Als „Iron Sky“ 2014 seine Premiere in der Sektion Panorama der Berlinale feierte, avancierte er gleich zu einem der meist gehypten Filme des Festivals und des European Film Market. Er verkaufte sich rasch weltweit, darunter auch in die USA. Dennoch brauchte „Iron Sky“ einige Zeit, um seine Kosten wieder einzuspielen, was viele Fans irritierte, die in den Film investiert hatten und schnellere Rückflüsse erwartet hatten. „Iron Sky“ wurde unter anderem mit Hilfe dreier Crowdsourcing-Runden finanziert. Im ersten Schritt wurden für Stoffentwicklung und Pre-Production per Crowdfunding (Fans geben Geld gegen Goodies wie T-Shirt, exklusive Fan-Artikel, DVD- oder BluRay-Boxen, usw.) circa 150.000 Euro eingesammelt. Als sich später eine 900.000 Euro-Finanzierungslücke des ambitionierten Acht-Millionen-Euro-Projekts auftat, wurde eine Gap-Finanzierung notwendig, um sie zu schließen. Diese sollte durch Crowdinvestment getilgt werden. Investments waren ab 1.000 Euro möglich. Die Investoren wurden den Produzenten bei den Rückflüssen gleichgestellt. Als es am Ende wieder eine Lücke gab, kam es zur dritten, wieder einer Crowdfunding-Runde. (Details über das „Iron Sky“-Crowdsourcing finden Sie in MB 06/12 oder auf der mebucom.de.)
Die langsamen Rückflüsse enttäuschten die Fans, die nur den Erfolg des Films sahen – immerhin über eine halbe Million Kinobesucher in Deutschland sowie den Riesenerfolg im Home Entertainment-Bereich – aber nichts mit der komplexen Finanzierungs- und Rückflussstruktur anzufangen wussten. „Produzenten und Crowdinvestoren haben schon Geld gesehen“, sagt Oliver Damian. „Es sind fast 50 Prozent ausgeschüttet worden und auch der Rest wird zurück fließen. Aber die Auswertungszeit ist ziemlich lang und das hat vielleicht manche Fans enttäuscht, die geglaubt haben mit ihrem Investment Geld zu verdienen.“ Aus diesem Grund wurde für „Iron Sky II“ auf Crowdinvestment verzichtet. Dennoch genießt das Projekt bei den Fans von „Iron Sky“ und Timo Vuorensola, der sich ursprünglich mit der „Star Trek“-Parodie „Star Wreck“ einen Namen machte, eine große Anziehungskraft, wodurch die Bereitschaft per Crowdfunding einen Beitrag zu leisten ungebrochen ist.
Das Crowdfunding von „Iron Sky II“ bestand aus drei Teilen. Für die Drehbuchrecherche und -entwicklung wurden 180.000 Dollar eingesammelt. Für die Projektentwicklung und Pre-Production wurden über das Crowdfunding-Portal Indiegogo 570.000 Dollar generiert. Das eigentliche Ziel lag bei 500.000 Dollar. Neben DVD/BluRays, Premierentickets und Fanartikel wurden Statistenrollen „verkauft“. „Das hat gut funktioniert, weil wir viele Statistenrollen haben, die wir so mit motivierten Fans besetzen können, die unbedingt in dem Film dabei sein wollen“, erzählt Damian. Sorge machte man sich höchstens, dass sich die Fans in Statur und Alter gleichen würden, aber das war nicht der Fall. Besonders beliebt war das Paket „Get Eaten by a Dinosaur“ für 5.000 Dollar, das dann auch sofort weg war. Aber man konnte auch in die Rolle einer außerirdischen Spezies schlüpfen. Statistenrollen zu verkaufen, hat zudem noch einen weiteren finanziellen Aspekt: auch Statisten bekommen bei einem Dreh in Deutschland den Mindestlohn von 8,50 Euro, der in diesem Fall entfällt. Der dritte Crowdsourcing-Teil war in gewisser Weise doch eine Art Crowdinvestment, betrifft jedoch „Iron Sky Universe“, jener Firma, die das Intellectual Property von „Iron Sky“ verwaltet. Investoren konnten auf diesem Wege Teilhaber der Firma werden, die so wiederum Kapital zur Entwicklung des 3. Teils der „Iron Sky“-Trilogie, einer TV-Serie und Videospiele eingesammelt hat. Dieser Finanzierungsschritt wurde allein von der finnischen Seite vollzogen. Dabei wird es voraussichtlich nicht bleiben. Geplant ist, während den verschiedenen Phasen der Herstellung weitere Crowdfunding-Aktionen zu initiieren, insbesondere der Vorverkauf von speziellen Premierentickets weltweit für über 100 spezielle Vorführungen. Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass es vor Drehbeginn keine weitere verbindliche Produktionsfinanzierung durch das Crowdfunding gibt und die Produzenten erstmal aus eigener Tasche vorschießen müssen.
Für den ersten Teil der „Iron Sky“-Trilogie wurden 25 Prozent des Budgets von deutscher Seite aufgebracht. Das war nicht einfach, da die Nazi-Thematik Befürchtungen auslöste, ob da nicht eventuell eine Plattform für (Neo)-Nazis entstehen würde und der finnische Humor hierzulande verstanden würde. Political Correctness und Angst das Falsche zu tun, führten dazu, dass von deutscher Seite lediglich HessenInvestFilm mit 700.000 Euro dabei war. Der DFFF gab 418.689 Euro, aber da dies eine automatische Förderung ist, konnten Bedenkenträger nicht zum Zuge kommen. Von Eurimage gab es 600.000 Euro. Auch von Förderungen aus Finnland und Australien kamen Finanzierungsbestandteile. „Als wir aber mit dem ersten Teil beweisen konnten, dass ‚Iron Sky’ als Anti-Nazi-Komödie funktioniert, rannten wir in Deutschland plötzlich offene Türen ein“, lächelt Oliver Damian mit einer gewissen Befriedigung.
Beim mit 16,7 Mio. Euro budgetierten zweiten Teil sind neben HessenInvestFilm nun auch die Medienboard Berlin Brandenburg, die FFA und die MfG Baden-Württemberg dabei. Letztere vor allem, weil die Visual Effects, die schon im ersten Teil wesentlich zum Erfolg des Films beigetragen haben, im Ländle bei Pixomondo gemacht werden, die das dortige VFX-Effects Cluster anführen, an dessen Ausbau der MfG gelegen ist. Nachdem die Gap-Finanzierung beim ersten Teil gut funktioniert hatte, wird auch bei der Fortsetzung eine deutsche Gap-Finanzierung angestrebt, an der dieses Mal zwei Banken beteiligt sein sollen. So wird dieses Mal die Hauptfinanzierung aus Deutschland kommen, der Rest aus Finnland und Belgien. „Iron Sky“ – The Coming Race“ wird dieses Mal ohne Australien produziert. Die Entfernung und die wenig optimale digitale Anbindung zwischen den Kontinenten haben sich als Hemmschuh heraus gestellt. Auch hat sich der Tax Incentive als nicht so wirksam erwiesen, wie ursprünglich kalkuliert und die Zusammenarbeit mit dem australischen Gewerken machte alles andere als Lust auf eine Wiederholung. Auf finnischer Seite kommt die Finanzierung vom finnische Fernsehen, Einzelinvestoren, Förderung und Vorverkäufe in das skandinavische Territorium. Aber auch in Deutschland spricht man bereits mit einem großen Verleih.
„13 Millionen Euro ist eine Budgetgröße, die ohne einen A-Cast aus Europa heraus nicht leicht zu finanzieren ist“, fasst Damian die Herausforderungen zusammen. „Da wir nur in unseren eigenen Territorien Vorverkäufe machen, brauchen wir Partner, die an den Erfolg des Films glauben.“ Und damit der zweite Teil die Erwartungen der Fans nicht enttäuscht, wird er noch fantastischer, actionreicher und absurder. „Wir satteln noch mal fett einen drauf“, kündigt Damian an und verweist auf das Bild, auf dem Hitler einen T. Rex reitet. Mit der Fortsetzung hätte man sich auch an einen Major verkaufen können, erzählt Damian. Doch das kam für die Macher nicht in Frage: „Hier geht es um die Fanbindung und darum, dass wir uns die Geschichte nicht aus der Hand nehmen lassen wollen.“
Mit dem Crowdsourcing und der Bestückung von Social Media ist ein Team von fünf Leuten beschäftigt. Eine Arbeit, die gleichzeitig einen erheblichen Marketing-Effekt hat. Allerdings muss bei Social Media-Post ständig neuer, origineller und vor allem, originärer Content gepostet werden. „Man muss mit immer cooleren Ideen kommen. Die Leute wollen immer wieder etwas Neues sehen und wenn nichts nachkommt, reißt irgendwann die Kette“, benennt Oliver Damian eine der Herausforderungen von Crowdsourcing.
Ungemach droht dem Crowdsourcing von einer Vorgabe der EU-Kommission, die die Bundesregierung bereits in der Neufassung des „Kleinanlegerschutzgesetz“ umgesetzt hat. In ihrem Monatsbericht vom August 2015 zum Kleinanlegerschutzgesetz schreibt das Bundesfinanzministerium zur Schwarmfinanzierung: „Daneben wird ein verbesserter Verbraucherschutz, in diesen Fällen auch durch die Einführung von Einzelanlageschwellen je Anleger, für die Schwarmfinanzierung erreicht. Im Rahmen der Schwellenwerte darf ein Einzelanleger grundsätzlich nur 1.000 Euro in ein Projekt der Schwarmfinanzierung investieren, einen höheren Betrag bis zu 10.000 Euro nur dann, wenn der Betrag maximal das Doppelte seines Monatsnettoeinkommens beträgt oder der Anleger über ein liquides Vermögen von mindestens 100.000 Euro verfügt. Die Einhaltung dieser Grenzen ist von der jeweiligen Internet-Dienstleistungsplattform auf Grundlage einer Selbstauskunft des Anlegers zu prüfen.“ Das Ministerium kündigt jedoch auch ein Überprüfung an: „Bei der Schwarmfinanzierung besteht unter Umständen weiterer Regulierungsbedarf. Daher soll die Regelung bis Ende des Jahres 2016 überprüft und dann entschieden werden, ob die Vorschriften zur Regulierung der Schwarmfinanzierung geändert oder erweitert werden sollen.“
„Damit wird eine gerade entstehende Finanzierungsmöglichkeit im Keim erstickt, da viele vor der Selbstauskunft zurückschrecken werden“, kritisiert Oliver Damian die Regelung und fügt hinzu: „In Finnland wird die Vorgabe lockerer gehandhabt, weswegen wir zumindest bei diesem Projekt nicht betroffen sind, weil das Crowdfunding komplett über Finnland läuft.“
Läuft alles wie geplant, wird „Iron Sky“– The Coming Race“ im Herbst 2017 in die Kinos kommen.
Thomas Steiger
MB 6/2015
© Mika Orasmaa