Die professionelle AV-Branche erlebt derzeit einen grundlegenden Wandel. Mit IPMX (Internet Protocol Media Experience) rückt erstmals ein offener Standard in den Fokus, der gezielt auf die Anforderungen moderner AV-Systeme zugeschnitten ist. IPMX verbindet Interoperabilität, Flexibilität und Zukunftssicherheit – drei Eigenschaften, die in einer zunehmend IP-basierten Infrastruktur entscheidend sind. Die Alliance for IP Media Solutions (AIMS) hat den Standard gemeinsam mit führenden Branchenorganisationen entwickelt, um die Lücke zwischen klassischer Broadcast-Technik und den dynamischen Anforderungen der ProAV-Welt zu schließen.

Technische Grundlagen und Features

IPMX basiert auf bewährten Standards aus dem Broadcast-Bereich, die gezielt für AV-Anwendungen weiterentwickelt wurden. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten technischen Eckpunkte:

FeatureBeschreibung
TransportprotokollSMPTE ST 2110 – getrennte Übertragung von Audio, Video und Metadaten
AudioAES67 – etablierter Standard für Audio-over-IP, hohe Kompatibilität
KompressionJPEG XS – visuell verlustfreie und latenzarme Kompression, ideal für 4K/60p
NetzwerkUnterstützung von 1–100 Gbit/s über Standard-Ethernet-Infrastruktur
SynchronisationPTP (Precision Time Protocol) – hochpräzise Synchronisation für Live-Anwendungen
SicherheitHDCP 2.x – Kopierschutz für geschützte Inhalte
GerätemanagementNMOS (AMWA) – automatische Erkennung, Verwaltung und Steuerung über offene APIs
Plug & PlayDirekte Integration neuer Geräte ohne manuelle Konfiguration
InteraktivitätUnterstützung für USB-over-IP und kollaborative AV-Szenarien

Technische Funktionsweise von IPMX

IPMX nutzt das Protokoll SMPTE ST 2110, das ursprünglich aus der Broadcast-Welt stammt. Es trennt Audio-, Video- und Metadatenströme, sodass sich diese unabhängig voneinander routen und bearbeiten lassen. Dadurch erhalten Anwender mehr Flexibilität im Signalmanagement.

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Für Audio setzt IPMX auf den Standard AES67, der in vielen Audio-over-IP-Systemen bereits etabliert ist. Diese Wahl sichert die Interoperabilität mit vorhandener Infrastruktur.

JPEG XS sorgt dafür, dass 4K-Videostreams mit 60 Bildern pro Sekunde visuell verlustfrei und nahezu ohne Latenz über bestehende Netzwerke übertragen werden können. Diese Eigenschaften machen den Standard besonders attraktiv für Echtzeitanwendungen wie Liveproduktionen oder Kontrollräume.

Das Precision Time Protocol (PTP) übernimmt die zeitliche Abstimmung der Geräte im Netzwerk. So gelingt die synchrone Wiedergabe auch in komplexen Setups. Gleichzeitig ermöglicht die offene NMOS-API eine automatische Geräteerkennung und erleichtert die Verwaltung.

Für den Schutz von Inhalten setzt IPMX auf HDCP 2.x. Damit lassen sich urheberrechtlich geschützte Inhalte sicher transportieren. Gleichzeitig skalieren IPMX-Systeme flexibel – von einfachen 1Gbit/s-Netzwerken bis hin zu leistungsstarken 100Gbit/s-Infrastrukturen.

Netzwerkplanung: Anforderungen und Empfehlungen

IPMX stellt hohe Anforderungen an die Netzwerkarchitektur – insbesondere bei der Bandbreite. Ein einzelner Videostream kann bis zu 750 Mbit/s beanspruchen, also etwa 75 Prozent einer 1Gbit/s-Leitung. Deshalb sollten Planer auf ein sorgfältiges Bandbreitenmanagement achten. Zudem unterstützt IPMX sowohl Unicast- als auch Multicast-Übertragungen. Letztere ermöglichen effiziente Verteilungen, setzen jedoch Switches mit Protokollunterstützung für PIM-SM voraus. Wer auf Multicast setzt, muss das Netzwerk entsprechend vorbereiten und verwalten. Auch Latenz, Synchronisation und Ausfallsicherheit hängen von der Netzwerktopologie ab. Wer auf Quality-of-Service, Traffic-Policing oder redundante Pfade setzt, kann für eine zuverlässige Signalverteilung sorgen. Forward Error Correction (FEC) hilft zudem, Übertragungsfehler abzufangen und die Resilienz zu erhöhen.

Limitationen und Herausforderungen von IPMX

Trotz seiner zahlreichen Vorteile bringt IPMX auch einige Herausforderungen mit sich. Die Komplexität der Netzwerkintegration, insbesondere bei der Implementierung von Multicast und PTP-Synchronisation, erfordert fundiertes Know-how im Netzwerkdesign. Die Integration von HDCP 2.x als Kopierschutz begrenzt zudem die Anzahl der Endgeräte, die gleichzeitig geschützte Inhalte empfangen können, auf 32 – eine Grenze, die bei großen Multicast-Setups schnell erreicht werden kann. Auch ist die Unterstützung für stark komprimierte Formate wie H.264 oder H.265 noch im Aufbau, was die Einsatzmöglichkeiten in besonders bandbreitenlimitierten Umgebungen einschränken kann. Schließlich befindet sich der Standard weiterhin in der Entwicklung und ist noch nicht flächendeckend in Produkten implementiert, sodass einige Funktionen und Profile erst in den kommenden Jahren vollständig verfügbar sein werden.

Vergleich zu anderen AV-over-IP-Technologien

Im Vergleich zu anderen AV-over-IP-Technologien wie NDI (Network Device Interface) und Dante AV verfolgt IPMX einen konsequent offenen und standardisierten Ansatz. Während NDI vor allem im Bereich Live-Streaming und bei Anwendungen mit geringeren Anforderungen an Latenz und Synchronisation verbreitet ist, punktet IPMX mit professionellen Features wie getrenntem Transport von Audio, Video und Metadaten, präziser Synchronisation und umfassender Interoperabilität. Dante AV ist stark auf Audio fokussiert und bietet ebenfalls AV-over-IP, ist jedoch proprietär und weniger flexibel in der Integration unterschiedlicher Hersteller. IPMX hebt sich durch seine offene Architektur, die Unterstützung für höchste Videoqualitäten und die gezielte Ausrichtung auf professionelle, skalierbare Installationen ab

Integration und Kompatibilität

Dank der offenen Architektur lässt sich IPMX problemlos in bestehende Infrastrukturen einfügen. Die NMOS-Spezifikationen erkennen neue Geräte automatisch und ermöglichen eine direkte Integration – ohne manuelle Konfiguration. Darüber hinaus erlauben Gateways den Betrieb neben anderen Standards wie Dante AV, NDI oder ST 2110. So eignet sich IPMX auch für hybride Installationen oder schrittweise Migrationen.


Antworten auf die häufigsten Fragen zu IPMX

Was unterscheidet IPMX von bisherigen AV-over-IP-Lösungen?
IPMX basiert auf offenen, herstellerunabhängigen Standards und ermöglicht echte Interoperabilität. Proprietäre Systeme beschränken sich meist auf ein geschlossenes Ökosystem.

Wie funktioniert die Integration neuer Geräte?
Dank NMOS werden neue Geräte automatisch erkannt und eingebunden. Aufwendige Konfigurationen entfallen.

Welche Netzwerke werden unterstützt?
IPMX funktioniert auf Standard-Ethernet-Infrastrukturen – von 1Gbit/s bis hin zu 100Gbit/s-Netzen.

Wie steht es um Latenz und Bildqualität?
Durch JPEG XS erfolgt die Übertragung nahezu latenzfrei und in höchster visueller Qualität – auch bei 4K/60p über 1Gbit/s.

Ist IPMX zukunftssicher?
Ja. IPMX basiert auf offenen Standards und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Die breite Unterstützung durch Branchenverbände und Hersteller spricht für hohe Investitionssicherheit.

Wie wird die Sicherheit gewährleistet?
IPMX unterstützt HDCP 2.x und wird laufend um neue Sicherheitsmechanismen erweitert.


IPMX-Roadmap

IPMX befindet sich in einem dynamischen Entwicklungsprozess, der von regelmäßigen Interoperabilitätstests und der engen Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Verbänden und Anwendern geprägt ist. Zu den jüngsten Meilensteinen zählt das erfolgreiche „IPMX Tested Event 2025“, bei dem die Interoperabilität zwischen Produkten unterschiedlicher Anbieter umfassend validiert wurde. Die Roadmap sieht vor, die Spezifikationen weiter zu verfeinern, insbesondere im Hinblick auf die Automatisierung von Tests, die Erweiterung der NMOS-Funktionalitäten und die Ausarbeitung klarer Infrastruktur-Richtlinien. Zukünftige Entwicklungen umfassen die Integration weiterer Kompressionsverfahren, den Ausbau von Sicherheits- und Managementfunktionen sowie die kontinuierliche Anpassung an neue Marktanforderungen. Ziel ist es, IPMX als offenen, skalierbaren und praxisnahen Standard zu etablieren, der die Grundlage für die nächste Generation professioneller AV-over-IP-Lösungen bildet