40 Jahre Privat-TV – Medienpolitik (Teil 1)

Der private Rundfunk feiert heuer sein 40-jähriges Bestehen – Grund genug für unsere Autorin Erika Butzek, in einer dreiteiligen Serie die medienpolitischen, wirtschaftlichen und technischen Meilensteine zu beleuchten.

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Der Münchner Medienunternehmer Leo Kirch (Mitte) war einer der PKS- und Sat1-Gründungsgesellschafter. 1985 beteiligte er sich zunächst mit 10 Prozent am Axel Springer Verlag. Links im Bild Ex-Springer-Vorstand Jürgen Richter, rechts Verlegerin Friede Springer.
Der Münchner Medienunternehmer Leo Kirch (Mitte) war einer der PKS- und Sat1-Gründungsgesellschafter. 1985 beteiligte er sich zunächst mit 10 Prozent am Axel Springer Verlag. Links im Bild Ex-Springer-Vorstand Jürgen Richter, rechts Verlegerin Friede Springer. ©Hartwig Valdmanis / United Archives GmbH

Am 1. Januar 1984 ging mit der Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenfunk (PKS) als Vorläufer von Sat.1 der erste deutsche private Fernsehsender im Rahmen des Ludwigshafener „Kabelpilotprojektes“ auf Sendung. Es folgte am nächsten Tag RTLplus über eine terrestrische Frequenz aus Luxemburg. 

Als Anfang der 80er Jahre ruchbar wurde, dass die CDU in der damaligen BRD Privatfernsehen etablieren wollte, gab es jahrelang ideologischen Streit. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hielt Privat-TV für gefährlicher als Kernenergie, weil es die demokratischen Strukturen zerstören würde. Intellektuelle Kritiker sprachen von „Volksverblödung“ und wollten allein ARD/ZDF als  „Kulturgut“ erhalten. Der CDU waren ARD/ZDF zu links-lastig („Rotfunk“, womit vor allem die SPD gemeint war), sie wünschte sich mehr positive Berichterstattung über sich selber. Und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der jahrzehntelang mit dem Medienunternehmer Leo Kirch (u.a. Gründer von ProSiebenSat.1) befreundet war, wusste früh, dass sich Privat-TV zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für den Standort BRD entwickeln könne, weshalb er seinen Postminister Christian Schwarz-Schilling viel Geld in den Aufbau von Kabelnetzen zur Verbreitung von Privat-TV stecken ließ. 

Duales Rundfunksystem

Im Spannungsfeld der Debatten gab das Bundesverfassungsgericht bis 1987 mit den ersten seiner bislang 15 Urteilen zur Rundfunkfreiheit (zuletzt 2021) sukzessive Ordnungsstrukturen für ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk („Duales System“) vor und welche Prinzipien jeweils zu beachten sind. Weil das Bundesverfassungsgericht auch festgelegt hatte, dass die konkrete rechtliche Ausgestaltung für Rundfunk in der föderalen BRD Ländersache ist, hatten die Ministerpräsidenten der Bundesländer 1987 auf Basis der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes einen Rundfunkstaatsvertrag ausgehandelt, der nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1991 in einen neuen gesamtdeutschen transformiert worden war. Bis heute gilt danach, dass Privat-TV nur veranstaltet werden darf, wenn sichergestellt ist, dass es mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine „Grundversorgung“ für die gesamte Bevölkerung in Deutschland gibt, die “Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung” umfasst. Die Verfassungsrichter gingen weise davon aus, dass das Geschäftsziel von Privat-TV keinesfalls ist, für Demokratie zu sorgen, sondern vielmehr Rendite zu generieren. Deshalb wird selbst vom Management des Privat-TV der Grundversorgungs-Auftrag für ARD/ZDF grundsätzlich kaum in Frage gestellt. Gretchenfrage aber ist, wie er im Detail konkret in der Fernsehpraxis umgesetzt werden soll, zumal im Internetzeitalter. 

Nachdem sich im Zuge der Digitalisierung das Internet (anstatt Rundfunk) als wichtigste Distributionstechnologie für elektronische Medien behauptet hatte, wurde 2020 der Rundfunkstaatsvertrag durch einen „Medienstaatsvertrag“ ersetzt, mit dem Anspruch die gesamte digitale Medienwelt zu regulieren. Zwischenzeitlich hatte es 22 Rundfunkänderungsstaatsverträge gegeben, die auf den Technologiewandel im Zuge der Digitalisierung, auf den gesellschaftlichen Wandel wie auf Konflikte im medialen Wettbewerb reagierten. Auch für den Medienstaatsvertag gibt es bereits wieder Änderungsstaatsverträge. Unter anderem in Folge der so genannten Schlesinger-Affäre, die die Glaubwürdigkeit, Seriosität und Einhaltung der Pflicht zur Sparsamkeit bei den Öffentlich-Rechtlichen in Frage stellte. 

Freiwillige Selbstkontrolle

In den 40 Jahren seiner Existenz war der populistische Stempel „Volksverblödung“ als negatives Image viele Jahre auf dem Privat-TV in großen Teilen der Bevölkerung hängen geblieben, wenn auch nicht bei den Jungen. Privat-TV blieb der böse Bube. Als es heftige öffentliche Kritik an den Darstellungen von Gewalt und Sexualität im Privat-TV gab, etablierte es 1994 eine „Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen“ (FSF) für den Jugendschutz, um schärfere Regulierungen für sich zu verhindern. Das hatte der damalige Sat.1-Geschäftsführer Jürgen Doetz mit der damaligen Bundesjugendministerin Angela Merkel vereinbart. Mittlerweile hat sich die Situation gedreht. Nicht mehr das Privat-TV ist der böse Bube, sondern das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die Medienpolitik schert sich so gut wie gar nicht mehr um Privat-TV. Die freie Fahrt in die Zukunft wird dem Privat-TV allerdings von den Monopolstrukturen verbaut, die die internationalen Tech-Giganten im Internet haben. 


Die Teile zwei und drei der Serie “40 Jahre Privatfernsehen” zu Wirtschaft und Technik folgen in den kommenden Wochen.

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