Medienpolitische Signale

Unter dem Motto „Schöne neue Medienwelt: vernetzt, offen, mobil" ging vom 18. Bis 20. Juni 2012 das 24. Medienforum. NRW über die Bühne. Wie im Vorjahr registrierte man über 3.000 Besucher. Geboten wurden ihnen im Staatenhaus der KoelnMesse über 60 Einzelveranstaltungen mit rund 260 Referenten.

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Medienpolitische Signale

Das vom Medienforum.NRW 2012 präsentierte Themenspektrum war gewohnt breit angelegt und konzentrierte sich auf die aktuellen Trends in der Medienentwicklung. Dabei war der Focus nicht so stark wie in den Vorjahren auf reine Business-Themen gerichtet. Intensiv diskutiert wurden unter anderem auch das sich wandelnde Mediennutzerverhalten, die Entwicklung neuer inhaltlicher Formate, die Medien-Regulierung und die Arbeit von Journalisten in der digitalen Welt. Zusätzlich zu den bereits etablierten Kongresssparten für TV, Film, Publishing und digitale Medien wurde mit dem Open Government Summit in diesem Jahr erstmals ein Schwerpunkt auf moderne Online-Partizipationsmodelle gelegt. „Das Medienforum.NRW hat zum 24. Male Experten und Interessierte zusammengebracht – und das im 25. Jahr des Bestehens der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) als Veranstalter. Auch in diesem Jahr hat sich gezeigt, dass sowohl Themenauswahl als auch die Auswahl der Experten auf den Podien den notwendigen Diskurs über aktuelle Entwicklungen der Medien ermöglicht haben“, bilanzierte LfM-Direktor Dr. Jürgen Brautmeier nach drei Kongress-Tagen. Für ihn sei wieder einmal „im positiven Sinne überraschend“ gewesen, dass es in Köln die Mischung aus nationalen und internationalen Referenten, aus jungen und erfahrenen Besuchern ist, die für alle Gäste offenbar anziehend wirkt. „Persönlich habe ich mich auch über die positive Resonanz zum Festakt anlässlich des 25-jährigen Bestehens der LfM gefreut“, sagte Brautmeier. „Was Festredner Alexander Kluge zum Thema Programmvielfalt gesagt hat und wie er es gesagt hat, war beeindruckend und fast schon ein bemerkenswerter zeitgeschichtlicher Medienmoment“, betonte er.

Das 24. Medienforum.NRW versuchte wie gewohnt auch einige medienpolitische Signale zu senden. So forderte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mehr Online-Entfaltungsmöglichkeiten für ARD und ZDF. Insbesondere müsse auch darüber diskutiert werden, ob die im Rundfunkstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Online-Bereich festgeschriebene Sieben-Tage-Frist zweckmäßig sei. Kraft bezeichnete es als „nicht einleuchtend“, dass ARD und ZDF viele Angebote nach sieben Tagen im Internet bereits wieder löschen müssen. Darüber hinaus sprach sich die Ministerpräsidentin erneut für die Abschaffung von Werbung sowie die Reduzierung der digitalen TV-Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Zu den medienpolitischen Vorhaben der neuen Landesregierung, die Kraft zum Auftakt des 24. Medienforum.NRW in Köln erstmals präsentierte, gehört eine ganze Reihe neuer Initiativen. So gelte es etwa, das Pressefusionsrecht insofern zu lockern, dass im Fall des drohenden Aus von Zeitungshäusern Sanierungsfusionen erleichtert würden, erklärte die Ministerpräsidentin. Außerdem soll die neue „Stiftung Vielfalt und Partizipation“ Projekte unterstützen, die beispielsweise im Ausbildungsbereich die Qualität, Unabhängigkeit und Vielfalt von Medieninhalten fördern. Mit dem Innovationsprogramm „Digitale Medien NRW“ stehen ab sofort bis zu zehn Millionen Euro aus dem europäischen Ziel-2-Programm für Nordrhein-Westfalen zur Verfügung, um kleine und mittlere Unternehmen aus Bereichen wie Online, Games und Mobile zu unterstützen. Für die Förderung der Kino-Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen seien für die kommenden zwei Jahre bis zu drei Millionen Euro eingeplant.

Die ARD-Vorsitzende Monika Piel und ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut stellten in Köln die Konzepte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die digitale Zukunft vor. Piel forderte bei der Gelegenheit „gleiche Ausgangsbedingungen“ in Bezug auf Urheberrechte, Netzneutralität und die nationale Regulierung. Zum Thema öffentlich-rechtliche Digitalkanäle kündigte die ARD-Vorsitzende ein Gespräch mit den Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU) an.

ZDF-Intendant Bellut wies darauf hin, der Sport-Bereich könne zum „Einfallstor“ von Google in das klassische TV-Geschäft werden. Der Suchmaschinen-Marktführer verfügt zum Beispiel über die Rechte für die Olympischen Spiele in 64 Ländern. Weil bei sportlichen Großereignissen keine eigenen kreativen Inhalte erstellt werden müssten, rechnet Bellut mit „deutlich aggressiveren Aktionen von den Googles dieser Welt“. Wichtige Themen in Köln waren auch Social TV und Second Screen. Deutlich wurde, dass sie eine besondere Herausforderung für die TV-Branche darstellen. Richard Allan, Director of Policy Europe von Facebook meinte, dass Social Media die Medientechnologie „humanisiert“. Digitale Applikationen für alle Endgeräte würden dazu beitragen, dass aus Individuen Gemeinschaften entstehen und dass die Sphären global und lokal kein Widerspruch mehr seien. Nun gehe es darum, dass Social-Media-Elemente als „social programming guide“ in alle Medien integriert würden. So entstehe ein neuer Marketingkanal für Inhalte.

Während Vertreter privatwirtschaftlicher und öffentlich-rechtlicher Programme gemeinsam in der sogenannten Content Allianz für einen besseren Urheberrechtsschutz im digitalen Zeitalter kämpfen, sind die Positionen in Bezug auf Online-Anwendungen wie die Tagesschau-App grundverschieden. Über die Verhandlungen im Streit um die Tagesschau-App sagte Piel, sie sei jenseits der rechtlichen Auseinandersetzung weiterhin an einem „Interessenausgleich“ interessiert. Der Vorsitzende des Zeitungsverlegerverbands Nordrhein-Westfalen (ZVNRW), Christian Nienhaus berichtete indes, dass die Einigungsversuche der Verleger mit ARD/ZDF bislang ergebnislos seien, weil die öffentlich-rechtlichen Sender schon mehrfach Nachverhandlungen zu bereits erfolgten Vereinbarungen gefordert hätten. Er betonte, es sei nie Forderung der Verleger gewesen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine aufwändig produzierten Programme bereits nach sieben Tagen im Internet löschen solle. Das Kernproblem seien vielmehr die online und mobil verbreiteten, ungeheuren Textmengen mit presseähnlichem Charakter. Nienhaus und Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), begrüßten den von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgelegten Entwurf zum Leistungsschutzrecht für die Presse. „Damit können wir uns endlich zur Wehr setzen – gegen sogenannte Harvester, die die Angebote der Verlage im Internet kommerziell verwerten, ohne dafür zu bezahlen“, sagte Heinen. Und Nienhaus erklärte: „Wir möchten das Recht an Eigentum, das zu schaffen wir mitgeholfen haben, geschützt wissen.“

Bedenken meldete er allerdings gegen die von Staatsekretär Marc Jan Eumann beim Zeitungsgipfel vorgestellte Stiftung zur Förderung der Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien in NRW an. Staatsferne sei unbedingt geboten. Die beste Förderung von Vielfalt sei es, betonte der Landesverbandschef, „den privaten Verlagen eine gute wirtschaftliche Grundlage zu schaffen”. Nachdrücklich begrüßte Nienhaus hingegen die Ankündigung der Landesregierung, auf weitere Fortschritte beim Pressekartellrecht hinzuwirken, um künftig auch eine Sanierungsfusion zu ermöglichen. „Wir sind nicht auf Subventionen aus, wir fordern aber faire Chancen”, ergänzte der Landesvorsitzende.

Das Medienforum.NRW bot wieder eine Diskussionsplattform für alle Medienbereiche. „Dank der vier Kongresssparten TV, Digital, Publishing und Film konnten Experten und Besucher branchenübergreifend mediale Grenzen überwinden und die Folgen der Digitalisierung diskutieren. Die interdisziplinäre Perspektive ist uns ebenso wichtig wie die internationale“, erläuterte Dr. Gernot Gehrke, Geschäftsführer der LfM Nova GmbH, die das Medienforum.NRW organisiert.

Bei der Auswahl von Referenten und Diskussionsteilnehmern habe sich die Mischung erfahrener Experten und junger, innovativer Medienmacher wie internationaler Top-Speaker erneut bewährt. Auch der Internationale Filmkongress der Kongresssparte Medienforum.Film verzeichnete eine gute Resonanz bei den Besuchern. „Der über drei Tage voll besetzte Kongressraum zeigt, dass der Kongress sehr gut angenommen wird. Mit über 800 Gästen war die Filmparty zentraler Branchentreffpunkt”, erklärte die Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, Petra Müller. „Der Film- und Medienstandort NRW geht mit guten Impulsen und konkreten Neuerungen in den Sommer”, sagte sie und verwies auf das Innovationsprogramm Digitale Medien NRW, das Pilotförderprogramm zur Entwicklung innovativer Entertainmentformate und die Neuansiedlung des Ufa Lab NRW.
Eckhard Eckstein
(MB 07/08_12)

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