Die perfekte Illusion von 3D

Die US-Firma In-Three, die mit ihrem KonvertierungsVerfahren „Dimensionalization“ (DZN) bereits „G-Force“, „Alice im Wunderland“ und 25 Szenen von „Avatar“ von 2D in 3D umgewandelt hat, kann angesichts des anhaltenden 3D-Booms reichlich zu tun. George Lucas will ab 2012 alle sechs „Star Wars“-Episoden in 3D ins Kino bringen. Und „Avatar“-Regisseur James Cameron plant, den Film „Titanic“ im April 2012 zum 100. Jahrestag des TITANIC-Untergangs in 3D zu präsentieren. Um die wachsende Nachfrage nach 3D-Konvertierungen bedienen zu können, kooperiert In-Three mit Reliance MediaWorks, einer Tochter des indischen Medienkonzerns Reliance Big Pictures. MEDIEN BULLETIN sprach mit Damian Wader, In-Three Vice President of Business Development, über die 3D-Konvertierung von Kinofilmen.

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Die perfekte Illusion von 3D

Wie erfolgt die Umwandlung eines 2D-Kinofilms in Stereo3D?

Die 3D-Konvertierung ist im Prinzip ein dreistufiger Prozess. Im ersten Schritt werden die einzelnen Objekte definiert, denen eine besondere Tiefe, Schattierung und Perspektive verliehen werden soll. Wenn dieses Keyframing erfolgt ist, errechnet unsere Software die Algorithmen für diese drei spezifischen Bereiche und kreiert anhand einzelner Frames die Tiefe. Die Keyframes dienen unserer Software als Basis, um die Werte für die gesamte Einstellung auszurechnen. Wir schauen uns diese Einstellung gemeinsam mit unseren Digital Artists an und nehmen das Tracking für die Rotoskopie manuell vor, um sicherzustellen, dass alles richtig ist.
Mit unserer Software haben wir die Pixel in bestimmten Bereichen ausgedehnt und Oberflächen zum Vorschein gebracht, die es vorher nicht gab, weil die Kamera sie nicht aufgenommen hat. Wir müssen diese durch echte Bilddaten ersetzen, indem wir Bilddaten aus einem anderen Teil der Sequenz kopieren und sie in diese Bereiche implementieren. In den Fällen, wo keine Bilddaten vorhanden sind, wird alles komplett neu eingezeichnet. Durch die Erstellung von zwei Einzelbildern, der 3D-Konvertierung, entsteht die Illusion von 3D.

Wann wurde diese Software entwickelt?

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Die Software ist 2000 entwickelt worden, als unser Konzept für die 3D-Konvertierung stand. Wir haben über einen Zeitraum von fünf Jahren permanent Tests vorgenommen, um diesen Prozess noch zu verfeinern und effizienter zu gestalten, damit er kommerziell für die Branche einsetzbar ist. Der gesamte Ablauf hat sich seitdem kaum verändert, nur die Effizienz ist deutlich höher, weil ein Teil davon automatisch erfolgt. Wir haben dieses 3D-Konvertierungsverfahren
erstmals 2005 anhand von „Star Wars“-Material auf der ShoWest Convention präsentiert. Seitdem haben wir weiter an der Entwicklung gearbeitet und Filme wie „G Force“ und „Alice im Wunderland“ in 3D umgewandelt.

Bei der 3D-Konvertierung gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede. Was sind dabei die Schlüsselelemente?

Wir haben die Bezeichnung „Dimensionalization“(DZN) als unsere Marke schützen lassen, weil unsere Art der Konvertierung ein ganz anderes Verfahren darstellt als die anderen Vorgehensweisen. Bei den Filmen, die in sehr kurzer Zeit in 3D konvertiert werden, erfolgt die komplette Umwandlung in einem automatischen Prozess. Dadurch werden zwar einige Anforderungen erfüllt, aber in künstlerischer Hinsicht löst das nicht alle Probleme. Es ist ein zentraler Unterschied, ob ein Digital Artist die Tiefe eines Objektes definiert oder diese automatisch durch einen Algorithmus berechnet wird. Zudem muss das Verhältnis der Parallaxe definiert werden, weil dadurch schädliche 3D-Effekte entstehen können, die das Auge des Betrachters irritieren und zu Kopfschmerzen führen. Mit diesen Punkten muss sich ein Experte auseinandersetzen. Darüber hinaus gibt es bestimmte Elemente wie Rauch oder Regen, die nicht einfach von einem Algorithmus generiert werden können, sondern eine spezielle Bearbeitung erfordern. Bei der automatischen
Konvertierung wird diesen Objekten keine Dimension verliehen, sondern sie geraten praktisch in den Hintergrund. Aufgrund der großen Nachfrage nach Stereo3D, der 3D-Konvertierung sowie dem Druck, diese Leistungen zu einem möglichst niedrigen Preis anzubieten, sind einige Firmen dazu bereit, die Konvertierung komplett automatisiert vorzunehmen, um diesen Auftrag zu erhalten.

Wir haben die 3D-Konvertierung in den letzten zehn Jahren immer weiter optimiert und in Zusammenarbeit mit den Studios getestet. Daher wissen wir, welche Qualität Hollywood im Kino anbieten will. Damit haben wir einen bestimmten Standard gesetzt, unter dessen Niveau wir uns nicht begeben. Eine gute 3D-Konvertierung erfordert ein bestimmtes Budget an Zeit und Geld, weil die Umsetzung sehr viel Bearbeitungszeit erfordert. Wenn dabei an allen Ecken und Enden gespart wird, schadet das dem Film.

Wie kalkulieren Sie, wie lange die 3D-Konversion dauert?

Da wir schon lange in diesem Bereich tätig sind, sind wir mit der ganzen Bandbreite der möglichen Einstellungen vertraut und wissen, wie lange die Bearbeitung dauert. Wir können genau aufschlüsseln, wie viele Stunden Bearbeitungszeit eine Einstellung in Anspruch nimmt. Bei der Erstellung des
Zeitplans kalkulieren wir stets vier Überarbeitungen sowie vier weitere Anforderungen ein. Pro Einstellung rechnen wir im Schnitt mit acht bis zehn Wochen Bearbeitungszeit. Einige Einstellungen dauern nur ein, zwei Wochen, für andere sind zehn Wochen erforderlich. Die gesamte 3D-Umwandlung eines Spielfilms nimmt vom Anfang bis zum Ende etwa 20 bis 24 Wochen in Anspruch. Wir können bereits parallel zur Produktion damit beginnen. Wenn eine Live-Action-Einstellung gedreht wird, arbeiten wir schon daran, bevor die CGI-Shots dafür vorliegen. Für die 3D-Konversion der fertigen Einstellungen inklusive aller CGI-Effekte kalkulieren wir rund zwölf Wochen Bearbeitungszeit.

Was kostet die 3D-Konvertierung?

Die Kosten für die 3D-Konvertierung liegen bei 80.000 bis 100.000 Dollar pro Minute. Um einen kompletten Film in 3D umzuwandeln, muss ein Produzent rund acht bis zehn Millionen Dollar investieren.

Wie viele Mitarbeiter werden für die 3D-Konvertierung eines Spielfilms benötigt?

An „G-Force“ waren rund 80 Mitarbeiter beteiligt, bei „Alice im Wunderland“ bestand unser Team aus 65 Digital Artists. In beiden Fällen haben wir allerdings nur bestimmte Sequenzen des Films in 3D konvertiert. Für die Dimensionalization eines hundertminütigen Spielfilms brauchen wir 250 bis 300 Mitarbeiter.

Wie wird dabei der Workflow strukturiert?

Alle zentralen Schlüsselarbeiten erfolgen bei uns in Westlake Village in Los Angeles. Dort werden die Keyframes hergestellt und auch die Qualitätskontrolle vorgenommen. Im Studio in Mumbai wird die Arbeit in verschiedene Ressorts verteilt.
Eine Abteilung kümmert sich zum Beispiel nur um das Depth Grading, mit dem die Verteilung der Objekte im Raum und damit die Tiefenwirkung einer Szene gesteuert wird. In einer anderen Abteilung erfolgt das In-Painting, bei dem fehlende Bildelemente rekreiert werden. Darüber hinaus besitzen wir kleinere Spezialisten-Teams, um sehr spezifische Anforderungen bei der Konvertierung zu lösen.

Wird durch Ihr Joint Venture mit Reliance MediaWorks auch die Umwandlung alter Spielfilme erleichtert?

Diese Kooperation ermöglicht es uns, den gesamten Arbeitsanfall zu bewältigen, der bei den Umwandlungsprozessen entsteht. Ein Nebeneffekt der Zusammenarbeit mit einer Firma wie Reliance MediaWorks ist, dass sie mit Lowry Digital über eines der weltweit profiliertesten Filmrestaurationsstudios verfügt. Dadurch können wir unseren Kunden anbieten, mit unserem Team nicht nur ihre Filmstaffel digital zu restaurieren, sondern diese zugleich in 3D umzuwandeln. Dabei kommt uns zugute, dass Lowry Digital für die Filmrestaurierung seine eigene Softwarelösung entwickelt hat. Einige dieser Algorithmen, die sie dafür benutzen, können auch für unser Verfahren durchaus nützlich sein. Insofern ist unsere Kooperation nicht ausschließlich ergebnisorientiert, sondern wir suchen auch gemeinsam nach kosteneffektiven und effizienten Lösungen für unsere Arbeitsprozesse. Aus unserer Zusammenarbeit mit Reliance MediaWorks resultieren insofern echte Synergieeffekte.

3D-Filmproduktionen erfordert eine andere Art des Storytellings. Wie sieht dabei Ihre Zusammenarbeit mit dem Regisseur aus?

Bei neuen Filmprojekten hoffen wir, dass uns der Regisseur frühzeitig in die Entwicklung mit einbindet, damit wir ihn bei seiner Konzeption beraten können, was in 3D funktioniert. Dazu gehört, dass wir auch beim Dreh am Set dabei sind. Bei einem 3D-Filmprojekt zielt unser Ansatz darauf ab, die kreative Vision herauszuarbeiten und zu unterstreichen. Wir möchten nicht, dass die 3D-Effekte von der Geschichte ablenken, denn das Storytelling ist bei einem Film das Wichtigste. Daher stehen wir dem Regisseur beratend zur Seite und versuchen, ihm dabei zu helfen, seine Vorstellungen soweit wie möglich umzusetzen.
Bei der 3D-Umwandlung von älteren Filmen kommt es hingegen vor, dass der Regisseur nicht mehr verfügbar ist. In dem Fall kommt dem Stereographen die zentrale Schlüsselrolle zu, die kreative Leitung zu übernehmen.
Es ist natürlich auch möglich, dass der Filmregisseur mit einem Stereographen ähnlich eng zusammenarbeitet wie mit seinem Kameramann. Der Stereograph ist stets bemüht, die entsprechende Vision eines Regisseurs umzusetzen. Wenn ein Regisseur bestimmte Anforderungen hat, erklärt der Stereograph ihm, ob und auf welche Weise sich diese realisieren lassen.

Mit dem Stereographen ist ein ganz neues Berufsbild entstanden. Aus welchen Bereichen kommen die Stereographen, woraus resultiert ihre 3D-Expertise und
wie sieht ihre Ausbildung künftig aus?

Bisher gibt es erst eine Handvoll von Stereographen, die 3D richtig verstehen und bereits durch zahlreiche Projekte über eine entsprechende Erfahrung verfügen wie zum Beispiel Rob Engle von Sony ImageWorks. Wir verfügen mit Willem Drees über unseren eigenen Stereographen, der bereits seit fünf Jahren für uns tätig ist. Es gibt diverse 3D-Experten, die sich seit Jahren mit dieser Thematik beschäftigen, aber viele Stereographen müssen ihr Know-how zunächst in Firmen wie der unsrigen erlernen. Wir bilden eine Reihe von Mitarbeitern gezielt für das Fachgebiet 3D und Stereographie aus. Viele talentierte Stereographen, die in Zukunft gefragt sein werden, kommen aus 3D-Firmen wie In-Three. Darüber hinaus hat Sony Pictures Entertainment die 3D Academy of Stereoscopic Arts & Sciences gegründet, um Spezialisten in diesem Bereich auszubilden. Dies ist ein ganz neues Fachgebiet, das neue Formen der Ausbildung, des Studiums und der Praktika erfordert, die in den nächsten Jahren entstehen werden. In Zukunft wird es eine große Nachfrage nach Stereographen geben.

Wie schätzen Sie generell die Marktentwicklung von 3D ein?

Äußerst positiv. In Hollywood wird bei fast jedem Film, der sich derzeit in Entwicklung befindet, die Frage aufgeworfen, ob er in 3D produziert werden sollte. Das zeigt, dass die Umsetzung von 3D nicht mehr länger als ein schwer zu lösendes Problem betrachtet wird. Ein großer Studiofilm, der nicht in 3D herauskommt, rechnet sich schon fast nicht mehr. In den 50er und 80er Jahren ist 3D an verschiedenen Anforderungen wie der Projektion, vertikalen Disparität sowie den Problemen mit den anaglyphen Brillen gescheitert. Diese technischen Schwierigkeiten sind jetzt gelöst. Heutzutage gibt es hervorragende Polarisationsverfahren und aktive Brillen. Bei der Projektion wird nur noch ein digitaler Projektor eingesetzt, so dass keine Disparitätsprobleme mehr auftauchen.
Zudem wird die Entwicklung von 3D von den weltweit kreativsten Regisseuren und Produzenten wie James Cameron, Robert Zemeckis oder Jeffrey Katzenberg vorangetrieben, die hundertprozentig dahinter stehen. Eine derartig große Unterstützung hat es für 3D noch nie gegeben. Hinzu kommt, dass nicht nur die digitale Technologie in den Kinos, sondern auch die neuen Fernsehgeräte das 3D-Format unterstützen.
Nachdem der erste Stereo3D-Kinofilm „Avatar“ zum erfolgreichsten Film aller Zeiten avanciert ist, sind auch die Studios an Bord gekommen. James Cameron will 2012 „Titanic 3D“ herausbringen und George Lucas alle sechs „Star Wars“-Episoden im 3D-Format. Wenn diese 3D-Versionen erfolgreich sind, wird dies uns eine Welle weiterer Blockbuster-Hits in 3D bescheren. Die Frage ist nur, ob diese Filme ins Kino gebracht oder auf Bluray ausgewertet werden.

Wie groß sind die Kapazitäten bei In-Three, um 3D-Filme umzuwandeln?

Wir planen, im nächsten Jahr, fünf bis sieben Filme zu konvertieren. Unser Ziel ist, bis 2012 jährlich zehn bis fünfzehn Filme umwandeln zu können Das ist angesichts der gigantischen Nachfrage wenig. Wir konzentrieren uns dabei auf die ganz großen Studiofilme, bei denen es erheblich auf die Qualität ankommt, weil jedes kleinste Detail darin weltweit Beachtung findet. Wir legen es nicht darauf an, mit der Konvertierung schnelles Geld zu verdienen. Natürlich könnten wir weitere Abteilungen und Tochterfirmen gründen, um eine Umwandlung in niedrigeren Qualitätsstufen anzubieten. Mit dem Dimensionalization-Verfahren besitzt In-Three jedoch eine Marke, die für höchste Qualität steht.
Birgit Heidsiek
(MB 12/10_01/2011)