Seit 18 Monaten sind Sie Geschäftsführer der Plazamedia. Wie war Ihr beruflicher Weg bis zu diesem Engagement?
Ich komme aus dem klassischen Produktionsgeschäft und war sechs Jahre lang als Produktionsleiter Sport beim ZDF tätig. Ein interessantes Projekt waren dort für mich die Olympischen Spiele 1996, für die wir erstmals im Auftrag der EU als Host Broadcaster in HDTV produziert haben. Anschließend habe ich Medienwirtschaft studiert mit einem Gaststudium am Massachusetts Institute of Technology, MIT. Schon daher rührt meine Affinität zur damals beginnenden Digitalisierung. Sie hat mich dann auch zum Bertelsmann-Unternehmen Pixelpark geführt, wo ich den Digitalbereich mit Ausrichtung auf Medienkunden aufgebaut habe. 2006 bin ich zur UEFA gewechselt. Zu meinen Aufgaben zählten der Aufbau und die Umsetzung aller Broadcast- und Digital-Services im Rahmen des Host Broadcasting der EURO 2008 und der EURO 2012. Zusätzlich habe ich bei der UEFA die Implementierung der Medienrechte und das Account-Management der Top Broadcast-Kunden betreut.
Mitte 2013 kam dann das Angebot von Bernhard Burgener, die Geschäftsführung der Plazamedia zu übernehmen. Plazamedia stand anschließend kurz vor der Übernahme durch Sky Deutschland. Ist das Thema nun endgültig vom Tisch?
Im Dezember 2013 wurde der geplante Verkauf durch den Gesellschafter der Plazamedia, die Constantin Medien AG, verkündet. Knapp ein halbes Jahr später wurde der Verkauf abgesagt, weil man sich damals nicht auf einen neuen Produktionsrahmenvertrag zwischen Plazamedia und Sport1 einigen konnte. Constantin Medien hat zwischenzeitlich mehrfach gesagt, dass die Plazamedia nicht mehr zum Verkauf steht.
Aber es gibt doch einen Produktionsrahmenvertrag mit Sky, der noch bis 2017 läuft und sehr viele Aufgaben beinhaltet.
Wir haben einen langfristigen Vertrag, und das ist auch gut so. Der Pay-TV-Sender ist nach wie vor einer unserer strategisch wichtigen Kunden. Wir erfüllen ein umfassendes Dienstleistungsportfolio für Sky. Unter anderem produzieren wir für den Pay-TV-Anbieter die unilateralen Signale für die Bundesliga, die Champions League und die Europa League. Zudem sind wir mit den Studioproduktionen und Konferenzschaltungen beauftragt. Dazu produzieren wir auch die Formel 1.
Welche weiteren wichtigen Kunden haben Sie im Portfolio?
Natürlich Sport1. Da betreuen wir den Großteil aller Sportproduktionen, unter anderem den Doppelpass, die Zweite Liga und etliche Studiosendungen. Wichtig für uns ist auch das ZDF, für das wir die Champions League produzieren dürfen. Zudem setzen wir für den Axel Springer Verlag die Highlights für das Digital-Referenzprojekt Bundesliga bei Bild um. Plazamedia Schweiz produziert zahlreiche internationale Sportereignisse im Auftrag Europäischer Verbände. Und schließlich dürfen wir in Österreich für Sky und den ORF die Fussball Erste Liga und Fussball tipp 3 und ebenso Basketball und die UEFA Europa und Champions League für Sky produzieren. Dies nur stellvertretend für andere mehr, insofern sind wir in unserem Geschäftsfeld Produktion gut positioniert. Wir sind „der“ Live- und Near-Live-Sportproduzent. Wir erstellen das große, emotionale, sportaffine Bewegtbild. Darin sind wir sehr stark.
Aber die Konkurrenz im Produktionsbereich ist groß. Nicht zuletzt deshalb versucht Plazamedia ja auch schon länger, weitere Geschäftsfelder zu eröffnen und neue Services anzubieten.
Beispiel dafür ist der Start des e-Centers im Jahr 2008. Wie wollen Sie das Unternehmen heute fit machen für die Markt-Herausforderungen?
Der gegenwärtige Markt ist durch vier prägende Entwicklungen gekennzeichnet: Erstens das neue Mediennutzungsverhalten als Folge der Digitalisierung. Die damit einhergehende Fragmentierung der Zielgruppen ist eine große Herausforderung. Gefragt sind digitale Produktionslösungen, die das Ausspielen und Managen von Inhalten auf sämtlichen Kanälen erlauben.
Zweitens gibt es einen enormen Kostendruck gerade im Commodity-Bereich der Produktion. Hier müssen wir noch effizienter werden, wenn wir uns erfolgreich weiter entwickeln wollen. Drittens sehen wir positive Entwicklungen im Bereich der High-End-Produktion. Unsere Kunden fordern höchste Produktionsqualität – der Einsatz technischer Innovationen wie 4k oder Sechsfach-Slomo-Kameras beginnt zunehmend, an Bedeutung zu gewinnen. Und viertens das Thema „Marken machen Medien“. Hier sehen wir für uns neue Möglichkeiten in den Bereichen Content Marketing und Branded Entertainment.
Für die genannten vier Entwicklungen braucht die Plazamedia adäquate Antworten. Zusätzlich zu unserem bisherigen Kerngeschäft sind sie wesentlicher Bestandteil der neuen strategischen Ausrichtung unseres Unternehmens.
Was haben Sie auf der Corporate-Schiene vor?
Wir werden eine eigene Content-Unit aufbauen, die das erweiterte Geschäftsfeld Corporate betreuen wird. Große Marken setzen vermehrt Bewegtbild ein – vor allem sportemotionales. Firmen wie Audi, BMW oder Red Bull nutzen zur Inszenierung ihrer Marke sehr stark solche Bilder. Und für uns ist die Sportproduktion ein tägliches Geschäft. Daher ist es konsequent, dass wir uns hier stärker engagieren.
Das machen Ihre Wettbewerber aber auch?
Das ist richtig. Der Unterschied ist jedoch, dass wir eine Content-Unit an unserem Produktionshaus andocken und dadurch eine größere Vielzahl an Services anbieten können. Durch sie werden wir unsere Wertschöpfungskette deutlich erweitern. Wir werden im kreativen Bereich unterwegs sein und dedizierte Bewegtbild-Angebote für Content Marketing und Branded Entertainment bieten. Dafür konnten wir mit Thomas Arnold einen ausgewiesenen Spezialisten gewinnen. Er kommt aus der Geschäftsleitung des ZIGGY.mediahouse in München und ist ein erfahrener Content-Marketing-Mann, der als Leiter die Content-Unit bei der Plazamedia aufbauen wird. Zudem sollte man auch nicht vergessen, welches kreative Potential zum Beispiel auch in unseren Konzernunternehmen Constantin Film AG und Constantin Entertainment GmbH ruht.
Warum braucht es dafür eine eigene Abteilung?
Die größte Herausforderung ist heute die Orchestrierung der Inhalte und deren Distribution auf den diversen digitalen Kanälen und Plattformen. Früher haben wir nur ein Bild für den TV-Kanal produziert; heute gilt es unzählige Websites, SmartTV, Mobile-TV- und POS-Services zu bedienen. Dafür braucht man eine inhaltliche und technische Lösung, mit der sich das möglichst effizient umsetzen lässt. Wir werden dafür bei Plazamedia eine neue Technologie implementieren, die wir auf bestehenden Kompetenzen aufsetzen, beispielsweise auf unser eCenter. Mit dieser Technologie sind wir dann in der Lage, unseren Kunden Services anzubieten, über die wir deren Inhalte auf sämtlichen Plattformen ausspielen und auch managen können. Hierfür sehen wir hohen Bedarf. Rechteinhaber und Content-Anbieter stehen permanent vor der Frage, welcher Inhalt, in welchem Format, auf welcher Plattform, zu welcher Zeit distribuiert werden muss. Diese Verteilung wird heute vielfach noch immer „händisch“ mit hohem Aufwand gemacht. Wir wollen das möglichst automatisieren.
Nutzen Sie dabei ein neues Media-Asset-Management-System?
Das System ist kein Content- oder Media-Asset-Management-System. Es verhält sich wie eine Spinne im Netz, mit dem wir sämtliche digitalen Plattformen vernetzen können. Damit wollen wir alle Inhalte orchestrieren.
Und von wem kommt das System?
Zum einen wird es eigene Entwicklungen beinhalten. Zum anderen sprechen wir zurzeit über eine mögliche Kooperation. Mehr möchte ich dazu im Augenblick noch nicht sagen.
Sie können also künftig für eine Marke die Arbeit verschiedener Digitalagenturen bündeln?
Wir arbeiten natürlich auch mit den Agenturen zusammen und stellen uns bewusst nicht in Konkurrenz zu ihnen auf. Wir liefern den Media- und Digitalagenturen vielmehr die Tools und Lösungen, die sie brauchen, und Mediaservices, im Rahmen derer wir im Auftrag der Unternehmen aber auch gerne im Auftrag der Agenturen die entsprechenden Plattformen an unsere Technologie andocken können. Dann sind wir in der Lage, deren Inhalte zu verwalten, auszuspielen, Reports zu generieren und zwischen den Plattformen auch zu orchestrieren.
Wir werden ein IP-webbasiertes System anbieten, bei dem es völlig egal ist, wo und auf welchem Server die Inhalte tatsächlich liegen. Wir stellen unseren Kunden dieses System als Service zur Verfügung. Das ist eine logische Weiterentwicklung bei Plazamedia.
Wann wollen Sie das neue System starten?
Wir streben an, mit diesen neuen Services im ersten Quartal 2015 auf den Markt zu gehen. Derzeit sind wir noch in Gesprächen mit Kunden und Partnern, um deren Erfahrungen mit ihren Systemen bei der Implementierung unseres Systems berücksichtigen zu können.
Sie müssen erst einmal investieren. Gibt es eine Summe die Sie für die neuen Diensteangebote ausgeben können?
Natürlich gibt es einen Businessplan, den wir für die nächsten Jahre und hier sind auch Investitionen für neue Geschäftsfelder vorgesehen. Die neue Technik, an der wir arbeiten, wird uns auch im Commodity-Produktionsbereich helfen. Hier werden wir uns dann kosteneffizienter aufstellen. Im Low-End-Bereich mit hohem Volumen muss man effizient produzieren. Zudem werden wir stark im Bereich Cloud-basierte Produktion und Remote-Produktionen arbeiten, um im Low-End-Bereich kosteneffizienter zu produzieren. Auch hier müssen wir den Markt besetzen und arbeiten dabei heute zum Beispiel mit unserem Partner make.tv aus Köln zusammen.
Und im High-End-Bereich, wo höchste Qualität gefragt ist, wollen wir natürlich weiter Schrittmacher für Innovationen in der Branche bleiben. Aber dafür nehmen wir nicht unbedingt große Summen in die Hand, sondern sondieren den Markt, um mit interessanten Start-ups zu kooperieren oder diese an uns zu binden. Deren Konzepte und Ideen entwickeln wir dann gemeinsam bis zu einer gewissen Produktreife.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Augmented-Reality-System ReDesk zur Fußball-Analyse des Berliner Start-ups Sports Vision. Seine IT-Experten arbeiten seit neun Monaten eng mit unseren Broadcast- und Grafik-Profis zusammen. Den ReDesk haben wir jetzt erstmals auf der Sportel 2014 in Monaco vorgestellt.
Was ist mit den vorhandenen Services von Plazamedia? Gibt es welche, die nicht mehr gefragt sind und aussortiert werden?
Nein, das werden wir nicht tun. Wir werden weiter der Full-Service-Dienstleister im Produktionsmarkt bleiben. Wir erweitern vielmehr unsere Wertschöpfungskette durch die Bereiche Creation und Content und durch neue Technologien für die Distribution von Content auf allen medialen Plattformen.
Gibt es weitere Neuigkeiten im Unternehmen?
In der Tat. Durch den Treiber technische Innovation in Verbindung mit unseren Start-up-Aktivitäten verspüren wir in Richtung Markt einen vermehrten Beratungsbedarf. Ab Dezember werden wir einen Geschäftsbereich haben, der sich verstärkt um die strategische Kundenbetreuung kümmert – im Grunde um das Key Account Management. Diese Unit wird geleitet von Holger Haas, der zurzeit unser Leiter Business Development ist und große Erfahrungen im Hinblick auf Strategie, neue Technologien und Business Cases hat. Bei den anderen drei Bereichen Außenproduktion, Innenproduktion und Technologie wollen wir das Zusammenspiel dieser Units noch effizienter gestalten. Wir haben acht Studios mit einer vernünftigen Auslastung. Hier wollen wir die Studiosets stärker mit Augmented-Reality-Elementen verzahnen.
Wo haben Sie bei Ihrem Einstieg bei Plazamedia vor rund 18 Monaten Defizite im Unternehmen entdeckt?
In den Themen Marketing und strategische Kundenberatung habe ich für Plazamedia wichtige Entwicklungspotenziale gesehen, von der sowohl die Kunden als auch die Plazamedia profitieren können. Wir machen hier so unglaublich viel und haben echte Schätze im Portfolio, ohne sie erschöpfend zu kommunizieren. Das möchte ich ändern. Mit der Neuaufstellung der Plazamedia werden wir auch unser Erscheinungsbild im Markt ändern. Im ersten Quartal 2015 planen wir den Relaunch der Marke. Sie soll für die neu ausgerichtete Plazamedia mit ihrem erweiterten Angebot stehen.
Welche Erwartungen haben Sie für die Zukunft?
Im Fokus von Plazamedia stehen ganz klar unsere Kunden, Produkte und Dienstleistungen. Große Marken haben schon immer unserer Kompetenz vertraut, gerade wenn Projekte sehr komplex werden. Dies ist nicht zuletzt auf die Expertise und Erfahrung unserer Mitarbeiter zurückzuführen. Als einer der führenden Sportproduzenten setzen wir im Jahr 1.300 Sportevents produktionstechnisch um und produzieren rund 180.000 Stunden Content. Ein Volumen, das auch das große Vertrauen unserer Kunden in unsere Leistungsfähigkeit dokumentiert.
Wir stehen für das Big Picture, das große emotionale Bild.
Und da kommt uns jetzt der Markt entgegen mit Markenartiklern, die für die Inszenierung ihrer Brands genau diese Bilder suchen. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine vielversprechende Zukunft vor uns haben, indem wir unsere gewachsenen Stärken mit den neuen Geschäftsfeldern erfolgreich verbinden.
Eckhard Eckstein
MB 8/2014