Georg Koder ist seit 2008 beim Red Bull Media House tätig und heute als Projektmanager für die Koordination des Filmflugs im Unternehmen zuständig. „In dieser Rolle versuche ich, die Gewerke für Luftfahrt und Film-/TV-Produktion unter einen Hut zu bringen. Ich koordiniere die Einsätze, das Equipment und das Personal und schaue, dass die Filmflüge innerhalb des Konzerns sicher und in ansprechender Qualität realisiert werden können“, erklärt er.
Der Ex-Gleitschirmflieger besitzt zwar auch eine Privatpilotenlizenz für Flächenflugzeuge (PPL), lässt beim Filmflug aber lieber die Hände vom Steuer. „Solche Einsatzflüge sind Berufspiloten vorbehalten. Die Arbeitslast im Filmflug ist sehr hoch und das braucht ein angemessenes Training. Ein Hobbyflieger hat da nichts hinter dem Steuerknüppel verloren“, betont er.
Für das Red Bull Media House im Luft-Einsatz sind die Piloten der Flying Bulls, einem Unternehmen, das ebenfalls zum Red Bull-Konzern gehört. Dort gibt es zwei festangestellte Hubschrauber-Piloten mit sehr viel Erfahrung. Chefpilot Siegfried Schwarz hat über 10.000 Flugstunden. Er ist Weltmeister im Hubschrauberkunstflug und hat viele Jahre auch als Rettungsflieger gearbeitet. Daneben können die Flying Bulls auf einen Stab an guten Freelancern zugreifen. „Gerade bei komplexen Produktionen macht sich die Erfahrung unserer Piloten sehr angenehm bemerkbar“, sagt Koder.
Bei den Luftaufnahmen mit Helikoptern hat das Red Bull Media House bislang mit Cineflex-Stabilisierungssystemen gearbeitet. Seit November letzten Jahres hat man nun auch zwei SHOTOVER F1-Systeme im Gerätepool. Am 5. Mai wurden sie erstmals auch zusammen mit dem neu erworbenen Helikopter Airbus AS350 eingesetzt – bei einem sehr spektakulären Dreh in Reutte in Tirol. Dabei wurde der Durchflug von zwei Alpha Jets unter einer Brücke gefilmt. Der Airbus Helicopter AS350 ist ein leichter Turbinenhubschrauber, der gerne in der Transportfliegerei, aber auch im Filmflug eingesetzt wird.
SHOTOVER-Systeme bieten für hochwertige Produktionen sehr interessante Anwendungsmöglichkeiten, allerdings ist ihre Technik so komplex, dass Anwender umfassende Kenntnisse dazu mitbringen sollten. Koder machte aus diesem Grund eine zweiwöchige Schulung am System im SHOTOVER-Werk in Neuseeland mit. „Die Schulung war eine Fleißaufgabe. Wir wollten das System einfach intensiver kennenlernen. In Neuseeland konnten wir dabei unsere eigenen Systeme durch einen Abnahmeflug testen. Normalerweise dauert eine SHOTOVER-Intensiv-Schulung mit neuseeländischen Trainern nur drei bis vier Tage“, berichtet er.
Das Training in Neuseeland sei sehr praxisorientiert gewesen. „Die Kollegen dort haben uns mit vielen Dingen konfrontiert, die im Produktionsalltag auftreten können“, sagt Koder.
Komplizierte Installation?
Der große Vorteil von SHOTOVER, gleichzeitig aber auch Ursache für die Komplexität, ist die Tatsache, dass man sehr viele unterschiedliche Kombinationen aus Kameras und Optiken in dem System verbauen kann. SHOTOVER liefert mit dem System alles aus, um möglichst jede Kombination zu realisieren. „Mit dem Aufsetzen einer Payload mit Kamera und Optik beginnt dann aber ein relativ komplexer Prozess, weil die Kamera praktisch in dem Kreisel des SHOTOVER-Systems kardanisch aufgehängt wird und im Idealfall möglichst gut ausbalanciert sein sollte. Bei der Montage ist das ein Prozess, bei dem jeder Millimeter zählt. Beim Ausbalancieren sollte man sehr präzise sein, um ein möglichst sauberes Film-Ergebnis in der Luft erzielen zu können“, erklärt Koder. Das habe man beim Red Bull Media House auch bei der Wahl des künftigen Standardequipments für das SHOTOVER-System festgestellt. Die gewählte Optik sei sehr schwer und habe „etwas Tüfteln“ erforderlich gemacht bis das ganze System zufriedenstellend ausbalanciert gewesen sei. Die Standardkonfiguration besteht nun aus einer ARRI Alexa Mini Kamera und einem Fujinon Cabrio 12×25 Objektiv mit einem Brennweitenumfang von 25 bis 300 Millimetern. „Wir können das SHOTOVER-System in vertretbarer Zeit auch auf andere Kameras umrüsten. Derzeit bestehen aber keine konkreten Pläne in dieser Hinsicht“, sagt Koder. SHOTOVER bietet jedenfalls im Vergleich zu anderen Systemen den großen Vorteil, dass man die Flexibilität für Umbaumaßnahmen habe. Dies sei wichtig, weil gerade im Kameramarkt große Dynamik bei Neuentwicklungen zu verzeichnen sei. Heute sei schließlich nicht absehbar, welche Kameratypen in zwei Jahren den Markt beherrschen würden. „Bei früheren kreiselstabilisierten Kamerasystemen war es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, solche Neuerungen mit überschaubaren Kosten zu integrieren. Bei SHOTOVER ist das vergleichsweise einfach“, betont Koder. Die hohe Modularität des Systems biete große Flexibilität – auch im Vergleich zu dem zuverlässigen und sehr robusten Cineflex V14-System, mit dem das Red Bull Media House viele Jahre erfolgreich gearbeitet hätte. „Nach wie vor stellt es für viele Einsatzgebiete ein absolut taugliches System dar“, meint Koder. Mit dem SHOTOVER könne man aber spezielle Anforderungen, die vielleicht vom lichtsetzenden Kameramann kommen würden, besser erfüllen als bei anderen Systemen, weil man hier einfach über deutlich mehr Optionen verfüge.
Mittelfristig will das Red Bull Media House sein Filmflug-Know-how auch anderen zur Verfügung stellen. „Filmflug ist grundsätzlich eine komplexe Sache mit Teilgewerken die idealerweise gut zusammen arbeiten sollten. Unser großer Trumpf ist, dass wir über die vergangenen sieben Jahre hinweg hier sehr viel Know-how aufbauen konnten. Das kann, perspektivisch gesehen, natürlich auch für Dritte interessant sein“, meint Koder.
SHOTOVER-Systeme sind im deutschsprachigen Raum noch relativ wenig verbreitet. „Das hat damit zu tun, dass Filmflug per se eine kostspielige Angelegenheit ist und man durch den Einsatz von Video-Drohnen in der Vergangenheit versucht hat, preiswerter zu produzieren. Aber aus sicherheitstechnischer Sicht ist das auch nicht ganz unproblematisch wie einige Unfälle bereits gezeigt haben“, meint Koder.
Für die Filmfliegerei gebe es einen beständigen Markt. „Ich versuche die erhebliche wirtschaftliche Last, die damit verbunden ist, in Effizienz umzumünzen. Wir sind zu einem sehr frühen Zeitpunkt bemüht, dass die Dinge, die wir produzieren auch das Potenzial haben, lange Zeit aus einem Archiv heraus ausgewertet zu werden und unseren Kollegen intern sehr zeitnah und gut verschlagwortet zur Verfügung stehen. Ich versuche auch, hausinterne Produktionen so zu koordinieren, dass ich zwei, drei Produktionen mit einem Flug abdecken kann“, berichtet Koder. Das SHOTOVER-System ist seiner Ansicht nach auch gut für Live-Produktionen geeignet. Eine solche Produktion war zum Beispiel das Red Bull Hare Scramble am Erzberg (Erzbergrodeo) am 29. Mai, ein Wettbewerb für Enduro-Motorradfahrer in einem gigantischen Tagebau. Die Kamerasignale vom Helikopter wurden dabei per Funktechnik in 1080i HD zum Ü-Wagen übertragen. Hierbei arbeitete das Red Bull Media House mit dem Schweizer Dienstleister TPC zusammen
Am Erzberg war die Alexa Mini im SHOTOVER-System mit einem Fujinon HA 42×9.7 HD, einem 2/3-Zoll Objektiv mit B4-Mount mit 42-fach Zoom, ausgestattet. Koder: „Bei Live-Aufnahmen kann man damit natürlich einen wesentlich höheren Brennweitenumfang abbildet. Und bei Live-Aufnahmen kann man auch verkraften, dass eine 2/3-Zoll-Optik die eine oder andere Blendenstufe kostet. Bei Dokumentarfilm oder szenischer Produktion würde ich das nicht unbedingt riskieren.“
Wenn keine Funkübertragung der Kamerasignale vom Helikopter aus gewünscht ist, sondern die Speicherung von möglichst hochwertigen Videofiles, dann existiert zum einem die Speicherung innerhalb der Kamera auf Speichermedium, was keine lange Flugzeit ohne Wechsel der Speichermedien erlaube, oder auf externen Recordern im Helikopter. Bei letzter Option setzt das Red Bull Media House auf den Odyssey 7Q+ Professional Monitor/Recorder, der unter anderem HD/2k/UHD/4k-Signale über HDMI und SDI-Schnittstellen aufzeichnen kann, ebenso wie Apple ProRes-, RAW-, unkomprimierte DPX- und High Frame Rate-Signale. „Wir arbeiten mit dem Odyssey 7Q weil der uns derzeit die beste Flexibilität bietet, was Speichermedien und Aufzeichnungsmodi angeht“, meint Koder. Wichtig sei hier allerdings, dass das Signal aus dem Kamerakopf in der F1-Kugel möglichst verlustfrei beim Recorder ankomme. Durch Glasfaserwandler ist das SHOTOVER-System grundsätzlich in der Lage, bis zu vier 3G-Signale in das Innere des Hubschraubers zu leiten. Um dabei jegliche Minderung der Signalqualität zu eliminieren, so Kogler, arbeite man an Verbesserungen – auch kameraseitig.
Den SHOTOVER-Kundendienst bezeichnet Koder als „extrem kompetent, schnell und hilfsbereit“. Trotz der räumlichen Distanz seien bei Problemen meist innerhalb kürzester Zeit Lösungsvorschläge gekommen.
Mittlerweile ist man beim Red Bull Media House mit den SHOTOVER-Systemen trotz hoher Komplexität sehr vertraut. „Unsere Standard-Konfiguration habe ich in zwei Stunden einsatzbereit. Wenn ein neues Kamerasystem genutzt werden soll, dann brauche ich vielleicht einen Tag für die Einrichtung“, erklärt der Filmflug-Koordinator.
Eckhard Eckstein
MB 2/2016