Deutsche Tierfilmer sind Weltspitze

Beim 14. NaturVision Filmfestival in Ludwigsburg in diesem Sommer präsentierten über 100 Natur- und Tierfilmproduktionen Einblicke in faszinierende Naturlandschaften und Tierwelten. Top Player dieses Genres auf dem internationalen Markt sind die BBC und National Geographic. Doch deutsche Tierfilmproduktionen beweisen ebenso internationale Klasse und gehören wieder zur Weltspitze.

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Deutsche Tierfilmer sind Weltspitze

Tierfilmer liegen mit ihren Kameras auf der Lauer, tagelang, manchmal wochenlang, um einzigartige Bilder einzufangen von Tieren in ihren natürlichen Lebensräumen. Sie zeigen seltene Hörnchen, die nur in der Seguaro Wüste Arizonas leben und nach einem Skorpionbiss sich erst tot stellen und dann wieder „auferstehen“, weil sie offensichtlich ein Gegengift besitzen; Tierfilmer stellen schlaue Alligatoren in den Everglades vor, die Stöckchen auf der Nase balancieren, um dort nistende Vögel anzulocken, die solche Hölzer für ihren Nestbau benötigen. Sie begleiten Elefantenherden auf Borneo entlang des Kinabatangan-Flusses, die im Wasser baden oder sie drehen Bilder von Vogelfamilien im schon eher vertrauten Alpenvorland beim Füttern, Schlafen und wenn die Jungen flügge werden.

Naturfilm als Pionier für die Technik

Die Faszination von intakten Natur- und Tierwelten, aber auch die Aufklärung sich für den Schutz der Naturräume und Artenvielfalt einzusetzen, hat den Naturfilm seit Bernhard Grzimeks oder Heinz Sielmanns Zeiten beschäftigt. Und die Naturfilmer gehörten immer zu den Pionieren der neuesten Technik, die sie für ihre spektakulären Aufnahmen zu nutzen wissen. Der diesjährige Ehrenpreis des NaturVision Festivals ging an den Tierfilmer und Kamerapionier Kurt Hirschel. Er wollte immer noch genauer hinschauen und vermeintlich Unsichtbares sichtbar machen. Dafür hat er schon früh Makrooptiken und Zeitlupentechnik beim Drehen eingesetzt. Für eine Dokumentation über Spinnen hat er bereits in den 1970er Jahren für die Nahaufnahmen eine stroboskopische Technik mit zwölf synchronisierten Blitzlampen entwickelt, die es ihm ermöglichte, bis zu 500 Bilder pro Sekunde zu filmen. Im aktuellen Tierfilmschaffen gehören Zeitlupen- oder Zeitrafferbilder, Luftaufnahmen und auch CGI zum Standard. Obschon einige Redakteure der öffentlich-rechtlichen Sender bei einer Podiumsveranstaltung klar stellten, dass insbesondere der Einsatz von CGI nicht zur Effekthascherei dienen sollte, in dem Glauben, auf diese Art die Zuschauer im Quoten umkämpften Markt am Schirm zu halten. Die Zuschauer wollten vielmehr real gedrehten Bildern zuschauen, denen sie trauen können, dass diese nicht manipuliert sind. Daher sei CGI nur dann eine Option, um Vorgänge sichtbar oder hörbar zu machen, wenn es gar nicht anders geht.

Die für die ARD gedrehten Auftragsproduktionen finanzieren sich, neben dem Einsatz im Ersten, vor allem über die Dritten Programme, wo die Tierfilme gute Quoten erzielen. Aufwändigere Produktionen müssen sich über internationale Koproduktionen oder Presales finanzieren. BR-Redakteur Bernd Strobl erklärte in Ludwigsburg: „Wir benötigen heute weit mehr Geld als früher. Mit 100.000 Euro brauchen wir gar nicht mehr anzufangen.“ Höhere Budgets, die in der deutschen Produktion allerdings in der Regel auch unter 500.000 Euro liegen, kommen nur über Koproduktionen zusammen. Franz Fuchs vom ORF stellte in Ludwigsburg die Produktion „Triumph der Tomate“ vor, ein Film, der die komplexe Geschichte der Tomate in opulente Bilder packt. „Diesen Film haben wir nur finanzieren können, indem wir den Film vorab nach China verkauft haben.“

Serie über die amerikanischen Nationalparks

„Im europäischen Markt haben wir heute zur BBC aufschließen können“, weiß Jörn Röver, Geschäftsführer der Doclights GmbH, die im Auftrag des NDR alle Tierfilme des Senders produziert und seit einigen Jahren auch mit internationalen Partnern große High-End-Produktionen für den Weltmarkt auf die Beine stellt. Einige sorgten sogar im Kino für Furore. Die Doclights hat sich mit diesen Erfolgen sogar zu einem der wichtigsten Tierfilmproduzenten für National Geographic entwickelt. Beim NaturVision Festival wurden zwei Folgen der achtteiligen ARD-Reihe „Amerikas Naturwunder“ vorgestellt, die eine Koproduktion von NDR, Doclights, ORF, ARTE und National Geographic ist. Die BBC stellt für seine Produktionen regelmäßig Budgets zwischen 500.000 und 800.000 Euro zusammen und für große High End Serienproduktionen liegen die Etats zwischen ein und zwei Millionen Euro“, so Jörn Röver: „Das ist der Grund warum wir mit den BBC-Produktionen vom Aufwand her nicht mithalten können.“ Die Doclights hat bereits einige Koproduktionen mit National Geographic realisiert, die auf die qualitativ herausragende Arbeit deutscher Tierfilmer aufmerksam wurden. Röver: „Der Programmchef von National Geographic Steve Burns hatte unsere Produktionen ‚Wildes Russland’ wie auch ‚Mythos Wald’ von Jan Haft angeschaut und war begeistert von den intensiven magischen Bildern und vor allem von den Aufnahmen aus der Tierwelt, die er in amerikanischen Produktionen so noch nicht gesehen hatte.“ 2016 ist in den USA das 100-jährige Jubiläum der Nationalparkverwaltung, für die National Geographic eine besondere Serie plante. „Burns wollte uns diese Serie drehen lassen, die in Deutschland bei ARD und ARTE zu sehen ist, wenn wir die dortigen Lebensräume und Tierarten mit ebensolchen Bildern beschreiben, wie sie bisher noch nicht zu sehen waren. Das ist kein geringer Anspruch, wenn man bedenkt, wie viele Filmteams dort jedes Jahr drehen. 50 Prozent der Finanzierung kam aus den USA, die andere Hälfte haben wir mit Partnern in Europa aufgestellt. Damit konnten wir über einen mit BBC-Produktionen vergleichbaren Etat verfügen.“

In Ludwigsburg vorgestellt wurden die beiden Produktionen über den Yosemiti- und Saguaro-Nationalpark. Die Saguaro Wüste in Arizona und New Mexiko ist eine einzigartige Naturlandschaft. Unter welchen extremen Bedingungen die Teams dort drehen mussten, verriet Kameramann Yann Sochaczewski, der bei Temperaturen über 40 Grad nicht mehr seine Kamera anfassen konnte, ohne sich zu verbrennen. Oder es galt Team und Ausrüstung sofort in Sicherheit zu bringen, wenn urplötzlich orkanartige Stürme aufzogen. Insgesamt waren neun Kameraleute für diese Produktion im Einsatz; die Produktionszeit betrug dort hunderte von Drehtagen. Gefilmt wurde mit der ALEXA-Kamera mit Highspeed-Technik und für die Zeitrafferaufnahmen wurden hochauflösende Fotokameras verwendet, mit denen die aufblühenden Kakteen eingefangen wurden. Weitere Bordmittel waren Schnorcheloptiken, um mit Miniaturkameras in Höhlen oder Bauten zu gelangen und für die Luftaufnahmen wurden Helikopter oder Drohnen angemietet.

„Dies war die teuerste und aufwändigste Produktion für Doclights. An solchen Großprojekten arbeiten mehrere Filmteams drei Jahre“, bestätigt Röver. Deutsche Tierfilmer, oft Biologen und Tierforscher, entdecken Verhaltensweisen und liefern mit ihren gefilmten Beobachtungen Erklärungsansätze für die Tierforschung und Verhaltensbiologen. „Die deutschen Tierfilmer sind sehr engagiert und bleiben oftmals länger als die bezahlten Tage am Drehort. Sie stehen mit ihrem Namen für die Produktion und wollen etwas Besonderes produzieren und nicht nur die vereinbarten Drehtage absolvieren und das Material abliefern.“

Aufnahmematerial in 4k

An neueren Standards sieht Röver vor allem die 4k-Technik, auch wenn es noch einige Jahre dauert, bis Produktionen in diesem Format ausgestrahlt werden. Die 4k-Kameras sind heute bereits Standard, Kameras von RED, Arri, Sony oder Pansonic. Deshalb lässt Röver die aufwändigen Produktionen bereits in 4k drehen, um dieses hochauflösende Material für spätere Auswertungen archivieren zu können. „Wir setzen es bereits ein, weil wir überzeugt sind, dass dieses hochauflösende Material eine höhere Wertigkeit besitzt. Und National Geographic hat bereits angefragt, ob wir auch 4k liefern können.“ Auch bei den Minikameras, die beim Tierfilmen häufig zum Einsatz kommen, wird in 4k gedreht. Röver nennt als Beispiel die GoPro Hero 4 Kamera. Diese Minikamera zeichne in 4k auf, verfüge allerdings nicht über den gleichen Kontrastumfang und die gleiche Farbtiefe wie die großen Kameras. Das in 4k aufgezeichnete Bildmaterial wird in der Postproduktion dann in HD endbearbeitet. 4k bringe jedoch für die Kameraausrüstung höhere Kosten mit sich. Der Technikaufwand ist größer, da die Optiken für diese Auflösung optimiert werden müssen. Zudem müssen aus der Bewegung heraus gedrehte Bilder stabilisiert werden, wofür speziell entwickelte Stabilisatoren zum Einsatz kommen. „Das sind teleskopartige Gestänge, welche die Kamera selbst bei großen Bewegungen ruhig halten. Der Kameramann kann neben den Tieren herlaufen oder fahren und diese Bilder bleiben absolut wackelfrei. Diese Aufnahmen wirken so, als schwebt die Kamera dahin.“ Im Bereich der Luftaufnahmen bieten sich heute mit Minikameras ausgerüstete Drohnen als Alternative für teuere Helikopterflüge an. Diese dürfen allerdings ein bestimmtes Gewicht und Größe nicht überschreiten, da sie ansonsten genehmigungspflichtig sind. Auch im Bereich der Nachtaufnahmen erwartet Röver noch weitere Entwicklungen. Bisher sind Aufnahmen mit Restlichtverstärkern noch immer stark verrauscht und Farben nur schwach zu erkennen. Infrarotkameras der neuesten Generation bieten immerhin schon gestochen scharfe Bilder bei völliger Dunkelheit, wenn auch nur schwarz-weiß.

Problematik Tonaufnahmen

Nicht zu unterschätzen ist bei der Natur- und Tierfilmproduktion die Problematik der Tonaufnahmen. Einmal, weil die Tierfilmer viele Bilder mit langer Brennweite drehen und dadurch das Bild weiter als der Ton reicht. Filmemacherin Annette Scheurich schilderte in einem Radiogespräch im SWR 2 Forum die Schwierigkeiten, bei einem Tierfilmdreh den Ton aufzunehmen: „Ein Tier, das sich 500 Meter entfernt von der Kamera aufhält, da ist nicht mehr hörbar, wie es in der Erde scharrt oder am Stein kratzt.“ Für solche Fälle wird nach vertont und die Dienste von Geräuschemachern in Anspruch genommen.“ Und wer in Deutschland dreht“, so Scheurich, der wird es schwer haben, einen O-Ton einzufangen, ohne dass sich nicht Störgeräusche darauf legen.“ „Bei unseren Produktionen wird der Ton zwar mitgedreht, aber nicht zeitgleich“, berichtet Röver. Das Mikro werde in die Nähe des Tieres platziert, wenn die entscheidenden Bilder schon aufgenommen wurden. Der Ton wird dann im Schnitt unter die entsprechenden Bildpassagen gelegt. Und wie die Kollegen der Spielfilmproduktion wissen auch die Tier- und Naturfilmer, die Musik als Gestaltungsmittel für die emotionalen Momente zu nutzen. Für den Tierfilm sicher nicht unwichtig.

Bernd Jetschin

MB 7/2015