Am ersten Tag der Konferenz stellten sich die Firmen am Standort Potsdam-Babelsberg vor, die zu diesem Technologiewandel beitragen. Am zweiten Tag wurde in mehreren Panels und Vorträgen auf die Herausforderungen dieses Wandels eingegangen. Nachdem Kate Rowland, Gründerin und Creative Director des BBC Writers Room, die Bedeutung innovativen Erzählens als Grundlage des Filmemachens erläutert hatte, wandte man sich im anschließenden Panel direkt der technischen Umsetzung zu. Diese steht ganz im Zeichen von Kostenersparnis und Effizienz, denn ein YouTube-Video mit 1.000 Dollar Kosten pro Minute muss sein Publikum gleichermaßen fesseln wie der letzte Spiderman-Film, dessen Minutenpreis bei circa zwei Millionen Dollar lag.
Die Ironie an diesem von Mark Kennedy, CEO der Drehbuch-Software Celtx, genutzten Vergleich liegt darin, dass der letzte Spiderman-Film wirtschaftlich so unerfreulich abschnitt, dass der nächste Teil erst einmal verschoben wurde, um das Konzept zu überdenken. Effizienz, so das Fazit des Panels, entsteht in erster Linie aus kollaborativem Arbeiten sowie dem Erheben und Austausch von Metadaten (s. hierzu den Artikel über die dwerft-Konferenz). „Metadaten mit dem Computer, statt mit Papier zu erheben, spart zwei Stunden Arbeit pro Drehtag“, erläuterte Yannic Hieber, CMO von Easy-Scott, dessen Firma eine entsprechende Software anbietet.
Eine andere Art der Effizienz stellte Michael Cioni, CEO von Light Iron vor. Mit Light Iron Outpost hat er eine mobile Postproduktionseinheit erfunden, die an das Set mitgenommen wird und mit der sämtliche Aufnahmen parallel bearbeitet werden, so dass sie am Abend inklusive VFX in einer quasi finalen Form vorliegen. Damit soll die Filmproduktion schneller werden, um durch die Veröffentlichungsgeschwindigkeiten von Web und Fernsehen nicht weiter abgehängt zu werden. Cioni meint, dass „Post“ im Begriff Postproduktion keine Relevanz mehr hat. Wie sehr Technik mittlerweile Einfluss auf die Qualität eines Bildes hat, erläuterte er am Beispiel von David Finchers Film „Gone Girl“, an dem er beteiligt war: während es längst üblich ist in einer höheren Auflösung zu drehen, als der Film vertrieben wird, um den Überschuss für Bildkorrekturen verwenden zu können, ging Fincher zwei Schritte weiter. „Gone Girl“ wurde mit einer Red Dragon in 6k gefilmt, mit Adobe Premiere geschnitten und in 8k auf dem Pablo Rio-DI-System von Quantel farbkorrigiert und gefinished. Fincher hat die hohe Auflösung genutzt, um Szenen aus verschiedenen Takes zusammen zusetzen. So wurde jeweils der beste Moment einer Figur ausgewählt, statt das beste gemeinsame Take. Eine Bar-Szene bestand so aus fünf einzelnen Teilen. Außerdem wurden Momente digital verdichtet, was dazu führte, dass aus der ersten Stunde des Films etwa zehn Minuten entfernt wurden, um die Geschichte schneller zu machen.
Einen Nachteil von Kinofilmen gegenüber TV-Serien sieht Cioni jedoch nicht nur in deren spezifischen Erzählform, sondern darin, dass junge Menschen, Kino mit seiner Vorgabe, schweigend das anzusehen, was angeboten wird, als unsozial empfinden würden, da sie gewohnt seien, sich in Echtzeit auszutauschen und das Angebot gegebenenfalls zu wechseln, zu unterbrechen oder zu beschleunigen. Bleibt die Frage, wie man sein Publikum findet und bei der Stange hält – oder ist es nicht vielmehr so, dass das Publikum sucht und findet und die Kreativen nur das richtige Angebot bereit halten müssen? Denkt man an die ganz großen Erfolge der Kinogeschichte, war wohl schon immer Letzteres der Fall. In Zeiten überbordender Angebote wird das Finden jedoch immer schwieriger. Vorschläge, wie man sie auf Empfehlungs- und Mitmachplattformen wie Moviepilot findet, sind da essentielle Hilfen. In der finalen Keynote riet Mitch Singer, Präsident von Digital Entertainment Content Ecosystem aus Los Angeles, der Kino- und Filmbranche, sich zu entspannen: „Anstatt Veränderungen zu bekämpfen, sollte man daraus neue Marktchancen entwickeln.“ Um das zu erreichen, sollte man auf existierendem Verhalten aufsetzen, denn die meisten Menschen seien nicht in der Lage, sich schnell Neuerungen anzupassen und spontan schon gar nicht. Und eine weitere Erkenntnis verkündete er, die jedoch größeren Einfluss auf die Unterhaltungsbranche haben dürfte, als man zunächst denkt: die Zeit der Babyboomer ist seit 2014 offiziell vorbei. Die Vertreter der Generation X und der Millennials sagen jetzt wo es lang geht.
Thomas Steiger
MB 1/2015
© transferMedia Ulf Büschleb