Einzigartige Leistung

SonoVTS hat im Auftrag von Generalunternehmer Sony und in enger Kooperation mit FIFA-Hostbroadcaster HBS die zentrale Produktionstechnik für zwölf Stadien der Fußball-WM 2014 in Brasilien in zwölf Reefer-Container integriert. Die damit verbundene technische und logistische Leistung ist weltweit einmalig. Vor der Verschiffung der Container nach Brasilien hatte MEDIEN BULLETIN Gelegenheit, sie am Installationsort, in einer Münchner Fabrikhalle, zu besichtigen und mit HBS-Chefingenieur Christian Gobbel über Planung und Bau zu sprechen.

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Einzigartige Leistung

Wohl kaum jemand, der die tollen TV-Bilder von der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien genießen konnte, hatte eine Ahnung davon, dass zentrale Technik für deren Produktion in einer ehemaligen Münchner Gießerei installiert wurde. FIFA-WM-Hostbroadcaster HBS war aus sicherheitstechnischen Erwägungen auch sehr bemüht, die Aktion möglichst geräuschlos über die Bühne gehen zu lassen. Dabei sind Planung, Installation, Test, Inbetriebnahme und Bereitstellung der in München entstandenen mobilen Produktionseinheiten eine weltweit einzigartige technische und logistische Leistung. Da die TV-Produktion der FIFA WM 2014 an zwölf bis zu 3.000 Kilometer voneinander entfernt liegenden Spielorten mit herkömmlicher Ü-Wagen-Technik nicht zu realisieren war, entschieden sich FIFA TV und der Hostbroadcaster HBS, die für jedes Stadion nötige Produktionstechnik in Standard-Reefer-Container einzubauen und diese dann auf die Technik-Compounds an den Stadien zu verfrachten. Mit Bau und Installation der Produktionscontainer für jeden der zwölf WM-Spielorte hatten FIFA und HBS als Generalunternehmen (GU) Sony beauftragt und Sony wiederum als Subunternehmen die Münchner Firma SonoVTS. Ein dreizehnter Container war bereits zum Confederations Cup 2013, der wieder als Test für die WM diente, von SonoVTS gebaut und in Brasilien erfolgreich eingesetzt worden. Bei der WM 2014 war er als Reservecontainer auf dem Gelände des International Broadcast Centers (IBC) in Rio de Janeiro geparkt.

Standard-Reefer-Kühlcontainer wiegen ohne Inhalt vier Tonnen, mit integrierter HBS-Produktionstechnik waren es dann zwölf Tonnen. Die Aluminiumgestelle für die eingebauten Geräte waren in der Längsachse mittig auf Gummipuffern und Holzbohlen, wie sie im Fahrzeugbau verwendet werden, aufgesetzt und verspannt worden. Jeder der Produktionscontainer war genau identisch aufgebaut. Auf den Technik-Compounds an jedem Stadion waren sie leicht auszumachen, weil sie mit großen orangfarbenen Zu- und Abluftschläuchen verbunden waren. „In die Containern wird kalte Luft hinein geblasen, und warme Luft rausgesaugt“, erklärt Christian Gobbel, Chefingenieur bei HBS. Ein gut funktionierendes Kühlsystem sei bei den in Brasilien vorherrschenden Temperaturen sehr wichtig. Entsprechend sei das Technik-Rack, das sich über die gesamte Länge des Containers erstreckt, aufgebaut. „An der Frontseite der Geräte ist die kalte Klimazone, an der Hinterseite die warme. Wir ziehen durch die Racks kalte Luft und führen die dann erwärmte wieder ab“, sagt er. Spezielle Leitbleche sorgen dafür, dass die Wärme der einzelnen Geräte korrekt abgeleitet wird. Gobbel ist ausgebildeter Toningenieur mit langjährigen Erfahrungen im Ü-Wagen- und System-Bau. Er war früher Teilhaber und Geschäftsführer bei Sono Studiotechnik und danach zehn Jahre als Freiberufler tätig bevor er 2004 als Venue-Ingenieur zu HBS kam. Sein erstes Projekt für die FIFA war die WM 2006 in Deutschland.

Die Kühlrippen im Boden der Reefer-Container nutzten HBS und SonoVTS zur Kabelführung. „Da passen prima alle Kabel rein. Alles ist wunderbar zugänglich. Das ist in manchem Ü-Wagen nicht so gut gelöst“, meint Gobbel. Wichtig für die Produktionscontainer sei die redundante Stromeinspeisung. „Die haben wir selbst entwickelt und bauen lassen, weil es sie so nicht auf dem Markt gibt. Die Spannungsversorgung der Container ist komplett unterbrecherfrei ausgelegt“, betont der HBS-Chefingenieur. Auch sonst habe man bei der Technik der Produktionscontainer vielfältige Havariestufen für alle möglichen Szenarien integriert.

Die in den Containern integrierten Geräte stammen unter anderem von Imagine Communications (ehemals Harris Broadcast), Lawo, Riedel, VSM und Tektronix.

Von Imagine finden sich im Container Platinum IP3 Router, ausgestattet mit integrierten HView SX Pro Multiviewern, Signalverarbeitungs- und Interface-Equipment, einschließlich der Selenio Medienkonvergenz-Plattform und modulare 6800+ Systeme. Platinum IP3 ist laut Imagine der erste Router in der Broadcast-Industrie, der innerhalb eines Frames separate Video-, Audio- und Daten-Wege unterbringt, und der auf Basis einer allgemeinen Architektur skalierbar für Multi-Frame-Konfigurationen bei sehr großen Broadcast- und Medien-Anwendungen einsetzbar ist. Ein Rack mit Selenio X50 dient hauptsächlich der Signal-Wandlung und dem -Embedding. „Für alle Sendewege benutzen wir Selenio-Karten. Vorteil ist, dass man zwei Wege pro Karte hat, für HD und SD. Wir können also einen kompletten Sendeweg in einer Karte abbilden“, erklärt Gobbel. Ebenfalls integriert ist eine Selenio-Kreuzschiene. „Die Multiviewer werden aus der Kreuzschiene heraus angesteuert. Der Verdrahtungsaufwand ist dadurch deutlich geringer“, betont Gobbel. Ferner sind im Container die Prozessoreinheiten von drei Sony-Videomischern im HBS-Haus auf jedem Technik-Compound untergebracht. Dabei handelt es sich um einen MVS 8000 für die Hauptregie, einen MVS 7000 für die Multifeed-Regie und einen MSU-1000 für die Infotainment-Regie.

In einem weiteren Rack finden sich 16 EVS-Maschinen vom Typ XT3. Sie wurden erst vor Ort in Brasilien eingebaut. „In München werden lediglich die Switches und alles was von EVS konfiguriert werden muss integriert, XTstore und C-Cast sowie alle zusätzlichen Applikationen für Multimedia-Services“, erklärt Gobbel. Für die CCUs der Kameras, die ebenfalls erst vor Ort in die Container integriert wurden, waren zwei Racks reserviert. Die gesamte Systemsteuerung erfolgt über zwei redundante Server des IP-basierten Broadcast Steuerungs- und Monitoring-Systems VSM (Virtual Studio Manager) von L-S-B Broadcast Technologies.

Ein Rack im Container ist komplett mit Audio-Systemen ausgestattet. Vorhanden sind zwei Cores für eine Haupt- und eine Multifeed-Regie, die über die Audio-over-IP-Technologie Ravenna miteinander verbunden sind. Darüber lassen sich 128 Kanäle miteinander austauschen. Das VSM-System spricht dabei nur den Hauptcore an. Das Multifeed-Core hat über die NetLinks Zugriff auf die DALLIS-Einheiten, die an dem Hauptcore angeschlossen sind. Es gibt insgesamt fünf DALLIS-Träger, drei im jeweiligen Stadion und zwei im Container. Zwei Crystal-Mischpulte von Lawo dienen der Produktion von unilateralen Signalen und dem Infotainment-Angebot. Sie sind via MADI mit dem Hauptcore verbunden. Untergebracht ist ferner die 256 x 256 Matrix einer Riedel Artist Intercom-Anlage. Im vorderen Bereich der Container befindet sich noch ein weiteres Rack indem die CCUs von Ultra High Speed Kameras untergebracht werden. Diese Systeme reisen mit den Produktionsteams von Spielort zu Spielort und werden erst kurz vor Spielbeginn in den Container integriert.

Auch die Kabel, die den Produktionscontainer mit dem HBS-Haus auf dem Technik-Compound verbinden, waren vorkonfiguriert und lagen so aufgeachtert vor den Containern, dass man an alle Stecker heran kommen und alle Kabel noch mal messen konnte. Für den Transport wurden sie zusammengerollt und wieder in die Container verfrachtet.

Vor jedem Container war in München ein Chefingenieur-Platz eingerichtet. Aufgebaut waren hier die Bildmischer der Haupt- und der Multifeed-Regie. „Damit können wir hier den ganzen Container testen und in Betrieb nehmen, ohne dass man da alle Bedienplätze angeschlossen hat“, sagt Gobbel. In der Münchner Fabrikhalle wurden sämtliche Systeme nach dem Einbau im Zusammenspiel mit den Systemen in den Regien genau geprüft. „Alles, was wir hier einbauen und testen können, ist besser als das vor Ort zu machen“, betont der HBS-Ingenieur.

Die Container wurden von einem sogenannten Technical Unit Manager (TUM) betreut. „Anfangs gab es vier Senior-TUMs für je drei Container. Die wurden drei Wochen lang auf ihren Job hin trainiert und haben danach zunächst zwei Container getestet und in Betrieb genommen. Im Februar erhielten sie dann jeweils zwei TUM-Schüler zur weiteren Ausbildung, sodass am Ende jeder Container unter der Obhut eines Ingenieurs war. „Wir haben Glück, dass wir eine Konfiguration auf alle Container überstülpen konnten. Dadurch waren die Zyklen der Inbetriebnahme sehr kurz. Bei großen Ü-Wagen dauert eine Inbetriebnahme in der Regel sechs bis acht Wochen. Wir haben pro Container nur sechs bis sieben Tage gebraucht. Das ist schon außerordentlich und funktionierte genau so perfekt, wie wir uns das vorher ausgedacht haben“, berichtet Gobbel.

In der zweiten Märzwoche wurden die Kabel eingerollt und die Container per Seefracht Richtung Brasilien verschickt. Neben dem Produktionscontainer wurden pro Venue zwei weitere Container mit Gerätschaften verschickt. Darin befanden sich unter anderem auch die von HBS und SonoVTS selbst gefertigten Arbeitstische und Gestelle für die Monitorwände in den Regien. Die TUMs waren auch vor Ort in Brasilien um das reibungslose Funktionieren der Produktionscontainer zu gewährleisten. Bei der Planung der Systeme für die Venues sei wichtig gewesen, die Live-Broadcast-Arbeitsprozesse in den einzelnen Ländern zu kennen, meint Gobbel. „Ob Franzosen, Engländer oder Deutsche, alle haben ihre spezifischen Vorlieben, die man bedienen muss. Deshalb mussten wir hier ein technisches Konzept entwickeln und umsetzen mit dem alle klar kommen. Das haben wir relativ gut geschafft“, betont der HBS-Ingenieur. Nur durch sehr strukturierte Arbeit sei so ein Projekt letztlich zu realisieren gewesen.

Gobbel leitete für HBS nicht nur den Containerbau sondern entwickelte auch gemeinsam mit Lawo neue Kommentatoren-Units und schrieb den Audio-Produktionsplan für HBS. „Pro Venue waren 60 bis 100 Kommentatoren-Units nötig und Software, mit denen ich die überwachen kann. Deshalb wurden mit Lawo eigene entwickelt, die im Gegensatz zu anderen auf dem Markt funktioneller und auch günstiger sind. Auch mit Glensound habe man über neue Kommentatorsysteme für die WM gesprochen, sich am Ende aber wegen der IP-Layer-3-Option für Lawo entschieden. „Wir müssen bei der neuen Generation von Kommentator-Sprechstellen weitverkehrsmäßig denken. Und das heißt: keine proprietäre Formate, Skalierbarkeit und die Option zu switchen“, sagt Gobbel. HBS verfüge heute insgesamt über 600 Glensound-Kanäle. Die seien nun um 240 neue Lawo-Einheiten aufgerüstet worden. Gobbel: „Wir wollen zweistufig vorgehen und nicht alles, was wir jetzt haben, wegschmeißen. Zur nächsten WM, wahrscheinlich schon zur Euro, werden wir die Glensound- dann komplett durch Lawo-Sprechstellen ersetzen. Wir machen mit der Ravenna-Technologie jetzt auch schon die Audio-Verteilung im IBC. Schließlich haben wir uns selber auf die Fahne geschrieben, bei solchen Projekten Technologievorreiter zu sein. Die Innovation ist nicht die MADI-Kreuzschiene, sondern alles auf IP basieren zu lassen.“ Die Distribution via Audio-over-IP im AES47-Standard und Ravenna-Technik biete vielfältige Vorteile, um das große Angebot an Audio-Signalen den HBS-Kunden einfach und kostengünstig verfügbar zu machen.

Stefan Krömer, Mitgeschäftsführer von SonoVTS und einer der Senior-TUMs, bewertet den Projektverlauf und die Zusammenarbeit mit den Auftraggebern Sony und HBS insgesamt positiv. Er erklärt auch: „Mit dem Bau der Produktionscontainer haben wir bewiesen, dass wir modernste Produktionsmittel jeder Größe überall in der Welt bereit stellen können.“

Eckhard Eckstein

MB 4/2014

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