Kooperation mit China

Die Filmindustrien Europas und Chinas tun sich schwer, was die Zusammenarbeit betrifft. Zwar gibt es ein grundsätzliches, gegenseitiges Interesse, doch gibt es keine Strukturen und Instanzen, die Koproduktionen unterstützen und erleichtern. Auch der kulturelle Unterschied erschwert die Sache und viele Produzenten, die eine Koproduktion mit China gesucht oder sogar durchgeführt haben, sind desillusioniert daraus hervor gegangen. Die Initiative „Bridging the Dragon“ will Koproduktionen anschieben indem sie als Informationsplattform und Anlaufstelle für Kreative und Produzenten dient, die europäisch-chinesische Geschichten gemeinsam umsetzen möchten.

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Kooperation mit China

Die Initiative wurde im vergangenen Jahr von europäischen und chinesischen Produzenten beim Filmfestival in Locarno ins Leben gerufen. Laut der Produzentin Lorna Tee und einer der Gründerinnen, zielt die Initiative darauf ab Produzenten aus Europa und China miteinander zu verbinden, damit sie ein besseres Verständnis der beiden Märkte bekommen. „Wir sind der Meinung, dass es eine Kluft zwischen Europa und China gibt, die man überbrücken sollte“, sagte sie zu Beginn der Panelveranstaltungen, mit denen sich ‘Bridging the Dragon’ im Rahmen der Berlinale zum ersten Mal der Branche vorstellte.

Während der Panels wurde klar, dass europäisch-chinesische Koproduktionen ein hohes Durchhaltevermögen und eine hohe Frustrationstoleranz verlangen. Dies umso mehr, als China sein Augenmerk auf große Produktionen legt, mit denen man Hollywood Konkurrenz machen kann. Dies belegt im Nachgang die Mitte März veröffentlichte Meldung, dass Huayi Brother, Chinas größter Filmproduzent, bis Ende 2017 mit dem erst im März 2014 gegründeten US-Studio STX Entertainment 18 Filme realisieren will. Vorgemacht hat es DMG Entertainment aus Beijing, die viel Geld in Hollywoodfilme wie „Iron Man 3“ oder „Looper“ pumpen. Während US-Produzenten Schlange stehen, um ein möglichst großes Stück vom lukrativen chinesischen Kinokuchen abzubekommen, und während der Filmmesse Filmart in Hongkong Mitte März mit 47 Firmen anreisten, weil der chinesische Markt, als „essentiell“ angesehen wird, sind aus Europa nur wenige Kreative aktiv. Und diese kommen vorwiegend aus Frankreich, die ein Koproduktionsabkommen mit China haben, wie Luc Bessons EuropaCorp oder Jean-Jaques Annaud (s. MB 3/14). Besson plant dort den Kung-Fu Fantasythriller “Warrior’s Gate” als Koproduktion und Annaud drehte „Wolf Totem“, die Verfilmung eines chinesischen Romans, als chinesisch-französische Koproduktion, die in China zum chinesischen Neujahr in die Kinos kam und bei uns am 29. Oktober bei Wild Bunch starten wird. Kommt es zu Arthouse, wird die Luft auf dem chinesischen Markt dünn. Dennoch ist noch Platz neben hoch budgetierten Actionknallern. Gesucht werden in China neben Action Animation, Family Entertainment und leichtere, kommerziellere Unterhaltung – sowohl zum Kauf, aber eben auch für Kooperationen.

Allerdings wartet China nicht auf Europa. Wollen die Europäer auf dem zweitgrößten – und voraussichtlich 2018 dann größten – Filmmarkt der Welt eine Rolle spielen, müssen sie sich schon selber darum kümmern. Hier setzt „Bridging the Dragon“ an. Mitglieder der Initiative sind die Senator Entertainment AG (jetzt Wild Bunch AG), die italienische Orisa Produzioni, der niederländische Family Entertainment-Produzent Lemming Film, die spanische Animation Firma Dragoia Media, die norwegische Sweet Films aber auch chinesische Firmen wie China Blue in Shanghai und Road Pictures in Beijing. „Die großen Player in China interessieren sich nicht für Europa“, sagt Cristiano Bortone („Maria, ihm schmeckt’s nicht“), Autor, Regisseur, Produzent und Geschäftsführer von Orisa Produzioni und Mitgründer von ‘Bridiging the Dragon’. „Sie interessieren sich nur für ihren eigenen Markt, der hauptsächlich aus Komödien und Hollywood-Blockbustern besteht. Mit dem Modell Hollywood wollen sie ihre eigene Filmindustrie so groß machen, dass sie damit auch auf den Weltmarkt gehen können. Allerdings ist das Hollywood-Modell längst nicht mehr so erfolgreich wie einst, weshalb die Studios gerne das chinesische Geld zum Ausgleich nehmen. Europa ist dabei nicht im Blick – warum auch?!“ Wie sehr Hollywood auf China angewiesen ist, zeigt etwa die Aussage von Jon Feltheimer, CEO des Mini-Majors Lionsgate, der nach einem Deal mit Hunan TV in Höhe von 375 Millionen US-Dollar gesagt hatte, dass die Zukunft des Studios eng mit China verknüpft sei. Mit dem Geld wird Lionsgate einviertel seiner Produktionskosten der nächsten drei Jahre finanzieren.

Für Europa ist es wichtig gemeinsam vorzugehen. Über „Bridging the Dragon“ sollen nicht nur Kooperationen entstehen, sondern auch Erfahrungen gesammelt und ausgetauscht werden. Dabei geht es durchaus darum Firmen und ihr Verhalten zu ‘raten’. „In Europa wissen wir alles, in China nichts“, bringt es Bortone auf den Punkt. Daher soll die Initiative ein Netzwerk aus Informationen und Menschen stricken. Anders herum soll chinesischen Firmen ein zentraler, kompetenter europäischer Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass nur Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien Koproduktionsabkommen mit China haben. Das Deutsche wird gerade verhandelt und tritt frühestens 2016 in Kraft. Dass die Initiative ihre Berechtigung hat, davon sind Bortone und seine Mitstreiter überzeugt. Alle gucken nur auf das große Geld, die Box Office-Erfolge und die Kooperationen mit den US-Studios, um Blockbuster zu generieren, dabei wird aber übersehen, dass auch Chinesen gute Filme machen wollen, so Bortone. Und die richtige Zeit sich hier einzuklinken, ist nach Überzeugung Bortones, jetzt. Denn der chinesische Geschmack ändert sich ziemlich rasch, genauso wie die chinesische Kinobranche. Zudem reisen Chinesen verstärkt nach Europa. Das sind genauso Gründe die Möglichkeiten des chinesischen Markts auszuloten wie der hohe Bedarf an Unterhaltung und die Aufhebung der Quotenregelung in 2017. Bortone, der in Berlin lebt und Mandarin spricht, wird dieses Jahr zwei Filme in China produzieren. „Coffee“, in dem drei Handlungsfäden in Rom, London und Beijing aufeinandertreffen und das chinesische Remake seiner italienischen Komödie „Frauen gegen Männer“.

Noch sind es die Franzosen, die beim Abenteuer China ganz vorne dabei sind und die es sogar zweimal geschafft haben bei thematisch rein chinesischen Filmen Regie zu führen: Jean-Jaques Annaud bei „Der letzte Wolf“ und Philippe Muyl bei „Die Nachtigall“. Das Besondere daran ist, dass sie die Regie auf Wunsch der chinesischen Partner übernahmen. Frankreich ist beim Filmart in Hongkong jedes Jahr stark mit einem eigenen Stand vertreten und informierte dort auch in diesem Jahr erneut als einziges europäisches Land über Koproduktionsmöglichkeiten. 2014 hatte Frankreich drei Koproduktionsanträge gestellt. Jedes Jahr werden in China mehr als 500 solcher Anträge eingereicht. Die meisten jedoch aus Hongkong, von wo es ohnehin einen leichteren Zugang nach China gibt. Davon überzeugt, dass Europa in China eine Chance hat, weil es etwas anderes anzubieten hat, als Hollywood, ist auch Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin der Medienboard Berlin-Brandenburg. Nach einem Besuch in Beijing kam sie zu dem Schluss, das Chinas wachsende Mittelklasse ein Interesse an ‘Arthouse Light’ entwickeln wird. Damit sind Filme, die sich zwischen Festivalfilmen und Blockbustern bewegen, gemeint.

Während des Filmmarkts Filmart in Hong Kong im vergangenen Jahr war „Bridging the Dragon“ noch als Autorenprogramm angekündigt. Mittlerweile ist viel mehr aus ihm erwachsen. Beim Auftakttreffen während der Berlinale gab es ein Match Making-Essen mit jeweils 35 Teilnehmern auf beiden Seiten im Berlinale Dining Club. Bei der Zusammenstellung wurde darauf geachtet, dass die Partner einander etwas zu bieten hatten, damit daraus gemeinsame Projekte entstehen können. Das tieferliegende Problem in diesem Bereich sind die Projekte. Es gibt einfach zu wenige, die für beide Seiten gleichermaßen interessant sind. Als Erstes sind jedoch jeweils fünf Projekte aus Europa und China gefunden worden. Mit „The Speed Breed”, einer epischen Geschichte über ein Autorennen quer durch China, auch ein deutsches Projekt der Berliner Firma Moviebrats Pictures. Die Projekte wurden in zwei vier-tägigen Workshops vor den Festivals in Shanghai und Locarno gemeinsam entwickelt und mit Hilfe von Tutoren so optimiert, dass sie für beide Kulturen passen. „Hierbei ist der Human Factor extrem wichtig“, erklärt Bortone. „Wir sehen uns als Start-up mit vielen Ideen und viel Arbeit, wir sind Pioniere.“

Die Panels während der Berlinale adressierten zwei Fragen: welche Gemeinsamkeiten für Koproduktionen gibt es und was sucht der chinesische Markt? Die Produzentin Nansun Shi und Geschäftsführerin des in Hongkong ansässigen Distribution Workshop, erklärte den wachsenden chinesischen Markt als Basis für neue Geschäftsaktivitäten, während Stefan Arndt, Produzent und GF von X-Filme, der mit China Tom Tykwers „Cloud Atlas“ realisiert hat, dass das gemeinsame Engagement dazu führen soll den Indepenent-Sektor so zu stärken, dass er international verwertbare Projekte realisiert, anstatt sich nur auf das nationale Produkt zu konzentrieren. Für Constantin Film-Produzent Martin Moszkowicz, der in den Siebzigern in Hongkong lebte, steht das Zusammenbringen zweier kulturell reicher Regionen im Vordergrund. Erst dies legt im zweiten Schritt das Fundament für eine Zusammenarbeit. Moszkowicz betonte, dass China nichts braucht und Europa lediglich seine Kultur anbieten kann. „China ist stolz auf das, was es erreicht hat“, sagt er.

Aber was funktioniert in China? Von den circa 800 im Land produzierten Filmen kommen nur rund 300 in die Kinos. P [&] A sind extrem hoch und übersteigen oft die Produktionskosten. Die Filme müssen sehr schnell ihr Geld wieder einspielen. Nach zwei Wochen laufen nur noch erfolgreiche oder politisch gewollte Filme. Gut funktionieren Komödien, Arthouse funktioniert weniger. Der Berlinale-Gewinner 2014 – „Black Coal, Thin Ice“ – wurde umgeschnitten, weil er als zu künstlerisch galt. Immerhin konnte er so rund 16 Millionen US-Dollar einspielen, das fünffache seiner Produktionskosten. In China gehen nur die 18- bis 28-jährigen ins Kino. In der Regel leben sie noch zuhause und sind so im Kino für sich. Haben sie erst eine Familie gegründet und müssen arbeiten, verschiebt sich die Unterhaltung auf mobile Endgeräte und die heimische Couch.

Bei der Präsentation wurde klar, dass der Weg nach China nur mit viel Einsatz, innerer Überzeugung und dem unbedingten Willen etwas zu schaffen, etwas aufzubauen, möglich ist. „In China funktionieren die Filme besonders gut, die sich nicht für Koproduktionen eigenen. Das bedeutet also, dass es darum geht, etwas aufzubauen“, lautet das Fazit von Isabelle Glachant von Chinese Shadows, die gemeinsam mit Lorna Tee das zweite Panel gestaltete.

Thomas Steiger

MB 5/2015

© Wild Bunch Germany

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