Es muss dem Zuschauer schon besonderer Kitzel geboten werden, wenn Sebastian Fitzek seinen neuen Psychothriller „Playlist“ in einem Live-Stream vorstellt. Von dem erfolgreichsten deutschen Thriller-Autor dürfen seine Fans etwas ganz Besonderes erwarten. Etwas, das genauso aussieht, wie sich ein Fitzek-Buch liest: düster, dynamisch, packend, kurzweilig und mit überraschenden Blickwinkeln.
Und wenn es um aufwühlende Bilder geht, gehören neben Ort und Team auch die Technik zu den entscheidenden Kenngrößen. Die Inszenierung und darüber die Emotionalität, die den Zuschauer in Bann hält und begeistert, wird auch durch die Führung der Kamera erzeugt und gesteuert. Wohin lenkt sie die Aufmerksamkeit? Erzeugt sie durch Bewegung das Gefühl dabei zu sein? Nimmt sie den Zuschauer auf seinem Sitz mit auf die Reise?
Als Jean-Luc Godard 1959 „Außer Atem“ drehte, setzte er seinen Kameramann Raoul Coutard in einen Rollstuhl und ließ ihn über die Champs-Élysées in Paris ziehen. Neugierig schauten die Passanten in die vorbei ziehende Kamera und ignorierten den damals noch unbekannten Jean-Paul Belmondo davor.
Inzwischen geht man deutlich diskreter vor. Gerade bei Live-Übertragungen und -Aufzeichnungen gilt, dass die Technik die Zuschauer – aber auch die Künstler und Sportler – nicht ablenken darf. Gleichzeitig müssen die Bilder so spektakulär und intim wie nur möglich sein. Das heißt zugleich näher ran ans Objekt der Begierde. Der Goldstandard hierfür sind nicht sosehr kleinere Kameras, als ein diskret eingesetztes System aus Schienen, Dollys, Slidern, Towern und Gimbeln sowie deren Steuerung aus der Ferne.
Für die von Peripherique events (Fritz Krings und Johannes Megow) produzierte Live-Übertragung der Buchpremiere von „Playlist“ auf YouTube und Facebook am 27. Oktober 2021 wurde eine solche Remote-Produktion von Blackcam Systems und VPS Media einmal in voller Konsequenz durchexerziert. Zum Einsatz kam die eigenentwickelte und patentierte Robotik-Kamerasystem-Technik der Berliner Firma Blackcam, auf der sieben ARRI-Kameras montiert, und die dafür sorgte, dass diese voll bewegungsfähig waren.
Herzstück der Übertragung war der Schienenkreis um die Bühne. Auf ihm bewegte sich lautlos ein B40-Dolly, bestückt mit zwei Remote-Heads, gesteuert per Funk, die ihre Bilder kabellos in das Netzwerk sandten. Nahaufnahmen entstanden mit Hilfe eines 17-120 mm Canon-Objektiv, das auf einer ARRI Alexa saß. Für die Weitwinkel-Aufnahmen war die daneben angebrachte ARRI Alexa Mini mit einem 14-35 mm Fujinon-Objektiv zuständig. Wie alle anderen Kameras auch wurden sie von Operatern gefahren, die mit direktem Sichtkontakt im Nebenraum saßen.
Die Kameras bewegten sich unterhalb des Sichtfelds von Sebastian Fitzek, der Musiker und Musikerinnen sowie dem geladenen Publikum. Im Halbdunkel der zum Thriller passend abgestimmten Lichtshow, gepaart mit dem Industriecharme des Berliner E-Werks, dem Veranstaltungsort, waren die Kameras kaum wahrzunehmen. Gleichzeitig boten sie eine verschwörerisch-intime Verbindung zum Zuschauer nach Hause, insbesondere wenn ein Künstler sie direkt durch die Kamera schräg unter ihm ansprach.
Direkt über der Bühne war ein Hothead mit einem 17-300 mm Canon-Objektiv befestigt, mit dem ein Radius von 5,40 Meter abgedeckt wurde und der dem Zuschauer den Eindruck vermittelte, dass sich die Bühne unter ihm drehte. Auf einem Balkon in etwa fünf Meter Höhe stand eine Kamera auf einem Slider. Hinter der Bühne befand sich eine fahrbare Kamera auf einer Schiene und die Führungskamera davor war auf einem Tower befestigt. Diese Kamera hätte auch bemannt sein können. Doch Blackcam-GF und Regisseur der Übertragung Thomas Janze hat bewusst darauf verzichtet. „Die Übertragung ist als hundertprozentige Remote-Übertragung ausgelegt“, betont er. „Ihr Sinn ist es ja gerade keine Kamera zu bemannen. Auch dann nicht, wenn man es könnte.“ Allerdings stimmt das so nicht, denn jede Kamera ist bemannt. Nur stehen die Kameraleute nicht hinter ihnen, sondern steuern sie über Bedienpulte während der Kameramonitor direkt vor ihnen leuchtet.
Entstanden ist die Produktion zusammen mit der VPS Media Film und Fernsehproduktion von Andreas Schech. Die VPS Media ist Vorreiter im Bereich Cinematic Multicam mit ARRI-Kameras und PL-Objektiven, die sie für Live-Übertragungen einsetzt. „Die Zuschauer erwarten heute eine Bildqualität, die sie von Netflix und Co. gewöhnt sind“, begründet Andreas Schech die Nutzung von Cineoptiken. Zum Technikpark von VPS gehören u.a. 15 ARRI-Kameras sowie zwei OB-Vans.
Kam zur Buchpremiere das kleine, schlagkräftige Besteck zum Einsatz, soll es im Februar 2022 den ganz großen Aufschlag geben. Dann möchte Sebastian Fitzek mit allen 15 Interpreten und Bands, deren Songs in „Playlist“ eine Rolle spielen an zwei Tagen in der Berliner Mercedes-Benz-Arena gastieren. Aufgezeichnet werden Konzert mit Lesung mit Hilfe von Blackcam und VPS Media in einer ungleich aufwändigeren Remote-Produktion. Einer Produktionsform, deren Möglichkeiten und Chancen noch längst nicht ausgereizt sind. Denn mit dem Blackcam Robotik-Kamerasystem lassen sich Produktionen ermöglichen, bei denen Kameraleute und Techniker während der Aufzeichnung noch nicht einmal in die Nähe der Kameras dürfen.