine europaweite Frequenz für DVB-H-Programme zu realisieren. Selbst landesweite DVB-H-Frequenzen sind in einigen Ländern nicht machbar. Es fehlen hier schlicht die Kapazitäten. Schließlich wird im Moment noch analoges und digitales Fernsehen parallel ausgestrahlt. Das UHF-Spektrum ist randvoll. Wegen der herrschenden Frequenz-Knappheit sind wir beim DVB-Projekt der Ansicht, dass es Sinn macht, die Mobile-TV-Entwicklung auch in anderen Frequenzbereichen zu forcieren. Das S-Band steht zur Verfügung, und deshalb haben wir ein System dafür entwickelt. Wer es aber dann bedient, die Services dafür kreiert und wie es in die Empfanggeräte integriert wird, das ist außerhalb unserer Zuständigkeit. Wichtig für uns ist, dass wir die Erfordernisse des Marktes adressieren und eine Plattform haben, auf der wir gemeinsame Synergien von DVB-H und DVB-SH nutzen können. Wenn ich DVB-H-Dienste über DVB-SH liefern will oder umgekehrt, ist der Großteil der eingesetzten Software identisch.
Unterstützt das aber nicht ein Stück weit die Fragmentierung des Mobile-TV-Marktes?
Nein. Eine Fragmentierung des Marktes geschieht eher durch die Allianzbildung verschiedener Gruppen, die eigene Systeme entwickeln und versuchen, diese zu verkaufen. Insbesondere in den USA bedeutet das ein Versagen der Standardisierungs-Gruppen. Sie sind hier unfähig, die Erfordernisse marktgerecht zu formulieren. Die 1983 gegründete Standardisierungsgruppe ATSC – Advanced Television Systems Committee – hat es bis heute nicht geschafft, die Standardisierungsprobleme in den Staaten zu lösen. Man weiß, dass Mobile-TV ein Schlüsselfaktor für innovative Marktentwicklung ist. Unterschiedliche Vorgehensweisen sind hier wenig zweckdienlich. Das sorgt für Defragmentierung des Marktes auf lange Sicht. Statt ein eigenes System für Mobile-TV zu entwickeln, sollte die ATSC lieber mal vorhandene technische Lösungen und Gelegenheiten prüfen. Es bringt nichts, wenn mit dem geplanten ATSC M/H ein System kommt, das komplett unterschiedlich zu DVB-H ist und keinerlei technische Synergien bietet. Alle Initiativen für Mobile-TV in den USA finden derzeit außerhalb der Standardisierungsorganisationen statt.
Qualcom ist kein Standard und wird auch keiner werden. Dann gibt es die mph-Gruppe mit Harris, dann die Samsung/Rohde+Schwarz-Gruppe und weitere. Keine dieser Initiative hat bislang Rückendeckung einer anerkannten Standardisierungsgruppe erhalten. Anwender der Technologien der genanten Gruppen haben deshalb auch keinerlei Garantie dafür, dass ihre Investitionen zukunftssicher sind. Unsere Strategie ist es hingegen, Plattformen zu bauen, die durchgängig sind und wie bei DVB-H und DVB-SH auch die gleichen Services nutzen können. Wir versuchen dabei immer, die vorhandenen technologischen Standards den neuen kommerziellen Anforderungen anzupassen. Gutes Beispiel dafür ist jetzt wieder DVB-T2. Damit bekommen wir nicht nur eine bessere Technologie, sondern auch die beste Lösung für die analoge Abschaltung. Die Broadcastgemeinde braucht die bestmöglichen Tools für die Umschaltung und muss motiviert werden, sich mit DVB für die Nutzung des verfügbaren Frequenz-Spektrums zu engagieren. Das wird ja auch von den Mobile-TV-Anbietern, die MediaFlo oder T-DMB nutzen, gefordert. Nach der analogen Abschaltung wird es schließlich einen heftigen Wettbewerb geben.
Gibt es zur NAB weitere News vom DVB-Projekt?
Wir stellen hier auch ein hierarchisches Modulationsschema für DVB-T vor, welches im gleichen 6 MHz-Kanal den Einsatz eines zusätzlichen DVB-H Service neben einem HDTV DVB-T-Service erlaubt. Das zeigt, dass die Koexistenz eines 13,8 Mbit/s HDTV-Signals und eines 5,5 Mbit/s DVB-H-Signals in einem 19,3 Mbit/s Multiplex möglich ist. Durch die Nutzung der hierarchischen Modulation wird der DVB-H-Stream quasi als Service mit hoher Priorität eingelagert in einem DVB-T-Stream mit niedriger Priorität. Empfänger mit guten Empfangsvoraussetzungen können sowohl das DVB-H- als auch das DVB-T-Signal empfangen, Empfänger mit geringeren Empfangsvoraussetzungen hingegen nur das robustere DVB-H-Signal.
Wie ist die Mobile-TV-Resonanz auf der NAB?
Wir verzeichnen ein überwältigendes Interesse an mobilem Fernsehen. Dabei ist es eine Schande, dass die Markteinführung hier in den USA auf einem so fragmentierten Markt passieren muss. Trotzdem glauben viele an Mobile-TV. Deshalb gibt es hier auf der NAB 2007 auch so viele Produkte, Systeme und Services zum Thema zu sehen.
Eckhard Eckstein (MB 06/07)
Höherer wirtschaftlicher Nutzen
Auf der NAB 2007 war die Einführung neuer digitaler Standards für Mobiles Fernsehen ein wichtiges Thema. MEDIEN BULLETIN sprach mit Peter MacAvock, Executive Director des DVB-(Digital-Video-Broadcasting)-Projektbüros, über die aktuelle Entwicklung in Europa und den USA.