Strategisches Interesse

Die Investorengruppe KKR/Permira ist seit Mitte Dezember Mehrheitseigner der ProSiebenSat.1 Media AG. Die kartell- und medienrechtlichen Genehmigungen für den Besitzerwechsel wurden inzwischen erteilt. ProSiebenSat.1 will sich nun zu einem europäischen TV-Konzern entwickeln und plant die Integration des ebenfalls zu KKR/Permira gehörenden Broadcast-Konzerns SBS. Dadurch sollen Synergien bei Programm und Produktion genutzt werden.

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Die Lavena Holding 4 GmbH, eine von KKR und Permira kontrollierte Beteiligungsgesellschaft, hat Mitte Dezember 2006 mit German Media Partners L.P. einen Anteilskaufvertrag über den Erwerb ihrer Mehrheitsbeteiligung an der ProSiebenSat.1 Media AG geschlossen. Die German Media Partners L.P. (GMP) ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Fonds-Gesellschaften unter Führung des Finanzinvestors Haim Saban und hielt über die P7S1 Holding L.P., bis dato 88 Prozent der Stammaktien und 13 Prozent der Vorzugsaktien der ProSiebenSat.1 Media AG.
Die ProSiebenSat.1-Gruppe ist der größte kommerzielle TV-Anbieter in Deutschland. Mit Sat.1 und ProSieben gehören zwei der fünf größten deutschen Fernsehsender der Gruppe an. Die vier werbefinanzierten Free-TV-Sender Sat.1, ProSieben, kabel eins und N24 sind hundertprozentige Töchter von ProSiebenSat.1. Free-TV ist das Kerngeschäft des Unternehmens. Darüber hinaus bietet die Gruppe mit 9Live den Marktführer im Bereich Call-TV. Vier Pay-TV-Sender, die Video-On-Demand-Plattform maxdome sowie Beteiligungen an Internet-Angeboten wie MyVideo und Lokalisten sowie neuerdings auch der Preissuchmaschine billiger.de gehören zu den Aktivitäten, mit denen die ProSiebenSat.1-Gruppe ihre Erlösquellen zunehmend diversifizieren will, um vom TV-Werbemarkt unabhängiger zu werden.
Die Wettbewerbsaufsicht der EU-Kommission und die KEK (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich) haben keine Einwände gegen die Übernahme geltend gemacht. Damit gilt der Vertrag als vollzogen, und KKR/Permira kann rund 88 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien und etwa 13 Prozent der nicht stimmberechtigten Vorzugsaktien an ProSiebenSat.1 übernehmen. Die Lavena Holding 4 GmbH ist nun mit insgesamt rund 50,5 Prozent am Grundkapital der ProSiebenSat.1 Media AG beteiligt. Die Parteien haben sich auf einen Preis von 28,71 Euro je Stammaktie und 22,40 Euro je Vorzugsaktie geeinigt.
KKR und Permira verfolgen mit der Übernahme der ProSiebenSat.1-Gruppe als größtem TV-Konzern in der größten Volkswirtschaft Europas ein strategisches Interesse. Die neuen Gesellschafter wollen durch eine Zusammenführung der ProSiebenSat.1-Gruppe mit ihrer Portfoliogesellschaft SBS Broadcasting einen europäischen TV-Konzern schaffen. Die neue Mediengruppe würde führend bei der strategischen Weiterentwicklung der Fernsehindustrie sein und neue Märkte erschließen.
„KKR und Permira unterstützen voll und ganz unsere gegenwärtige Strategie, das Kerngeschäft Free-TV zu stärken, unsere Erlösquellen zu diversifizieren und die Gruppe für die digitale Welt aufzustellen. Darüber hinaus freuen wir uns über die potenziellen strategischen Perspektiven, die sich der ProSiebenSat.1-Gruppe durch den neuen Hauptgesellschafter eröffnen: SBS ist die führende integrierte pan-europäische TV-Gruppe. Als Kern eines neuen europäischen TV-Konzerns könnten wir unsere erfolgreiche Unternehmensstrategie auf internationaler Ebene weiter ausbauen“, sagte Guillaume de Posch, Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media AG.
Und Johannes Huth, Europa-Chef von KKR, erklärte: „Es ist ganz klar unser Ziel, Nummer eins in Europa zu werden.“ Derzeitiger Marktführer in Europa ist die RTL Group.
Nach Angaben von Konzernchef de Posch könnte der Zusammenschluss von ProSiebenSat.1 und SBS bereits im dritten Quartal 2007 abgeschlossen werden. Über die Kosten der Übernahme konnte ProSiebenSat.1 auf seiner Bilanz-Pressekonferenz 2007 am 22. Februar keine Angaben machen. Finanzchef Lothar Lanz erklärte: „Es gibt bislang nur Vorgespräche mit Banken.“

SBS Broadcasting
SBS Broadcasting S.A. (SBS) ist eine der größten Fernseh- und Rundfunkgesellschaften in Europa. Das Unternehmen wurde 1989 gegründet und ging 1993 an die Börse. Gegründet mit drei skandinavischen Fernsehstationen hat sich SBS heute zu einem führenden paneuropäischen Medienunternehmen in den Bereichen Fernsehen, Pay-TV und Radio entwickelt. Zusätzlich veröffentlicht SBS ein wöchentliches und ein 14-tägiges Fernseh- und Radiomagazin in den Niederlanden. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in den Niederlanden und beschäftigt 2.200 Vollzeitmitarbeiter.
Im Oktober 2005 wurde der Großteil aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten von SBS durch eine Akquisitionsgesellschaft erworben, die von den Permira Fonds und Tochtergesellschaften von KKR gehalten wird. Das Transaktionsvolumen belief sich auf rund 2,05 Milliarden Euro. Im Dezember 2005 wurden durch die Permira Fonds und KKR die Minderheitsbeteiligungen der Telegraaf Media Groep und der Veronica Holding an den niederländischen Aktivitäten der SBS herausgekauft, die im Anschluss den erlösten Betrag wieder in die SBS Broadcasting S.àr.l. investierten.
SBS ist in einigen der am schnellsten wachsenden Werbemärkte in Europa tätig. Das Unternehmen zeichnet sich durch gute Wachstumsaussichten besonders in den noch wenig entwickelten skandinavischen und zentraleuropäischen Märkten aus. SBS erwartet zusätzlich, vom Wachstum des skandinavischen Pay-TV-Marktes zu profitieren. Dieser Markt zeigt im Vergleich zu den weiter entwickelten Märkten wie Frankreich, Großbritannien oder den USA noch immer eine geringe Penetration durch hochwertige Pay-TV-Angebote. Die Digitalisierung des Fernsehens in Skandinavien wird zusätzliche Möglichkeiten für diese Angebote bieten. Derzeit ist SBS in Belgien (Flandern), Bulgarien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Ungarn, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Schweden und Großbritannien aktiv.
Synergien sind indes nicht nur zwischen ProSiebenSat.1 und SBS möglich. Zum Portfolio der Permira Fonds zählt unter anderem auch ALL3MEDIA, Großbritanniens größte unabhängige Fernsehproduktionsfirma. Erst im September 2006 hatten Permira-Fonds für 494 Millionen Euro einen 51 Prozent-Anteil daran erworben. Das Unternehmen verfügt über acht britische und internationale Produktionsgesellschaften, jede mit einer bekannten TV-Marke, und deckt alle Genres ab, mit besonderem Schwerpunkt in den Bereichen Drama, Unterhaltung, Dokumentarfilm und Sportberichterstattung. Das Unternehmen produziert über 1.000 Programmstunden jährlich. ALL3MEDIA hat zudem eine eigene internationale Vertriebsgesellschaft (ALL3MEDIA International), die neben den Eigenproduktionen auch Drittanbieter von Produktionen und Rundfunkbetreiber vertritt. Das Unternehmen verfolgt eine international ausgerichtete Wachstumsstrategie. Sie umfasst auch die Expansion des Unternehmens in neue digitale Vertriebsnetze wie Breitband und Mobile-TV. Das passt prima zu den Diversifikationsaktivitäten von ProSiebenSat.1.
Das gilt übrigens auch für Debitel. Permira hatte im Juni 2004 für 842 Millionen Euro 95 Prozent an Europas größter netzunabhängiger Telefongesellschaft erworben. Debitel bietet Mobilfunk, Festnetztelefonie und Internet an. Das Unternehmen ist zudem als Vertriebspartner der MFD GmbH (Mobiles Fernsehen Deutschland) aktiv, die via DMB (Digital-Multimedia-Broadcasting) Fernsehprogramme für Handy-TV verbreitet. Programme von ProSiebenSat.1 sind hier schon von Beginn an im Boot.
Eckhard Eckstein (MB 03/07)

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