Von Paris aus fährt man eine gute Stunde Richtung Südwesten bis man in sehr ländlicher Umgebung auf Rambouillet trifft. Die dortige Satelliten-Bodenstation, umgeben von weiten Getreidefeldern, ist durch Videoüberwachung und hohe, stacheldrahtbewährte Zäune gut gesichert. Sie wurde in den 60er Jahren von der France Telecom gebaut und 2004 von Eutelsat komplett übernommen, nachdem der Satellitenbetreiber sie schon zuvor als Teleport genutzt hatte und dort eine Infrastruktur mit Satellitenkontroll-, Test- und Überwachungsanlagen sowie schlüsselfertigen Lösungen für Breitband- und mobile Dienste aufgebaut hatte. Bei Übernahme der Anlage von der France Telekom waren auf dem Gelände 35 Satellitenschüsseln aufgebaut. Heute sind es 200. Auch die Zahl der Mitarbeiter ist deutlich gestiegen. Auch sie liegt heute bei rund 200.
Eutelsat wurde 1977 als internationale Organisation gegründete, startete 1983 seinen ersten TV-Satelliten, wurde 2001 zum Privatunternehmen, ging 2005 an die Börse und zählt heute zu den wichtigsten Satellitenbetreibern weltweit. Über seine 39 geostationären Satelliten, knapp 36.000 Kilometer von der Erde entfernt, verbreitet Eutelsat derzeit über 6.000 TV-Kanäle, darunter 800 in High Definition (HD) und fünf in UltraHD. Dazu kommen über 1.250 Radiokanäle sowie satellitengestützte Breitbandanbindungen über KA-SAT für Privat-und Geschäftskunden, professionelle Datendienste und Services für IP Video-Zuspielungen mit kleinen, mobilen Anlagen (NewsSpotter und andere Dienste). Das Unternehmen hat in 37 Ländern über 1.000 Mitarbeiter und verzeichnete im Fiskaljahr 2015/2016 konsolidierte Einnahmen von mehr als 1,5 Milliarden Euro.
Zu den Kunden von Eutelsat zählen neben TV-Sendern Telekom-Operator, Internet-Service-Provider, Rundfunk-Organisationen, Pay-TV-Plattformbetreiber, Daten- und Internet-Service Provider und Regierungsorganisationen. 64 Prozent der Satelliten-Kapazitäten von Eutelsat werden für die Videoübertragung genutzt, 23 Prozent für Daten und Breitband-Anwendungen sowie 13 Prozent für Services für Regierungsorganisation. Laut Petra Konrad, Senior Director Video & Broadcast DACH bei Eutelsat, erreichen die Eutelsat-Satelliten heute 274 Millionen TV-Haushalte. Dies entspreche circa einer Milliarde Menschen. Unterstützung erhält Eutelsat bei seinen Dienstleistungen von 60 Teleport-Partnern und 20 Regionalbüros weltweit. Bis zum Jahr 2019 sollen nun vier weitere Satelliten gestartet werden.
Von der Planung bis zum Start eines Satelliten vergehen in der Regel bis zu fünf Jahre. Die Kosten eines Rundfunk-Satelliten, einschließlich des Starts, liegen bei etwa 300 Millionen Euro. Allein 50 Millionen davon kassiert die Versicherung. Es ist ein sehr aufwändiges Prozedere, Satelliten exakt auf eine geostationäre Umlaufbahn zu bringen, auf der sie mit einer Eigengeschwindigkeit von 3,07 km/s der Erddrehung folgen und so immer über einem fixen Punkt der Erde bleiben und eine konstante Ausleuchtzone, auch Footprint genannt, ermöglichen. Bis ein Satellit in den operativen Betrieb genommen werden kann sind drei bis vier Monate lang intensive Tests nötig. „Und auch im Betrieb befindlich muss er rund um die Uhr überwacht und alle zwei Wochen seine Orbitalposition neu justiert werden“, erklärt José Sanchez Ruiz, Direktor Service Operations bei Eutelsat. Neben Rambouillet verfügt Eutelsat auch über eigene Bodenstationen in Cagliari auf Sardinien, im italienischen Turin, auf Madeira und in Mexiko (Hermosillo und Itztapalapa). Die Teleports in Madeira und Mexiko sind für Satelliten-Kontrolle und Payload Monitoring ausgerüstet, der Teleport Turin für Value Added Services (Breitband) und der Teleport Cagliari für Managed Services, Value Added Services und Payload Monitoring. Die italienischen Teleports sind klar auf Breitband-Services fokussiert. Dazu verfügt Eutelsat über 60 zertifizierte Partner-Teleports, von denen aus man auch operieren kann. Das Herz von Eutelsat in Sachen Technik und Service schlägt aber ganz klar in Paris-Rambouillet. Dieser Teleport verfügt auch über die notwendige Technik, Satelliten nach erfolgreichen Starts im Orbit zu positionieren, Flugmanöver auszuführen und die Einheiten auf ihren Positionen zu halten. In Rambouillet befinden sich der LEOP-Kontrollraum (LEOP = Launch and Early Orbit Phase), von dem aus die Starts neuer Satelliten begleitet werden, der Satelliten-Kontrollraum (SCC), Testeinrichtungen mit Hochpräzisionsantennen für C-, KU- und Ka-Band, das Back-up-Satelliten-Kontrollzentrum und alle Serviceeinrichtungen für die Programmverbreitung. Dazu zählen unter anderem das Communication Systems Control Center (CSC), das Network Operations Centre (NOC) für IP-Services, der große Antennen-Park für C Ku-Band (DBS (Direct Broadcasting Satellit) und Ka-Band mit bereits erwähnten 200 Antennenschüsseln, Video- und Daten-Plattformen, HTS-Gateways, Antennen- und Equipment-Hosting sowie die Verbindung zu Glasfaser-Netzwerken, Data Center und zum Teleport-Netzwerk. Außerdem ist hier ein sogenannter Traffic Room, ausgestattet mit Servern, Encodern, Multiplexer, Prozessoren und Modems, um alle gewünschten Übertragungsservices realisieren zu können, sowie ein Testlabor, indem alle Signale validiert werden können, bevor sie via Satellit übertragen werden. Über diesen Traffic Room liefen auch die sieben 4k-Sendungen, die der italienische Sender RAI zur UEFA Euro 2016 übertragen hat. Die dabei von 14 UHD/4k-Kameras aufgezeichneten Bilder wurden zum Internationalen Broadcasting Center (IBC) in Paris weitergeleitet und von dort zum Eutelsat Teleport Rambouillet. Hier hatte die Rai vorübergehend ein kleines Studio eingerichtet, um den Bildern Live-Kommentare hinzu zu fügen. Der spezielle Rai-4k-Kanal wurde anschließend verschlüsselt und über einen Uplink zu den Eutelsat HOT BIRD Satelliten gesendet.
Rambouillet ist laut Eutelsat als zentraler Teleport-Standort sehr geeignet, weil er sich auf dem flachen Land ohne natürliche Hindernisse befindet, gute Sichtbarkeit des geostationären Bogens von 67 Grad West bis 70 Grad Ost gewährleistet, und entfernt von möglichen Interferenz-Quellen liegt. Für Letzteres sorgt die französische Frequenzbehörde ANFR (L’Agence nationale des fréquences). Funk-Sendemasten werden in der Gegend nicht genehmigt. Das 96 Hektar große Gelände von Rambouillet, zehn Hektar davon sind besonders gesichert, liegt zudem genau auf der Grenze zweier französischer Gemeinden. Das hat den Vorteil, das von zwei Seiten aus eine getrennte Stromversorgung genutzt werden kann. Vier 1250 kVA Diesel-Generatoren bieten zudem 20 Tage lang eine autonome Stromversorgung. Auch zwei redundante UPS-Systeme (960 kVA + 640 kVA) stehen in Rambouillet zur Verfügung.
Rambouillet leistet neben Payload Monitoring, Satelliten-Kontrolle, IOT, LEOP, Managed und Value Added Services auch rund um die Uhr technischen Kunden-Support. „In unserem Callcenter laufen täglich um die 300 Kunden-Anrufe ein. Bei besonderen Events wie der UEFA Euro können es auch schon mal 800 sein. Dazu kommen täglich 500 bis 600 E-Mails mit Kundenanfragen. Bei uns geschieht also auch sehr viel Request Fulfillment“, erklärt Andreas Voigt, Communications Systems Manager beim Teleport Rambouillet. „Wir sind in der Lage, sehr flexible Services für alle Kundenanforderungen bereit zu stellen“, betont er. Sehr hilfreich dabei sei die vorhandene Organisation mit einem sehr kompetenten Team, mit robuster Infrastruktur und qualitativ hochwertigen Prozessen.
Das hat im Juni des Jahres auch World Teleport Association (WTA) bestätigt. Sie hat dem Eutelsat-Teleport Rambouillet die vollständige Tier 4 Zertifizierung im Rahmen des WTA Teleport Certification Programms verliehen. Tier 4 ist die höchste von vier Qualitätsstufen und Rambouillet ist der erste Teleport weltweit, der dieses Zertifizierungsniveau erreicht hat.
Zum Zertifizierungsprogramm gehört eine strenge Bewertung der Teleport-Einrichtungen, Technologien und Betriebsabläufe, die gemeinsam die Grundlage für die Qualität der erbrachten Dienste bilden. Das Programm beginnt, wenn der Teleportbetreiber einen umfangreichen Fragebogen mit mehr als 170 Fragen über die Geschäftskontinuität, Übertragungsketten, satellitengestützte und terrestrische Konnektivität, Sicherheit einschließlich Cyper-Security und das Network Operation Center ausgefüllt hat. Verfahrensfragen untersuchen das Satelliten- und terrestrische Kapazitätsmanagement, die Kontinuität der Dienste, physische und Cyber-Security Prozesse und das Change Management.
„Das Erreichen der Tier-4 WTA Zertifizierung ist eine neue internationale Anerkennung der Kundenservice-Standards von Eutelsat und ergänzt unsere ISO 9001 und ISO 27001 Zertifizierungen. Der Erhalt dieses höchsten Zertifizierungsgrades ist ein Beleg für den Einsatz unserer Teams für den höchsten Qualitätsservice für unsere Kunden und die bemerkenswerte Leistung unserer Einrichtungen am Teleport Paris-Rambouillet hinsichtlich Infrastruktur, Sicherheit und Betriebsabläufen“, erklärt José Sanchez Ruiz. Das Teleport Zertifizierungsprogramm der WTA soll Teleportbetreibern durch das Schaffen einer zielgerichteten, transparenten und international anerkannten Methode dabei unterstützen, die Qualität ihres Betriebs für Kunden und strategische Partner zu dokumentieren. Zugleich erhalten Kunden ein Mittel an die Hand, den geeigneten Teleportanbieter hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses für die eigenen Anwendungen auszuwählen.
Derweil laufen Eutelsats TV-Geschäfte in Deutschland, insbesondere über HOT BIRD (13° Ost) und EUTELSAT E9B (9° Ost), gut. Diese Satelliten dienen der TV-Zuführungen für Kabelnetze (M7,Telecolumbus), der Video-Kontribution (ZDF, Sky Deutschland, RBB, Media Broadcast…) und dem Direktempfang fremdsprachiger TV-Programme. Zur ANGA COM 2016 in Köln hat Eutelsat erste Ergebnisse der Reichweitenstudie „Eutelsat TV Observatory 2016“ für den deutschen Markt vorgestellt. Sie belegen für den Zeitraum 2014 bis 2016 signifikantes Wachstum für die Eutelsat Schlüsselposition HOT BIRD mit einem Anstieg beim Direktempfang von 30 Prozent auf 3,1 Millionen TV-Haushalte. Zwischen Frühjahr 2014 und 2016 konnte die Position HOT BIRD von 2,4 auf über 3,1 Millionen direkt empfangende Haushalte zulegen. Neun von zehn dieser Direktempfangshaushalte sind bereits mit HD-Fernsehern ausgestattet und bilden damit die Basis für weiteres starkes Wachstum Bei HDTV. Darüber hinaus kommt HOT BIRD bei den Kabelnetzen auf eine Penetration von 95 Prozent und bei IP-Netzen von 100 Prozent. Insgesamt haben damit 21,5 Millionen beziehungsweise 53 Prozent aller 40,1 Millionen deutscher TV-Haushalte Zugang zu dieser Eutelsat-Premiumposition. Für die steigende Beliebtheit von HOT BIRD sorgt nach eigenen Angaben vor allem die Sprachenvielfalt der rund 400 frei-empfangbaren TV-Sender auf dieser Position. Diese bedienen die hohe Nachfrage insbesondere nach Programmen in Englisch, Russisch, Polnisch, Arabisch, Türkisch, Französisch und Farsi. Darüber hinaus gibt es ein wachsendes Angebot an Sendern aus dem asiatischen Sprachraum. Die zweite wichtige Eutelsat-Position 9° Ost mit dem Satelliten EUTELSAT 9B legte in den beiden vergangenen Jahren um 20 Prozent zu und erreicht 4,7 Millionen Haushalte via Antenne direkt oder über Kabel- und IP- Netze. EUTELSAT 9B von M7 Deutschland und vielen Kabel- und IP-Netzbetreibern genutzt. Markus Fritz, SVP Commercial Development und Marketing, erklärt: „Eutelsat transportiert heute die meisten DTH-Plattformen weltweit, mehr als die beiden großen Mitbewerber SES und INTELSAT.“ 50 der gegenwärtig on air befindlichen 155 Pay-TV-Plattformen würden über Eutelsat verbreitet. Seit 2012 sei die Zahl der Plattformen auf Eutelsat damit um 30 Prozent gestiegen. Fritz betont auch die weiterhin wachsende Bedeutung der Satelliten als Schlüsselinfrastruktur für Entertainment, Information und Kommunikation. Er geht davon aus, dass in den kommenden fünf Jahren über 440 Millionen Haushalte via Satellit mit Programmen und Services versorgt werden können. Das wären 80 Millionen Haushalte mehr als heute.
Und weil die Satelliten eine so wichtige Rolle für die Medienwelt spielen, will man das auch in Paris-Rambouillet dokumentieren. Unter einer großen Antennenanlage, die als Monument aus frühen Satelliten-Tagen erhalten bleiben soll, wird gerade ein Besucherzentrum eingerichtet, dass die Geschichte des Teleports erzählen soll.
Eckhard Eckstein
© Eutelsat Philippe Stroppa
MB 3/2016