Automation als Schlüssel zur Next-Gen-Studioproduktion

Wie viel Automation braucht das Studio der Zukunft und wo beginnt echte Entlastung? mebucom hat mit Axel Moschkau über zentrale Technologien, neue Rollenbilder und praktikable Ansätze gesprochen.

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Die Studioproduktion befindet sich im Wandel. Klassische Regien, große Teams und lineare Workflows weichen zunehmend flexiblen, digital vernetzten Systemen, die mit weniger Personal auskommen – und dennoch höchste Anforderungen an Qualität und Effizienz erfüllen sollen. Diese Entwicklung betrifft nicht nur Sendeanstalten, sondern längst auch Unternehmen und Institutionen, die eigene Formate produzieren wollen.

Axel Moschkau, Geschäftsführer des Systemhauses KST Moschkau, begleitet diesen Wandel seit Jahren – als Planer, Integrator und Entwickler. Im TechStream-Interview erklärt er, wie sich Anforderungen und Erwartungen verändert haben, welche Rolle Automatisierung dabei spielt, warum ST2110 trotz mancher Einstiegshürde ein sinnvoller Schritt ist und wie sich die Berufsbilder im Studio grundlegend verschieben.

Neue Kunden, neue Anforderungen

„Heute betreuen wir etwa zur Hälfte Corporate-Kunden und zur Hälfte Broadcast-Kunden“, sagt Axel Moschkau. Dass der Unternehmensbereich inzwischen so stark vertreten ist, sei insbesondere auf die Corona-Zeit zurückzuführen. „Während der Pandemie konnten viele nicht mehr reisen, gleichzeitig stieg der Bedarf an professioneller Kommunikation. Viele Konzerne haben damals erstmals über ein eigenes Studio nachgedacht – und die Idee ist geblieben.“

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Die Anforderungen, mit denen Corporate-Kunden heute zu KST kommen, unterscheiden sich dabei stark von denen klassischer Sendeanstalten. „Die meisten haben eine sehr oberflächliche Vorstellung davon, was ein Studio eigentlich leisten muss“, so Moschkau. Deshalb lädt KST diese Kunden ins firmeneigene Innovation Center ein, wo sich komplette Produktionsworkflows in verschiedenen Qualitäts- und Ausbaustufen demonstrieren lassen. „Wenn man sieht, was so ein Studio alles kann – und welcher technische und organisatorische Aufwand dahinter steckt – entsteht meistens schnell eine ganz andere Dynamik.“ Projekte, die mit zwei oder drei Produktionen pro Monat geplant waren, entwickeln sich laut Moschkau häufig zu Setups mit mehreren Produktionen pro Woche – oder sogar pro Tag.

Im Innovation Center von KST kommt Kairos als zentrale Videoplattform zum Einsatz. Hier ein Blick auf das Mischpult in der Studioumgebung.

Architektur schlägt Ausstattung

Wer heute in Studioinfrastruktur investiert, muss laut Moschkau keine besonders große Techniklandschaft aufbauen – entscheidend sei die Struktur. „Die Architektur des Systems ist wirklich kriegsentscheidend“, sagt er. Gemeint ist damit nicht nur die Auswahl der Geräte, sondern deren Zusammenspiel. „Es bringt nichts, einfach viele Komponenten zusammenzustellen. Viel wichtiger ist, wie gut sie sich integrieren lassen und welche Synergien entstehen.“

KST setzt hier auf eine Kombination bewährter Technologien, die miteinander verzahnt werden. Das hauseigene Automatisierungssystem CamBot spielt dabei ebenso eine Rolle wie die IP-basierte Videoplattform Kairos und die „Reality Engine“ von Zero Density. „Diese drei Systeme sind so gut aufeinander abgestimmt, dass wir sehr weitreichende Automatisierungen realisieren können – ohne zusätzlich in ein separates Leitsystem investieren zu müssen“, so Moschkau.

Automation als Entlastung – nicht als Kontrolle

Bei der Frage, was Automatisierung im Studio leisten soll, geht Moschkau einen anderen Weg als viele traditionelle Anbieter. Ihm geht es nicht um vollständige Kontrolle, sondern um Entlastung. „Wir wollen das Leben der Operator leichter machen. Weniger Stress, weniger Fehler – gerade bei kleineren Teams, wo eine Person viele Aufgaben übernehmen muss.“

Automation beginnt für ihn nicht mit riesigen Kommandosystemen, sondern oft bei kleinen, intelligent verknüpften Prozessen. Ein Beispiel: Eine Kamera, die normalerweise über der Bühne hängt, soll während eines Konzerts auch das Publikum zeigen können. „Das ist nicht nur eine Positionsänderung. Da muss auch die Blende angepasst werden, der Weißabgleich, das Licht im Zuschauerbereich, eventuell ein Atmo-Mikrofon aktiviert und eine Grafik eingeblendet werden.“ Wenn all das mit einem einzigen Tastendruck ausgelöst werden könne, sei das ein realer Fortschritt. „Solche Details machen eine Produktion professioneller – und ermöglichen es, komplexe Shows mit minimalem Personalaufwand zu fahren.“

Automatisierte Kamerafahrten vor Greenscreen: Robotiklösungen im Innovation Center demonstrieren präzise Steuerung für virtuelle Studioproduktionen.

Zentrale Studios, dezentrale Steuerung

Wie sich solche Konzepte konkret umsetzen lassen, zeigt ein aktuelles Projekt für eine große Genossenschaft im Bankenwesen. „Dort entsteht ein zentrales Studio in der Nähe von Köln, das mehrere kleinere Satellitenstudios remote ansteuert“, berichtet Moschkau. Für ihn ein Beispiel dafür, wie sich moderne Studioproduktion denken lässt: flexibel, verteilt, aber zentral steuerbar.

Dabei zeichnet sich laut Moschkau auch ein Wandel in der Gewichtung technischer Prioritäten ab. „Früher war Virtualisierung das große Thema – heute steht die Automatisierung an erster Stelle.“ Erst an zweiter Stelle folgen Technologien wie VR, XR oder On-Air-Grafiken, an dritter Stelle dann IP-basierte Infrastruktur. „Das Thema IP, vor allem ST2110, ist aber natürlich trotzdem gesetzt.“

Warum ST2110 trotzdem die bessere Lösung ist

Auch wenn IP-basierte Systeme mit höheren Einstiegskosten verbunden sind, hält Moschkau sie für alternativlos. „Wir machen seit 2021 keine SDI-Projekte mehr – ausschließlich ST2110.“ Die Gründe dafür liegen nicht nur in der Flexibilität und Skalierbarkeit, sondern auch in der langfristigen Wirtschaftlichkeit. „Eine gute SDI-Leitung kostet sechs bis zehn Euro pro Meter. Ein Lichtwellenkabel kostet ein paar Cent. In großen Anlagen macht das einen enormen Unterschied.“

Der Umstieg sei in vielen Fällen weniger kostspielig als gedacht. „Wenn man das gesamte Turnkey-System betrachtet, liegt der Aufpreis bei ein paar Prozent. Gleichzeitig ist die Zukunftsfähigkeit deutlich höher.“ Laut Moschkau entscheiden sich inzwischen rund 90 Prozent seiner Kunden für ST2110 – auch im Corporate-Bereich.

Blick in die Regie des KST Innovation Centers: zentral gesteuerte Abläufe, automatisierbare Workflows und vernetzte Systemarchitektur.

Künstliche Intelligenz: Werkzeug mit Schattenseite

Ein weiteres Zukunftsthema, das Moschkau differenziert betrachtet, ist künstliche Intelligenz. „Technisch ist das hochspannend. Ein KI-generierter Sprecher für ein Voice-over ist heute kein Problem mehr.“ Gleichzeitig warnt er vor einem Verlust an Glaubwürdigkeit, wenn KI-generierte Inhalte unreflektiert eingesetzt werden. „Was man aktuell in sozialen Medien sieht, zeigt, wie stark KI bereits Meinungen beeinflusst. Da müssen wir als Branche vorsichtig sein.“

Dennoch spielt KI auch in den KST-Systemen bereits eine Rolle – etwa beim Kamera-Tracking oder in der Automatisierung. „Die Technik ist da. Aber wir sollten uns immer fragen, ob wir alles machen sollten, was technisch möglich ist.“

Veränderte Rollen in der Studioproduktion

Die technische Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt. „Die klassischen Rollen lösen sich auf“, sagt Moschkau. Der Regisseur werde mehr und mehr zur steuernden Instanz in einem automatisierten Ablauf. Kreative Entscheidungen verlagerten sich in die Vorbereitung. „Wir brauchen mehr Menschen, die Prozesse denken – und weniger, die auf Zuruf reagieren.“

Auch andere Berufsbilder verschieben sich. Kameraleute, Licht-Operatoren, Grafikverantwortliche – sie alle müssen sich zunehmend mit technischer Planung und automatisierten Abläufen auseinandersetzen. „Diese Jobs verschwinden nicht, aber sie verändern sich. Wer offen für neue Technologien ist, hat die Chance, einen echten Karrieresprung zu machen.“

Axel Moschkau auf der IBC 2023
Axel Moschkau auf der IBC 2023 – mit sichtbar guter Laune am Stand von KST.

Ein Blick auf die grüne Wiese

Auf die hypothetische Frage, wie sein persönliches Wunschstudio aussehen würde, muss Axel Moschkau nicht lange nachdenken. „Das haben wir im Prinzip schon realisiert – mit unserem Innovation Center.“ UHD ist für ihn selbstverständlich, ST2110 ebenfalls. Virtualisierung, Automatisierung, On-Air-Grafiken – all das gehört für ihn zu einem modernen Setup. Und: „Das ist heute nicht nur technologisch möglich, sondern auch finanzierbar. Das war vor zehn Jahren ganz anders.“


Auch in diesem Jahr ist KST auf der IBC vertreten. Am Gemeinschaftsstand mit Zero Density zeigt das Unternehmen aktuelle Entwicklungen rund um Studioautomation. (IBC-Floorplan 7.B01)