Jagd auf den Platzhirsch

Pay-TV habe sich in Deutschland als dritte Säule neben dem öffentlich-rechtlichen und werbefinanzierten Fernsehen etabliert. Wobei Sky Deutschland aktuell der unangefochtene Platzhirsch im Bezahlfernsehen ist. Eine detaillierte Studie mit diesem Ergebnis wurde am 4. März in Berlin in Anwesenheit von Sky Deutschland-Chef Brian Sullivan vorgestellt. In der anschließenden Podiumsrunde wurden dann aber Meinungen laut, wonach das Platzhirsch-Glück von Sky nicht mehr von langer Dauer sei.

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Jagd auf den Platzhirsch

Sky Deutschland hat Grund zu feiern. Dank 3,7 Millionen Abonnenten konnte der Pay-TV-Sender kürzlich erstmals in seiner langen, über weite Strecken eher unglücklichen Geschichte einen operativen Gewinn verzeichnen. So gab Brian Sullivan im Berliner Institut für Medienpolitik (IFM) denn auch zu Protokoll: Ja, es hat eine kleine interne Feier gegeben! Nun soll der Erfolg aber weiter angefeuert werden. Sullivan strebt an, bereits Ende des Jahres auf über vier Millionen Abonnenten zu kommen. Also bloß „nicht ausruhen“. Nachdem endlich bewiesen sei, dass Pay-TV auch in Deutschland funktioniert, „dürfen wir nicht stehen bleiben, sonst werden wir schnell wieder überholt“, erklärte Sky-Unternehmenssprecher Wolfram Winter. Um im ersten Schritt, die neue Kraft des Pay-TV hierzulande im Wettbewerb mit den werbefinanzierten und öffentlich-rechtlichen Sendern zu unterstreichen, hat Sky Deutschland nach dem Vorbild von Sky in Großbritannien und Italien, wie Sullivan erläuterte, eine Studie über seine volkswirtschaftliche Bedeutung in Auftrag gegeben. Die wurde vom Medienberatungsunternehmen HMR International in Bezug auf die Jahre 2009 bis 2012 durchgeführt und mit verschiedenen Basisdaten zum deutschen Fernsehmarkt sowie zur Unternehmensentwicklung und zum Leistungsspektrum von Sky Deutschland angereichert. Ziel war es, „die Relevanz von Sky für die Medienindustrie und ihr nahe stehenden Branchen anhand ausgewählter volkswirtschaftlicher Faktoren aufzuzeigen“, heißt es in der HMR-Studie.

Was zeichnet das Sky-Angebot im Vergleich zu anderen TV-Sendern aus? 2012, so wird festgestellt, strahlte Sky mit seinen über 70 Sendern rund 460.000 Programmstunden aus. Dagegen hätten die Nettosendezeiten aller acht großen TV-Sender in Deutschland (Das Erste, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben, Vox, RTL II, Kabel Eins) insgesamt lediglich 59.000 Stunden betragen. „Bei keiner anderen Senderfamilie“, so streicht die Studie heraus, „findet sich ein derart umfangreiches Angebot an TV-Erstausstrahlungen und qualitativ hochwertigen Produktionen, eine breitere Sportberichterstattung und eine höhere Anzahl an Dokumentationen“. Wozu Sullivan im Laufe der Veranstaltung betonte: Auch wenn Sky die Quote erheben lasse, sei sie für ihn viel weniger wichtig als die Zufriedenheit der Abonnenten. Es sei ihm lieber, dass ein Programm für 10.000 Zuschauer ein so besonderes Erlebnis sei, dass sie dafür am nächsten Tag enthusiastisch „Mundpropaganda“ machten, als dass es 100.000 Zuschauer guckten, die es aber nur an sich „vorbeirauschen“ lassen.

Dass Pay-TV sich wirtschaftlich als „dritte Säule“ neben werbefinanzierten und öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland etabliert habe, wird in der Studie mit der dynamischen Steigerung der Umsätze von Pay-TV in den Jahren 2009 bis 2012 begründet, die bei 71,8 Prozent lag und damit die höchste Steigerung im Fernsehmarkt war. Dabei wurden neben Sky Deutschland auch über 60 andere Bezahlfernseh- bzw. VoD-Anbieter berücksichtigt, wie auf Nachfrage zu erfahren war, etwa Maxdome, Watchever, Amazon, Entertain, und andere Over-The-Top-TV-Anbieter wie auch HDplus. Die wurden allerdings nicht im Einzelnen aufgelistet. Sky hat jedenfalls 2012 mit seinen 2.196 Mitarbeitern einen Umsatz in Höhe von 1,3 Mrd. Euro erwirtschaftet und pirsche sich deshalb an die Umsätze von der ProSiebenSat.1 Media (1,9 Mrd. Euro) und der RTL Mediengruppe (2,0 Mrd. Euro) heran. Und mit einem Anteil von 72,5 Prozent der gesamten deutschen Pay-TV-Umsätze sei Sky „unangefochtener Marktführer im deutschen Pay-TV“, analysiert die Studie. Die Studie beschreibt, wie Sullivan in seiner Keynote, neben dem besonderen Content, den Sky biete, auch eine Vielzahl von technischen Innovationen (etwa sky go, sky anywhere, 3D-und Ultra HD-TV-Versuchsübertragungen), die neben den besonderen Serviceleistungen für Kunden Sky schlussendlich erfolgreich gemacht hätten.

Die genannten Zahlen allerdings, die sich auf „volkwirtschaftliche Effekte“ beziehen – insbesondere jene, zu „Beschäftigungs-, Einkommens- und Steuereffekten“ – sind wohl eher mit Vorsicht zu genießen, weshalb sie hier auch nicht genannt werden. Das räumte HMR-Forscher Marco Schröder selber indirekt bei seiner Präsentation ein. Und man kann eine entsprechende Warnung auch im Kleingedruckten zur Methodik in der Studie lesen. Dennoch war es interessant zu erfahren, auf welche anliegenden Wirtschaftsbereiche Sky positive Effekte ausübt, zumal man sich das in der Regel nicht bewusst macht. So profitiert der Profifußball klar vom Bezahlfernsehen Sky und kann mit dem Geld, was er von Sky erhält (2,5 Milliarden Euro zwischen 2013 und 2017) seinen Gesamtumsatz erweitern und neue Jobs schaffen. Mehr aber noch als der Profifußball wird laut HMR die Gastronomie im Umsatz beflügelt, einen Beitrag, den die Sportsbars-Abonnenten leisten. Weil Sky 1,8 Millionen Paketsendungen pro Jahr an Abonnenten verschickt, müssen entsprechende Jobs in der Logistikbranche geschaffen werden. Die Set-Top-Boxen, die man für Sky braucht, führen zu mehr Umsätzen in der Elektronikindustrie. Der intensive Kundenservice von Sky schafft auch bei externen Unternehmen Jobs. Da Sky zu den Top Ten unter den Werbetreibenden gehört, wird die Werbebranche belebt. Und last but not least haben natürlich auch die 90 Millionen Euro, die Sky in TV-Produktionen investiert, einen tollen Job-Effekt in der Branche.

Es war vor allem Holger Lösch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der sich in der Diskussion sicher gab, dass Sky seine marktbeherrschende Position im Pay-TV-Bereich nicht mehr lange behalten werde. Er erwartet eine „Globalisierungsattacke“ aus dem Internet, das mittlerweile ja einfacher als Sky für jedermann zugänglich sei. Die werde „nicht spurlos am Pay-TV vorbei gehen“. Sky habe zwar eine „starke Position“ sagte er, „wird jetzt aber gejagt“. Eine noch aggressivere Meinung kam aus dem Publikum von einem DZ-Bank-Vertreter. In den neuen Verwertungsketten via Internet würden nun ganz andere, für Verbraucher attraktivere Fenster aufgemacht, so dass das Sky-Angebot „obsolet“ werden würde. Sky sei nicht zu beneiden. Und vom Podium aus wurde Sky vor Maxdome wegen seiner engen Verknüpfung mit der Geräteindustrie gewarnt wie vor der erfolgreichen US-VoD-Plattform Netflix, deren Eintritt in den deutschen Markt bevor stehe. Winter konterte, Sky sei auch vor vier Jahren schon nicht zu beneiden gewesen. Damals begann bekanntlich der Aufstieg von Sky in die schwarzen Zahlen mit Hilfe der großen Geldschatulle von Rupert Murdoch. Und wenn man gejagt werde, bedeute dies nur, dass man noch besser werden müsse. Sullivan, der sich die Statements des Podiums übersetzen ließ, betonte, den „High Satisfaction Level“, die große Zufriedenheit der Sky-Kunden, die aufgrund des mageren Angebots der Konkurrenz nicht so schnell eingeholt werden könne. Netflix werde in Deutschland „keine Revolution“ bewirken können, meinte er. Das Angebot werde eher eine Modernisierung zu dem sein können, was die Kabelgesellschaften schon längst anbieten würden. Hans Hege, von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg urteilte, es handele sich um all das, was sich im Internet in Sachen VoD und Pay-TV abspiele um einen „Hype“. Das würden doch auch die HMR-Zahlen belegen. Wird Sky als Platzhirsch des Pay-TV in Deutschland demnächst gejagt? Die Antworten fallen je nach Interessens- und Glaubensfrage aus. Sicher ist aber wohl, dass wer Sky verjagen will, erst einmal viel Geld ins Angebot und Marketing investieren wird müssen.
Erika Butzek

(MB 2/14)

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