Deutlicher Entwicklungssprung

Die Broadcast-Welt ist im Umbruch. TV-Sender positionieren sich mit ihren Angeboten für die Multiscreen-/Multiplattform-Übertragung. Das führt zu erheblichen Markt-Verschiebungen mit Blick auf Hersteller und Lösungsanbieter. Eine aktuelle Studie von IHS Technology zeigt die Trends auf und erfasst damit in Verbindung stehende Marktdaten. So konstatiert man unter anderem, dass sich die weltweiten Umsätze im Bereich Medientransport-Services in den letzten sieben Jahren fast verdoppelt haben.

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Deutlicher Entwicklungssprung

2013 erreichten die Investitionen in Produkte und Services der Medien- und Broadcast-Industrie, laut den IHS-Marktforschern, rund 78,5 Milliarden US-Dollar. Erwartet wird bis 2017 insgesamt ein jährliches Wachstum von 5,4 Prozent. Dabei gehen indes die Produkt-Investitionen leicht zurück (auf rund 40 Mrd. US-Dollar 2017), wohingegen die Service-Investitionen deutlich ansteigen. Hier wird ein jährliches Wachstum von 10,6 Prozent erwartet (auf über 56,2 Mrd. US-Dollar in 2017). Die stärksten Umsatzbringer sind auf der Produktseite Set-top-Box und Konsumerelektronik und auf der Service-Seite der Signaltransport. Getrieben wird die Entwickung von Produkt- hin zu Service-Investitionen vom anhaltenden Trend, Arbeitsbereichen auszulagern und Inhouse-Technik zu reduzieren. Der Services-Markt ist gleichzeitig im Umbruch. Immer mehr Cloud-basierte Applikationen werden angeboten. So lauten einige Kernaussagen einer Marktstudie, die die Analysten von IHS Technology kürzlich veröffentlicht haben. Maßgeblich beteiligt daran war die neue Abteilung Professional Video, geleitet von Tom Morrod. Sie befasst sich mit der Quantifizierung der Nachfrageseite (Sender, Plattform Operator, Studios, OTT-Anbieter, Retail) und der Anbieterseite für verschiedene Marktsegmente, wie Broadcast Equipment, Broadcast Infrastructure, Media IT- und IP-Anbieter sowie Consumer Equipment. Auf der Anbieterseite erhebt die IHS-Abteilung neben den Marktdaten zum Equipment-Verkauf (Kameras, Mischer, Encoder, STBs etc.) auch solche über Service-Anbieter (Transport, Storage, Asset Management, Cloud Services etc.). Die erhobenen Marktdaten basieren auf Interviews mit Sendern, Medienhäusern, Plattformbetreibern, Produzenten, Studios und Dienstleistern in allen Medienbereichen.

„In der Vergangenheit haben Rundfunksender in In-house-Infrastrukturen investiert, um ihren Tagesbetrieb zu sichern. Redundanz und Skalierbarkeit waren dabei wichtig. Der wettbewerbsintensive Servicemarkt hat nun dazu geführt, dass die Preise für Bearbeitung und Speicherung deutlich runter gegangen sind. Dadurch werden Kosteneinsparungen von bis zu 40 Prozent möglich“, betont Przemek Bozek, Senior Analyst Professional Video von IHS Technology. Er leitet die Forschung im Bereich Transmission Infrastructure and Media Managed Services. Sein Fokus liegt dabei auf den Übertragungsinfrastrukturen von Satellit, Kabel und Terrestrik sowie auf den damit verbundenen Services.

Der globale Markt für Medientransport-Services ist laut IHS-Studie von 2006 auf 2013 von 8,3 Milliarden US-Dollar auf 16,5 Milliarden US-Dollar gewachsen. Dazu beigetragen haben im wesentlichen Serviceanbieter in den fünf Bereichen Satellit, Glasfaser, Content Delivery Network (CDN), Terrestrik sowie Teleports für Up- und Downlinks in der Medien- und Entertainment-Wirtschaft. Die traditionellen Service-Anbieter von Satelliten-, Teleport- und terrestrischen Verbindungen konnten laut IHS ihre Umsätze etwa verdoppeln, Anbieter von Services in den Bereichen Glasfaser und Content Delivery Network (CDN) hingegen konnten sie verdreifachen beziehungsweise versechsfachen. IHS prognostiziert nun eine jährliche Wachstumsrate von sechs Prozent in den nächsten vier Jahren für die gesamte Medientransport-Service-Branche. Getrieben wird das Wachstum bei den traditionellen Service-Providern im Bereich der Satelliten, Teleports und terrestrischen Netze durch die Zunahme an Verbreitungskanälen, die Multicast-Aktivitäten der Sender und die Vervielfachung der Endgeräte für Medienempfang und -nutzung. Betreiber von Glasfasernetzen profitieren bei der Kontribution vom wachsenden Bedarf an Bandbreiten, hoher Übertragungsgeschwindigkeit und einfachem Feed-Management. Sie sind hier, laut IHS, gegenüber den Betreibern von Satelliten-Netzwerken im Vorteil. Und CDN-Anbieter profitieren von der wachsenden Mediennutzungsvielfalt mit sogenannten Connected Devices, einer zunehmenden Multiscreen-Akzeptanz. „Die CDNs konnten von allen untersuchten Service-Provider-Kategorien das größte Wachstum verzeichnen. Das veränderte Medien-Nutzungsverhalten der Konsumenten in Richtung personalisiertes Sehen und Mediennutzung außerhalb der eigenen vier Wände schlägt sich bei ihnen besonders stark nieder“, betont Bozek. Allein von 2013 auf 2014 sei der Umsatz beim Medientransport der CDNs um 11,5 Prozent angestiegen. Ursächlich dafür seien insbesondere die großen Sportevents Olympische Winterspielen 2014 und Fußball-Weltmeisterschaft 2014 gewesen. Akamai habe zur FIFA WM beispielsweise beim Halbfinalspiel Deutschland gegen Brasilien einen Traffic-Rekord von 5.8 Tbps verzeichnet. Die Unsicherheit der Broadcaster über die Zukunft, so Bozek, habe dazu geführt, dass auch die OTT-Geschäfte (Over-the-Top TV) bislang stagniert hätten, nun aber mit der Verfügbarkeit neuer Plattformen und Applikationen einen deutlichen Entwicklungssprung erwarten ließen. Der einfachere Zugang zu Services führe auch dazu, dass sich entsprechende Angebote leichter monetarisieren ließen und Inhalte leichter auffindbar würden. „Alle Programmanbieter überlegen derzeit den teilweisen oder vollständigen Wechsel von In-house-Lösungen hin zu den Angeboten von Managed Service Providers (MSPs). Die Frage ist nicht mehr ob sondern wann das passiert“, betont Bozek. Grund dafür sei eine starke Fokussierung auf das Kerngeschäft Programmproduktion und Distribution und weg von Server Management und Bearbeitung der Assets. Zudem könnten eigene Betriebskosten gesenkt werden indem man die Skaleneffekte der Service-Provider nutzte. „Große Kostenteile können von CAPEX (Investionsausgaben) auf OPEX (Betriebskosten) umgelegt werden. Es ist besser auf die bereits erfolgreich eingesetzten Werkzeuge von Drittanbietern zu setzen als in etwas zu investieren, das intern womöglich nicht richtig funktioniert“, meint Bozek. Im Ergebnis würden bei den Sendern und Inhalte-Produzenten die Investitionen in Services zunehmen und die in Produkte abnehmen. Die Untersuchung von rund 100 Herstellern hätte ergeben, dass der Produktabverkauf zwar leicht nachlasse aber nicht, wie von manchen befürchtet, auf extremer Talfahrt sei. Produktinvestitionen würden weiterhin getätigt, allerdings an anderer Stelle – statt beim Sender künftig vermehrt beim Dienstleister, der ausgelagerte Workflows übernimmt. „Der traditionelle Broadcast-Produktmarkt einschließlich Equipment für Inhalte-Akquisition und -Management mit Kameras, Optiken, Mischern, Encodern und Monitoren ist stabil, obwohl die Firmen, die entsprechende Produkte anbieten, einige ihrer Abteilungen restrukturieren mussten, um sich auf niedrigere Margen einzustellen. Das hat bereits zu einigen Übernahmen und Zusammenschlüssen geführt. Mehr davon sind zu erwarten“, betont IHS-Analyst Bozek.

IHS sieht eine schnelle Entwicklung Richtung managed und cloudbasierte Services mit seinen primären und sekundären Angeboten. Die primären Angebote stammen von Web-Service-Providern an Inhalte-Anbietern und -Distributoren, die sekundären Angebote von Mittlern. Das sind Firmen, die eine eigene Plattform betreiben, die aber auf Servern eines anderen Unternehmens laufen. In Sachen ultrahochauflösendes Fernsehen (UHD) prognostiziert IHS, dass die ersten Kanäle mit dem neuen Standard Ende 2015 und 2016 an den Start gehen werden. Gleichzeitig würden auf dem Markt ausreichend HEVC-Set-top-Boxen zur Verfügung stehen, die den Zuschauern die Nutzung der HD-Angebote ermöglichten. Einen kommerziellen Massenmarkt für UHD erwarten die IHS-Analysten indes erst 2021/2022.

Eckhard Eckstein

MB 7/2014

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