„rbb UM4“ wurde als zusätzliche Produktion ins Programm genommen, um das Nachmittagsprogramm des rbb zu stärken. Bei den Quoten ist das Konzept aufgegangen. Sie liegen mittlerweile über den avisierten Zahlen. Gestartet wurde die Diskussion um ein eigenes Nachmittagsprogramm vor etwa zweieinhalb Jahren. Maßgeblich daran beteiligt war Jens Riehle, Abteilungsleiter des rbb-Magazins zibb und jetzt auch von „rbb UM4“.
„Da wir keine Inhouse-Kapazitäten für eine Live-Sendung hatten – und es war klar, dass wir eine Live-Sendung machen wollten – haben wir verschiedene Überlegungen angestellt und sind letztendlich bei dem mobilen Studio gelandet“, erzählt Jens Riehle. „Das hat Vorteile und Risiken, aber ausschlaggebend war, dass dies noch niemand gemacht hatte.“
Die Arbeit mit reduzierter Technik ist prinzipiell nicht überraschungsfrei und Riehle schließt auch nicht aus, „dass da noch was kommt“, doch der Sender war darauf angewiesen eine Lösung zu finden, die genau das liefert, was gebraucht wird, aber auch nicht mehr, um Kosten für eine Ausrüstung zu sparen, die letztendlich nicht gebraucht würde. Selbst ein kleiner Ü-Wagen mit drei Kameras hätte gleich einen Millionenbetrag verschlungen. Die jetzige, als Smart Produktion bezeichnete Lösung kommt mit einem Bruchteil der Summe aus, so Riehle. Zudem hat sich während der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, wo ARD und ZDF Live-Übertragungen mit reduzierter Technik gemacht haben, herausgestellt, dass diese durchaus mit Smart-Production-Technik in hoher Qualität zu bewältigen sind.
Ein weiterer Vorteil ist hier, dass die Stage-Box intern verkabelt ist, dadurch nur einen Ausgang hat, an das sich ein 200 Meter langes Kabel hängen lässt und wie der Tricaster ausgebaut werden kann. „So können wir die Technik mit zwei Mann überall hin tragen und Orte erreichen, die vorher nicht erreichbar waren, wie etwa Dächer“, sagt Jens Riehle. „Das ist ein großer technischer Schritt in der Entwicklung.“ Der Tricaster kann aber auch als Case-Regie für Live-Übertragungen in kleinen Theatern oder Musikbühnen eingesetzt werden.
So kommt die Produktion mit einem fahrbaren Studio aus, dem Übertragungsfahrzeug Smart Produktion 1 (SP1), einem Uplink-/Satellitenwagen und zuletzt einem Aggregatwagen, der auch als Transportwagen dient. Die Produktion hat drei Panasonic AG-HPX255-HD-Kameras, die über einen Radius von 50 Metern verfügen, um im Umkreis des mobilen Studios Bilder und Interviews für die laufende Sendung zu machen. Die Kameras sind einzeln über Multikabel an den SP1 angeschlossen und verfügen über Festobjektive, die selbst bei den Aufnahmen der Moderatoren und ihrer Gäste, bei denen in der Regel ein Abstand von circa zweieinhalb Metern eingehalten wird, ausreichen. Eine Triax-Verkabelung wäre in diesem Fall zu aufwändig gewesen.
Smart Produktion 1
„Der SP1 kann nicht, was ein kleiner Ü-Wagen kann. Aber wir haben uns bewusst für eingeschränkte Produktionsmittel entschieden, um kosteneffizient, flexibel und schnell zu sein“, sagt Andreas Piaskowski-Budweg, Bereichsleiter der Fernsehstudiotechnik beim rbb.
Das Studio verfügt über vier drahtlose Mikrofone (Handmikrofon, Ansteckmikrofon und/oder Nackenbügel). Bei Übertragungen außerhalb des mobilen Studios muss darauf geachtet werden, dass man sich nicht zu weit vom Wagen entfernt und dass keine Objekte die Funkstrecke stören, damit die Feldstärke nicht abfällt. Das Studio ist in einem Mercedes Sprinter-Sattelauflieger untergebracht. Es ist voll klimatisiert, im Winter komplett beheizbar und verfügt über ein kleines Redaktionsbüro und einen Maskenplatz. Ausgeleuchtet wird das Studio mit handlichen LED-Scheinwerfern. Gebaut wurde das Studio von MOST-Fahrzeugbau im Auftrag des rbb. Am Wochenende, den „übertragungsfreien“ Tagen steht das mobile Studio auch anderen Fernseh- oder Hörfunkredaktionen des rbb zur Verfügung.
Durch die reduzierte Technik besteht das technische Team nur aus vier Leuten. Es gibt einen Bildingenieur, der für die Kameras zuständig ist und der auch für das Uplink des Satellitensignals verantwortlich ist, die Bildmischung, die am Tricaster sitzt, und gleichzeitig die Regie übernimmt sowie den Toningenieur. Um Licht und Ton kümmert sich ein Veranstaltungstechniker. Der SP1 verfügt über drei Arbeitsplätze. Zwischen Tricaster und Ton steht die Intercom von Zähl. Wie sich heraus gestellt hat, ist dies das Gerät, das essentiell für die Redaktion geworden ist. So wird der Wagen demnächst leicht umgebaut, damit der CvD bequem zwischen Tricaster und Ton Platz nehmen kann.
Der Tricaster kann acht externe Quellen aufnehmen und ebenso viele Mischebenen übereinander legen. „Acht Videoeingänge sind überschaubar“, sagt Piaskowski-Budweg. „Aber das ist ausreichend.“ Die drei Kameras werden untereinander synchronisiert, damit der Synchronizer am Tricaster abgeschaltet werden kann. Liefe die Synchronisation über ihn, könnte es zu Delays von bis zu 180 ms kommen, was zu Problemen mit dem Ton führen würde. Nativ ist der Tricaster in der Lage, Grafiken aufzunehmen, so dass ein Teil vor Ort gemacht werden kann. Im Grunde geht es jedoch nicht ohne eine im Sendezentrum untergebrachte Zentralregie, in der Beiträge, Trenner und Grafiken hinzugefügt werden. Dort wird die Übertragung aus dem SP1 technisch wie eine Live-Schalte behandelt. Der Tricaster kann alles aufzeichnen, gibt dabei aber das Format vor.
Der Tricaster ist die Zukunft“, ist Piaskowski-Budweg überzeugt. „Hardware-Bildmischer gehören der Vergangenheit an.“ Das heißt aber auch, dass man peinlichst darauf achten muss, dass der Tricaster nicht mit Viren infiziert wird, weshalb er komplett offline bleibt. Zu jeder Sendung von „rbb UM4“ gibt es ein kurzes VJ-Stück, das kurz vor der Sendung vor Ort produziert wird. Es wird auf dem Laptop des VJs geschnitten und im SP1 an einem Stück vertont. Aus dem Baumarkt hat ein Mitarbeiter eine rote Warnleuchte zur Baustellenabsicherung mitgebracht mit der die laufende Vertonung signalisiert wird. Anschließend wird das Stück über die Thunderbolt-Schnittstelle und einen Wandler im Basisband übertragen. „Das ist die einzige Art um sicher zu gehen, dass keine Viren übertragen werden“, erklärt Piaskowski-Budweg.
Der Multisplit-Monitor des Tricasters kommt ebenfalls von Newtek. Weitere Monitore stammen von Neovo, von denen auch einige im Fernsehstudio im Einsatz sind und von Blackmagic Design, weil er Oszillographen darstellen kann. Aber es sind auch zwei kostengünstige Samsung-22C450-PC-Monitore dabei. Der Mastermonitor beim Bildingenieur stammt von Sony. Über ein Drehrad kann er die Kameras ansteuern. Nach den ersten Erfahrungen wird mittlerweile darüber nachgedacht, wie man dies verbessern kann, eventuell sogar auch mit neuen Kameramodellen. Das Audio-Mischpult des SP1 ist ein Yamaha DM1000. Es verfügt über verschiedene Ebenen zwischen denen man hin und her schalten muss, möchte man bestimmte Funktionen nutzen. Es ist ein einfaches Pult, in das man sich binnen zwei Tagen eingearbeitet hat. Auch das Interkom genügt einfachsten Anforderungen. Es spielt jedoch eine extrem wichtige Rolle. Die Moderatoren haben keinen Vorschaumonitor und müssen daher immer über ihr drahtloses In-Ear-Monitoring auf dem Laufenden gehalten werden. Dasselbe gilt für die Kameraleute. Die Zentralregie im Fernsehzentrum in Berlin ist im Studio E der Abendschau untergebracht. Das Signal vom mobilen Studio gelangt via Satellit zuerst zum rbb-Standort in Potsdam. Von dort kommt es über die Glasfaser-Videoquerverbindung zwischen den beiden Standorten nach Berlin. Da die Umstellung des rbb auf HD erst Ende 2016 abgeschlossen sein wird, muss das Signal auf seinem Weg mehrere Male gewandelt werden. Während des Umbaus von Studio E im kommenden Jahr wird es von dem SD-Ü-Wagen des Senders ersetzt, der anschließend außer Dienst geht. Der HD-Ü-Wagen wird im Dezember geliefert und wird laut Planung zur Berlinale einsatzbereit sein. Die Kommunikation zwischen dem SP1 mit dem Sendezentrum erfolgt über LTE mit VPN-Tunnel sowie über eine fest eingebaute Mobilfunkverbindung. Der Anschluss im Wagen ist in das Hausnetz integriert. Über das Telefon ist auch immer sicher gestellt, dass die LTE-Verbindung steht, die gleichzeitig zum Streamen verwendet werden kann. Dies käme aber nur in Betracht, wenn der SP1 von einer anderen Sendung genutzt wird. Gerade im Hörfunkbereich ist Streaming als Übertragungsart mittlerweile gang und gäbe.
Für Jens Riehle hat „rbb UM4“ Pioniercharakter. „Die Zukunft des Regional-Fernsehens liegt im Vorort-Fernsehen“, ist er überzeugt. „Dass die Technik nun leicht und kostengünstig ist, eröffnet uns enorme Möglichkeiten an jedem Ort im Sendegebiet dabei zu sein und live zu senden.“ Die neue Technik kommt auch gut bei den alt eingesessenen Mitarbeitern an. „Es müssen zwar neue Routinen gelernt werden, aber wir bekommen mehr Bewerbungen aus dem Haus für die neue Technik, als wir Stellen vergeben können.“ Auch von Außen ist das Interesse groß, beim technischen Aufbruch in die neue Fernsehwelt mit dabei zu sein. Laut rbb hat zum Beispiel auch der ORF Smart-Produktion-Konzept Interesse gezeigt.
Thomas Steiger
MB 8/2015
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