Wie positioniert sich die Bavaria Interactive auf dem Medienmarkt?
Wir kommunizieren massiv nach außen, dass die Unternehmen die Programmanbieter der Zukunft sind, weil jedes von ihnen in einem Internet-Kanal seinen eigenen Sender aufbauen kann. Viele Unternehmen und Marken, für die wir arbeiten, tun genau das. Als Unternehmen im öffentlich-rechtlichen Umfeld – die Bavaria Film Interactive GmbH ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Bavaria Filmgruppe – muss unsere Arbeit für Unternehmen natürlich erklärt werden: Im Unterschied zu unseren Schwesterfirmen erhalten wir von privatrechtlichen Wirtschaftsunternehmen die Budgets für die von uns ausgeführten Auftragsproduktionen. Und wir verbreiten die Videos fast ausschließlich über das Internet. Das ist nicht nur ein technischer sondern auch ein inhaltlicher und konzeptioneller Vorgang.
Welche Relevanz haben Unternehmensfilme im Internet?
Im Spannungsfeld zwischen Unternehmen, dem Medium, das wir herstellen und der Zielgruppe hat das Internet völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Durch das Internet haben die, für die wir die Filme machen, eine unheimliche Macht erhalten. Früher haben die Unternehmen Botschaften aussließlich ausgesandt. Sie waren also reine „Aus-Sender“. Heute raten wir unseren Kunden, die Flüstertüte statt an den Mund auch mal ans Ohr zu halten und zu hören, was die Leute draußen wollen. Was bewegt die? Was verbinden die mit einer Marke? Um das herauszufinden und um richtig darauf zu reagieren bedarf es eines gemeinsamen redaktionellen Prozesses zwischen uns und unseren Auftraggebern. Das ist völlig neu. Erst wenn wir diesen Job ordentlich erledigt haben, werden die nötigen Medien hergestellt. Und wir werden sofort belohnt. Sobald diese Medien ins Netz gestellt werden, bekommen wir eine Rückmeldung über das, was die Zielgruppe, die Nutzer damit machen. Entweder aktiv – das machen nicht viele – oder passiv durch Tracking-Ergebnisse. Das ist die Quote 2.0, die wir dann zum Unternehmen tragen können.
Die Messungen erlauben uns in den Redaktionskonferenzen dann auch sehr genau die
Themen festzusetzen, die dann in Zukunft produziert werden. Das ist eigentlich ein sich selbst ernährendes System: Man hat das Unternehmen als (zuhörenden) Sender von Botschaften, die Zielgruppe sagt „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ und das Medium, das so anpassbar ist, dass es genau an dieser Schnittstelle funktioniert.
Das heißt, Bavaria Interactive ist nicht nur Produzent sondern auch Berater?
Ja. Wir agieren heute als Auftragsproduzent, Berater und verlängerter Kommunikationsarm unserer Marken. Seit einem Jahr positionieren wir uns nicht mehr nur als reiner Filmproduktionsdienstleister sondern als Agentur für Unternehmensfilmproduktion. Das heißt nicht, dass wir in das klassische Werbeagenturgeschäft einsteigen wollen, im Gegenteil – viele unserer Auftraggeber sind selbst Werbeagenturen. Aber wenn wir eine reine Filmproduktion wären, dann würden wir die Agenturen in diesem Segment nicht verstehen. Für uns als Auftragsproduktionsfirma ist es heute wichtig, nicht nur ein Produkt abzuliefern, sondern auch den Kunden zu vermitteln, wo es platziert werden kann.
Die Platzierung von Inhalten im Internet mit zu steuern, ist eine wesentliche Aufgabe von uns geworden. Wir überlegen, wo der Film hinkommt – nur auf die Unternehmenswebseite, auf einen eigenen YouTube-Channel oder bieten wir einen Film den Bloggern oder einigen Online-Publikationen vor Veröffentlichung exklusiv an. Exklusivität – wenn auch nur für zwei Stunden – bedeutet im Segment der Onlinekommunikation heute sehr viel. Sie sichert den Filmen eine bessere Wahrnehmung und somit den Unternehmen eine höhere Reichweite in der Zielgruppe. Das erwarten unsere Auftraggeber von uns. Einfach etwas ins Netz zu packen wäre verfehlt. Viele Unternehmen können das noch nicht richtig einschätzen Nicht alle global Brands sind da schon so weit wie SAP oder BMW.
Sie spielen auch auf der Klaviatur der Social Networks.
Wie funktioniert das? Praktizieren sie „Learning by Doing“?
Auch wir haben dafür kein Patentrezept. Ich muss zugeben, dass das ein sehr Hype getriebenes Thema ist. Wer heute bei einem Unternehmensvorstand ein Projekt präsentiert und Produktionsmittel dafür beantragt, hat ein Problem, wenn da kein Social-Media-Konzept dabei ist und das Wort Facebook nicht im Konzept vorkommt. Ob das berechtigt ist oder nicht sei mal dahin gestellt. Social Media ist viel mehr als Facebook. Social Media hat für uns Filmproduzenten zwar eine wahre Renaissance gebracht, weil die Marken erkannt haben, dass sie die sozialen Netzwerke als eigene Distributionsplattformen für ihre Unternehmensbotschaften nutzen können. Aber eben nur, wenn sie es geschickt anstellen.
Gilt das für alle Wirtschaftsbereiche?
Natürlich gibt es da Unterschiede. Automobilfirmen haben es einfacher als Finanzdienstleister. Autos sind leichter zu inszenieren als Lebensversicherungen. Sie sind fast Selbstläufer. Ein gutes Beispiel dafür ist BMW. Der Auto-Konzern betreibt eine eigene Videoplattform – www.BMW.tv/com. Dort sind alle internationalen Bewegtbildinhalte von BMW zu finden. Unser Partner, die Denkwerk GmbH, sorgt für die technische Infrastruktur, das Community Management, während wir für die
Produktion der Filme zuständig sind. BMW ist hier sehr bemüht, nicht nur gute Marketing- und Verkaufsfilme zu platzieren, sondern gelegentlich ganz bewusst auch Filme, mit denen man sehr hohe Reichweiten erzielen kann.
Was zeichnet die Bavaria Interactive besonders aus?
Wenn wir mit neuen Projekten beginnen, achten wir sehr darauf, mit dem Kunden zusammen die Zielsetzung gerade in Sachen Quantität und Qualität möglichst exakt zu definieren. Nur so können wir ein passgenaues Konzept entwickeln und den Erfolg am Ende für alle transparent messen.
Mit welchen Werkzeugen wird gemessen?
Das kommt darauf an, was der Kunde wünscht. Wir messen mit Google Analytics, Webtrack oder Webtrends. Die aus meiner Sicht besten und aussagekräftigsten Ergebnisse erzielt man mit Umfragen, die man vor und nach einer Kampagne macht.
Welche Relevanz haben Clickraten für sie?
Ich kann mir gut vorstellen, dass Filmproduktionen für das Web irgendwann mal nach Abruf- bzw. Clickraten bezahlt werden. Als Produzent muss man sich allerdings schon genau überlegen, ob man sich darauf einlassen kann.
Welchen Kundentypus bevorzugt die Bavaria Interactive?
Als Unternehmensfilmproduktion sind wir auf die Betreuung großer internationaler Kunden spezialisiert und haben da naturgemäß große Projekt-Teams. Zu unseren Kunden gehören unter anderem Audi, BMW und SAP. Unser Geschäftsmodell ist das Durchdringen großer Firmen mit möglichst unterschiedlichen Filmprojekten für die externe und interne Kommunikation, weniger die Betreuung kleiner mittelständischer Firmen mit einzelnen Filmprojekten. Das können andere besser. Von dieser Arbeit haben wir uns deshalb vor gut zwei Jahren verabschiedet. Interessant ist übrigens, dass unsere deutschen Kunden ihr Engagement in den Zielmärkten USA und China ausgebaut haben. Im letzten Jahr haben wir deshalb annähernd so viel im Ausland produziert wie im Inland.
Mit welcher Technik wird für das Internet produziert? Mit klassischer Broadcast-Technik?
Wir produzieren eigentlich nur fürs Netz. Aber viele Inhalte können auch anderweitig verwendet werden – auf Messen oder Hauptversammlungen. Die Mehrfachverwertung einzelner Inhalte bietet den Unternehmen einen deutlichen Mehrwert. Aus einem Cleanfeed lassen sich verschiedene Derivate generieren. Deshalb versuchen wir schon von Anfang an, immer mit dem hochwertigsten Ausgangsmaterial in HD zu produzieren.
Eckhard Eckstein
(MB 04/11)