Die European Championships 2018 in Berlin und Glasgow stehen in vielerlei Hinsicht für eine Zeitenwende in der Sportproduktion. Mit innovativen Technologien, Konzepten und Kooperationen versuchte man hier, die Attraktivität der TV-Sportübertragung weiter zu steigern. Eurovision Media Services (EMS), ein Geschäftsbereich der European Broadcasting Union (EBU), trat dabei erstmals als Hostbroadcaster eines Multisport-Events in Erscheinung. Bislang war EMS hauptsächlich im Rahmen von Eurovision-Sendungen, darunter dem European Song Contest (ESC), unterwegs. Als Dienstleister sorgte sie ferner für die Übertagung multilateraler Signale von großen, weltweit gefragter Sportveranstaltungen über ihr globales Satelliten- und Glasfasernetz. Bei den Championships konnte EMS neben ihrem Vertriebs- nun auch ihren Produktionsservice vorstellen und sich neben HBS (Host Broadcast Services) und OBS (Olympic Broadcasting Services) als dritter großer Hostbroadcaster von Sport-Großveranstaltungen etablieren. HBS gehört zum Schweizer Sportvermarkter Infront, der 2015 von der chinesischen Wanda Group übernommen wurde. OBS wurde 2001 vom Internationalen Olympischen Komitee gegründet und erstellt das Weltbild aller Olympischen Spiele.
Neben der Distribution und Produktion von Signalen bietet EMS weitere, teils innovative Services wie den European Highway, eine Online-Video-Plattform, auf dem Inhalte, Clips und Highlights von Veranstaltungen abgelegt werden, die vom Digital Host Team mit Sitz in Genf als Remote-Produktion erstellt werden. Gerade Leichtathletik ist da ein dankbares aber auch aufwändiges Themenfeld, da hier sehr viel an Material entsteht, das unter anderem für Social Media geeignet ist. Im Falle der European Championships wurden die Clips in Genf erstellt und von dort den EBU-Mitgliedern sowie den weltweiten Lizenznehmern der Veranstaltung zur Verfügung gestellt. Zuvor wurden sie in Genf am Digital Services Desk der leichteren Auffindbarkeit halber mit entsprechenden Metadaten angereichert. Pro Tag wurden so etwa 280 digitale Pakete für die verschiedensten Sendeanstalten erstellt und zugänglich gemacht. Zusätzlich erhielten die Sender Mittel und spezielle Inhalte an die Hand, um die Inhalte für ihre Online-, Social Media-, mobilen sowie OTT-Plattformen aufbereiten zu können.
Der neue EMS-Geschäftsbereich Hostbroadcasting soll nun kontinuierlich ausgebaut werden. „Unser Konzept ist es Produktionen abzuliefern, die der Weltklasse entsprechen“, erklärt Francesca Scott, Executive Producer der European Championships für EMS in Berlin. „Dafür bringen wir einige der besten Leute zusammen, die in diesem Bereich arbeiten. Viele von ihnen, Regisseure, Kameraleute, Techniker, sind hochqualifiziert bei der Produktion eines Weltbilds und haben Erfahrungen bei olympischen Spielen und anderen großen Sport-Events sammeln können.“ Im Falle der Championships waren dies mehr als 350 Leute alleine in Berlin, zusammen mit den Mitarbeitern in Schottland kam man auf eine Teamstärke von mehr als 1.000 Personen. „Es ist ein großes Privileg, auf einen Mitarbeiter-Pool zugreifen zu können, in dem es für jede Art von Veranstaltung spezialisierte Leute gibt“, sagt Scott. Monatelang hätten diese die fernsehtechnische Realisierung der zehntägigen European Championships vorbereitet. Bei der Planung habe man die Bedürfnisse und Erfordernisse der Kunden im Auge gehabt, ebenso wie die der Sportler und Zuschauer. Um die Begebenheiten vor Ort adäquat berücksichtigen zu können habe man zudem eine intensive Zusammenarbeit mit den übertragenden Sendern, den Organisationskomitees der beiden Städte sowie den weiteren Partnern gepflegt.
Zu den European Championships produzierte EMS am Ende 360 Stunden multilaterale Signale. Dazu gehörten sowohl ununterbrochene Streams, etwa von den Golfübertragungen aus Schottland, dem Marathon in Berlin und das integrierte Weltbild.
Hinzu kommt, dass die European Championships einem komplett neuen Konzept folgen, um die sieben in ihr zusammen gefassten Sportarten (Leichtathletik, Aquatik, Radfahren, Golf, Gymnastik, Rudern und Triathlon) eine höhere Wahrnehmung zu verschaffen. In den vergangenen Jahren schrumpfte das Interesse an diesen Sportarten als Einzeldisziplinen und die Europameisterschaft ist eine Gelegenheit, das Publikum erneut für diese sieben Sportarten zu begeistern. Gleichzeitig soll mit der Veranstaltung – zumindest in Deutschland – ein Gegengewicht zum übermächtigen Fußball sowie den Olympischen Spielen geschaffen werden. Daher galt es zu Beginn das Konzept zu verstehen, für das Fernsehen umzusetzen und die erforderlichen Partner an Bord zu holen. „Alle Beteiligten dazu zu bringen ein gemeinsames Ziel zu erreichen, dabei immer die Philosophie des Konzepts beizubehalten und ein in sich konsistentes, spannendes und unterhaltsames Fernsehprogramm zu generieren, das sich über zehn Tage trägt, war eine echte Herausforderung“, meint Scott.
Vernetzung der Wettkampforte
Die Wettkampforte der European Championships wurden zwischen Schottland und Berlin aufgeteilt, wobei im Berliner Olympiastadion die Leichtathletik-Wettbewerbe und in der Stadt selbst der Marathon und andere Straßenläufe stattfanden. Insgesamt wurden aus 15 Sportstätten in Glasgow und Berlin Bilder zugeliefert, einschließlich der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz, wo die „Europäische Meile“ lag, auf der die Siegerehrungen stattfanden und der Marathon startete und endete. Produktionstechnisches Herzstück der European Championships war das International Broadcast Center (IBC) am Berliner Olympiastadion, das gleichzeitig als Schaltzentrale für die EMS-Remote-Produktion diente. An das IBC waren das BOC (Broadcasting Operation Centre) in Glasgow mit den dortigen Wettkampforten verbunden. Vom IBC wurden alle Bilder, gebündelt in einem Multichannel Multipoint Distribution Service (MDS) mit sechs Kanälen, in das Netzwerk eingespeist und an die Rechteinhaber in Europa und den Amerikas geschickt. Zudem sendeten 16 Sender zusätzlich selbst produzierte, unilaterale Feeds in ihre jeweiligen Heimatstudios. Das ZDF produzierte beispielsweise auf fünf eigenen Positionen mit unilateralen Kameras. Die meisten anderen Venues sowie alle Mixed-Zonen wurden zusätzlich mit LiveU-Technik abgedeckt.
Die Signalverteilung erfolgte über das Eurovision Global Network. Es besteht aus einem Glasfaser-Leitungssystem mit einer Gesamtleistung von 100 Gigabyte, das ursprünglich für den ESC (Eurovision Song Contest) aufgebaut wurde. „Dies ist ein sehr robustes System, das es den angeschlossenen Broadcastern und Rechteinhabern erlaubt flexibel zu agieren“, erklärt Scott. So konnte sich jeder Abnehmer aus den fortlaufenden Streams der einzelnen Disziplinen bedienen, Ausschnitte bestimmter Athleten daraus nutzen und damit das Weltbild, den sogenannten integrierten Stream, individualisieren beziehungsweise variieren.
EMS realisierte mit ihren Ü-Wagen vor dem Olympiastadion eine komplette Remoteproduktion. Insbesondere der Marathon war beispielhaft, weil hier eine Vielzahl verschiedenster Kameras zum Einsatz kamen. Darunter RF-Kameras an der Strecke, ein mit einer Cineflex ausgestatteter Helikopter sowie das Relais-Flugzeug, über das alle Signale empfangen und an den Ü-Wagen geleitet wurden. Für die European Championships setzte EMS insgesamt 17 Ü-Wagen für das Weltbild mit 300 angeschlossenen Kameras ein. In Berlin standen fünf Produktionswagen mit 95 Kameras, die 57 Positionen besetzten. Die große Zahl der Kameras berücksichtigt die Wünsche nach unilateralen Feeds. EMS stellte an kleineren Orten Kameras für gemeinsam buchbare multilaterale und unilaterale Dienste zur Verfügung, um eine bessere Nutzung des vorhandenen Raums zu ermöglichen. Die vorhandenen Möglichkeiten wurden nach dem ‚first-come-first-serve‘-Prinzip vergeben. Andererseits konnten jederzeit Aufnahmen aus den isolierten Streams entnommen werden, insbesondere bei Disziplinen, in denen Athleten hintereinander starten und somit immer im Bild waren.
In einigen der Ü-Wagen wurden mehrere Feeds parallel produziert. Jeder Produktionswagen produzierte einen eigenen, sogenannten ‚isolierten‘ feed (isolated production) jeder sportlichen Disziplin. Diese waren Grundlage für den integrierten Feed, also das Weltbild, für das wiederum mit dem Schweden Ben Hagen ein eigener, sehr versierter Regisseur zuständig war, der bei Olympia die Übertragungen der Leichtathletik verantwortet. „Das Schöne an der Leichtathletik ist, dass meist viele Sachen parallel stattfinden. Und worauf es letztendlich ankommt, ist wie es zuhause auf dem Fernseher wirkt“, sagt Scott.
Virtual Reality
Zusätzlich bot EMS gemeinsam mit der Firma Livelike in der European Championships Virtual Reality Lounge vor Ort im Olympiastadion die Möglichkeit die Eurovision VR App zu erleben. Die hier zu sehenden Inhalte standen über die App auch allen Rechteinhabern zur Verfügung. Produziert wurden sie mit Hilfe von sechs Virtual Reality-Kameras, die an speziellen Orten im Berliner Olympiastadion aufgestellt wurden und einen 180°- respektive 360°-Radius aufnahmen. Zusätzlich wurden Bilder aus den normalen Kameras genommen, um eine eigene Virtual-, Augmented oder Mixed Reality-Umgebung zu erschaffen.
Übertragungspartner ARD und ZDF
ARD und ZDF setzten auch bei den European Championships wieder auf eine zentralisierte Produktion. Die Produktionszentrale mit ihren Büros, dem Schaltraum, der Senderegie, den Regien der einzelnen Veranstaltungsorte, dem Schnitt und der Grafik befand sich im IBC in Berlin. Je ein Studio im Berliner Olympiastadion und am George Square in Glasgow waren remote an die Senderegie angebunden. Dagegen wurde in Glasgow nur das produktionstechnische Personal für Betreuung der unilateralen Venues beim Schwimmen, Rudern, Turnen, Radsport und Triathlon, die entsprechenden Kommentatoren, sowie ein Pool aus Redakteuren für Interviews und ENG Content Drehs eingesetzt.
Alle Fernsehübertragungen für das deutsche Publikum wurden von ARD und ZDF mit Audiodeskription versehen. Bei der Komplexität der verschiedenen Sportarten und einer Multi-Sport-Veranstaltung dieser Größenordnung eine besondere Herausforderung. Zusätzlich wurden die Sendungen live untertitelt. Insgesamt hatten ARD und ZDF rund 300 Mitarbeiter vor Ort in Berlin und Schottland, um eine reibungslose, spannende Übertragung zu gewährleisten. Ihre Aufgabe war es, das Weltbild mit eigenen Bildern, Beiträgen und Interviews anzureichern, um damit die Qualität der Berichterstattung zu erhöhen und deutsche Athleten in den Fokus zu rücken.
Neben der Fernsehübertragung sendete das ZDF drei Live-Streams auf seiner Internetplattform. Alle unilateral vom ZDF produzierten Signale aus Schottland und Berlin wurden als Teil der dezentralisierten Produktion in der Senderegie im IBC zusammengeführt. Ein großer Vorteil, den die Remote-Produktion mit sich brachte, war laut Achim Hammer, ZDF-Projektleiter und -Programmchef vor Ort, die Rückkanalfähigkeit der IP-Netze: „Dadurch ist es möglich, dass Reporter und Moderatoren in Glasgow frei wählbare Einspielungen und Beiträge aus dem IBC in Berlin verfolgen und kommentieren können“, erklärt Hammer.
Obwohl ARD und ZDF bereits bei den Olympischen Spielen in Rio und Sotschi erste Erfahrungen mit Remote Produktionen sammeln konnten, war das dezentralisierte Produktionskonzept bei den European Championships eine ganz neue Größenordnung. Im IBC, das gleich neben dem Berliner Olympiastadion aufgebaut worden war, wurden die Senderegie, drei Subregien für die unilaterale Übertragung von insgesamt sechs Sportarten (Leichtathletik, Schwimmen, Rudern, Triathlon, Bahnrad und Turnen), die Online Streaming-Regie, sowie der komplette Schnitt- und Zuspielbetrieb eingerichtet. Eine besondere Herausforderung stellte die Anbindung der unilateralen Produktionsmittel an den Wettkampforten in Glasgow und im Stadtgebiet von Berlin dar. Dabei wurde auf den Einsatz von Ü-Wagen weitestgehend verzichtet und die Übertragungsorte stattdessen via neuartigen Remote-Technologien direkt an die Zentralregie beziehungsweise die Subregien im IBC angebunden. Hierdurch wurden sowohl die Produktionsmittel, als auch das gepoolte ARD/ZDF-Technikpersonal kosteneffizient und synergieorientiert eingesetzt.
Für Achim Hammer und Gunnar Darge, Head of Engineering [&] Operations für Großveranstaltungen, ist klar, dass die Remote-Produktion zum neuen Standard wird. „Wir leben in einer Zeit, in der sich die Workflows ständig verändern. Das ist bekannt. Dennoch geht das mit immensen Herausforderungen einher, auf die wir uns fortlaufend neu einstellen müssen“, sagt Darge und lässt durchblicken, dass man beim ZDF lieber vorne mitgestaltet, als lediglich auf Veränderungen zu reagieren: „Das heißt, dass sich nicht nur technische Prozesse verändern werden, sondern auch das Miteinander während der Produktion. Es ist daher enorm wichtig, dass wir unsere Mitarbeiter sowohl auf Seiten der Technik als auch in der Redaktion abholen und bestmöglich schulen“, erklärt Darge.
Um zumindest auf technischer Seite etwas Luft zu bekommen, sieht es Hammer als unschätzbaren Vorteil, in der EMS einen Partner und Dienstleister für alle Veranstaltungsorte zu haben, der sich um Organisation und Umsetzung kümmert. „Die inhaltlichen Vorgaben kommen vom ZDF, die technische Umsetzung erfolgt durch die EMS“, fasst er es griffig zusammen. Dass eine nahtlose Zusammenarbeit bei der Planung und Durchführung enorm wichtig ist, zeigte sich besonders, als an einem heißen Sommertag in Berlin die Klimaanlage der EVS-Nachschiebe-Regie für die Leichtathletik wegen Überlastung ausfiel. Der Zuschauer vor den Endgeräten bekam davon nichts mit, da man in der Lage war, schnell zu reagieren und die Aufgaben an andere EVS-Schnittplätze im Edit-Bereich zu übertragen. Alle im IBC vorliegenden multilateralen Signale, sowie die Remote-Signale aus Schottland, wurden im ARD/ZDF-Schaltraum gebündelt und dort an die Senderegie weiter verteilt. Im MP6-Ü-Wagen des ZDF fand dann der Endmix aus fremd produzierten Wettkampfbildern und von ARD beziehungsweise ZDF eigenständig produzierten Programminhalten statt. An ZDF-Sendetagen wurde das Programm letztendlich weiter nach Mainz, oder an ARD-Tagen zum federführenden NDR nach Hamburg weitergeleitet.
Ein sendebegleitendes Onlineangebot, sowie eine umfangreiche Social-Media-Präsenz ergänzten das Fernsehprogramm. Den Kern der Online-Berichterstattung bildeten drei zusätzliche in der ZDFmediathek abzurufende Livestreams, die an jedem Wettkampftag diverse Wettbewerbe in voller Länge, sowie Abrufvideos beinhalteten. Die Livestreams wurden dabei sowohl über die ZDFmediathek als auch über die Mediathek der ARD ausgespielt. Hier gab es eine synergetische Zusammenarbeit: An ZDF-Sendetagen kommentierten ARD-Kollegen die Livestreams, an ARD Sendetagen die Reporter des ZDF.
In der Produktion großer Sportevents arbeiten ARD und ZDF schon länger eng zusammen. Sie senden nicht nur im Wechsel, die Produktion wird auf technischer Seite inzwischen komplett gepoolt, also von einem gemeinsamen Team gestemmt. Auch in der Redaktion kommt es gelegentlich zu Überschneidungen, wobei jedoch immer sicher gestellt ist, dass die on air gehenden Ergebnisse immer klar als ZDF- beziehungsweise ARD-Programmfarbe zu erkennen sind. „Bei solchen Events muss man sich gegenseitig aushelfen. Es geht einfach nicht anders“, sagt Hammer und fügt an: „Die Arbeitsverdichtung nimmt immer mehr zu und sie wäre nicht zu bewältigen, wenn wir es nicht auf diese Art aufbrechen.“ Die Zusammenarbeit begann 1986 bei der Übertragung der Winterolympiade aus dem kanadischen Calgary, als sich ARD und ZDF ihre erste gemeinsame MPE (Mobile Produktionseinheit) angeschafft haben. Seitdem entwickeln sie ihren Workflow, ihre Technik und ihre Standards gemeinsam. Das ZDF verfügte in Schottland über zehn eigene Kameras. In Berlin befanden sich sieben im Olympiastadion und zwei am Breitscheidtplatz.
UHD-, HDR-, HFR- und NGA-Tests
Das EBU Technology [&] Innovation Team, fünf ihrer Mitglieder und 19 Industriepartner nutzten die Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin außerdem für einen ausgedehnten Test von Produktionsabläufen von weltweit ersten Übertragungen von Live Ultra High Definition (UHD) Inhalten mit High Frame Rates (HFR), High Dynamic Range (HDR) und Next Generation Audio (NGA). Eines der Ziele der Erprobung ist die Produktion von Aufnahmen mit 100 Bildern pro Sekunde, eine im ITU-R BT.2020-Standard empfohlene Framerate für UHD-Fernsehen. Live-Sport wird in Europa in der Regel mit einer Bildfrequenz von 50Hz und in HD in 1080i25 übertragen, obwohl kommerzielle Encoder und TV-Sets eine Auflösung bis zu 2160p50 bewältigen können. Daher wurde in Berlin ein Produktionsablauf im HDR-Standard HLG/BT.2020 mit einer HFR von 100 Bildern/sek. (2160p100) als Test durchgeführt. Daran beteiligt waren auf Senderseite die BBC, France Télévisions, die RAI, das ZDF sowie das IRT. Der 2160p100-Feed wurde auch verwendet, um zwei zusätzliche Signale in 1080p100 und 1080p50 herzustellen. Diese drei Feeds werden dann in Echtzeit in HEVC kodiert und über das Eurovision-Satellitennetz in das experimentelle Testbed der RAI im Aostatal und über das Eurovision-Glasfasernetz in das BOC der BBC in Glasgow geschickt, wo die Bilder aus Berlin live in UHD zu sehen waren. Die vier Kameras für den Test wurden von Sony, der TPC, einer Tochter des Schweizer Fernsehens sowie AMP Visual gestellt.
Der Feed in 1080p100 beinhaltete zusätzlich NGA in Form eines 4+7+0-Kanals sowie vier interaktive Mono-Signale für je zwei Kommentare und Audiobeschreibungen. NGA dient nicht nur immersiven Erfahrungen, es ermöglicht auch zusätzliche Merkmale wie Personalisierung, Zugänglichkeit und Interaktivität mittels „Objekten“. Zu den beteiligten Technologieanbietern gehörten unter anderem: ATEME bei den Codierungs- und Remuxing-Technologien für den 1080p100-Feed mit allen Bestandteilen für NGA; Dolby bei der immersiven und objektbasierten Audiotechnik (AC4); Ericsson/MediaKind bei der HVEC- und MPEG-H-Audio-Technologie für 2160p50; EVS mit Server-Technik zur 2160p100-Bearbeitung; Fraunhofer IIS bei der immersiven und objektbasierten Audiotechnologie (MPEG-H Audio); Jünger Audio beim 3D Audio Monitoring und den Authoring Units (MPEG-H Audio); Kaimedia bei Kodierungstechnologien HEVC und MPEG-H Audio für 2160p50; Klang und Areitec bei der 3D-Audioüberwachung über Kopfhörer; LG mit seinen Prototyp-OLED-TV-Geräten, die in der Lage sind Live-UHD-Streams mit HFR (2160p100hz), HDR (HLG [&] PQ) und NGA (Dolby AC-4) zu entschlüsseln; NTT bei der Kodierungstechnologie für das 2160p100-Signal; b[lt][gt]com lieferte Produktionswerkzeuge, Qualcomm Systeme für die MPEG-H-Audio Kompression und Rohde [&] Schwarz Server für unkomprimierte Aufzeichnungen; Schoeps und Areitec sorgten für die ORTF-3D-Mikrofon Outdoor-Sets; Sony stellte XVS Video Switcher bereit, den PWS Live Production Server sowie Speicherlösungen, die für einen 2160p100 Video-Produktionsablauf und HDR-Akquisitionen konfiguriert waren, sowie eine Sony-UHD-Kamera und eine 2160p50-Bild-Überwachung; von Solid State Logik kam das T S300-32 Mischpult mit 3D-Panning und Netzwerk I/O.
5G-Übertragungstest
Ein weiterer Test galt der Übertragung über den Mobilfunkstandard 5G. Hieran waren neben der EBU die RAI und das IRT beteiligt. Die Tests sollen zeigen, wie mobile Technologien auf eine konventionelle terrestrische Übertragungsinfrastruktur aufgesetzt und so konfiguriert werden, dass sie spezifische Sendeanforderungen erfüllen, darunter die kostengünstige Distribution auf mobile Endgeräte. Die Rundfunkanstalten sind laut der EBU seit geraumer Zeit stark in die 5G-Forschung und Standardisierung eingebunden. Die neue Technologie verspricht eine hohe technische Leistungsfähigkeit und ist damit eine willkommene Ergänzung zu traditionellen Produktionstechnologien und Vertriebssystemen wie Terrestrik und Satellit.
Bei dem Test wurden mobile Hochleistungs-Funksender eingesetzt, die zwei unterschiedliche Implementierungen testen, die zu Bestandteilen im 5G-Technologie-Puzzle werden könnten. Das IRT hat in Zusammenarbeit mit dem BR und Nokia ein eMBMS-Einfrequenz-Netzwerk eingesetzt, das München komplett abdeckt. Das Netzwerk nutzt eine Kombination aus Unicast- und Broadcast-Funktionen, die beide in 5G enthalten sein werden, um gleichzeitig die Live-TV-Übertragung als MPEG-2-Stream und HbbTV-ähnliche Dienste zu liefern. Darüber hinaus kann das gleiche Signal sowohl auf stationären TV-Empfängern als auch auf Smartphones empfangen werden. Dieser Prozess wurde teilweise durch das EU-Forschungsprojekt 5G-Xcast finanziert.
Broadcast-Grafik-Plattform-Partner Avid
Offizieller Broadcast-Grafik-Plattform-Partner der European Championships 2018 war Avid mit seiner Maestro I Designer Software. Laut Avid wurde das Echtzeit-Grafiktool von EMC aufgrund seines soliden und flexiblen Aufbaus für anspruchsvollste Live-Übertragungen und seiner besonderen Möglichkeiten für das visuelle Storytelling ausgewählt. Im Zusammenspiel mit MediaCentral und der HDVG Rendering Plattform stellte Maestro I Designer durch hunderte gesendete 3D-Grafiken das Grundgerüst der visuellen Darstellungen während der Meisterschaft dar. Die Produktionsteams konnten damit direkt von Eventdaten getriebene Grafiken für unterschiedliche Plattformen kreieren. Für das ultimative Zuschauererlebnis konnte das Produktionsteam mit Maestro Zeit- und Punktstand-Daten darstellen, sowie historische Daten schnell und effizient aus dem Archiv hervorholen.
Gute Zuschauer-Resonanz
Die erreichten Besucherzahlen in den Stadien und Zuschauerzahlen an den TV-Bildschirmen bestätigten das Konzept des neuen Multisport-Events. Frank Kowalski, CEO der European Championships Berlin 2018, zeigte sich sehr erfreut über den starken Zuschauerzuspruch alleine in Berlin: „Inklusive der Qualifikationen hatten wir insgesamt 360.000 Zuschauer im Stadion und 150.000 auf der Europäischen Meile. Das bedeutet, dass wir mehr als 500.000 Menschen für unseren Sport aktiviert haben. Das lag über unseren Erwartungen.“
In Deutschland schalteten laut ARD und ZDF 43 Millionen Zuschauer bei mindestens einer Übertragung ein. In der ARD sahen sich über fünf Millionen Zuschauer die Live-Übertragung vom Leichtathletik-Finale an, während das ZDF bei der 4 x 100-Meter-Staffel der Frauen in einem Fünf-Minuten-Fenster die Sechs-Millionen-Marke knackte. Durchschnittlich sahen über zwei Millionen Zuschauer pro Tag die European Championships bei den Öffentlich-rechtlichen.
Entsprechend zufrieden zeigten sich ARD und ZDF. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky betont: „Wir haben mit unseren Übertragungen so viele Zuschauer erreicht, wie wir selbst vorher nicht für möglich gehalten hätten. Die Marktanteile der einzelnen Sportarten haben sich im Vergleich zu Einzel-Übertragungen teilweise verdoppelt, insgesamt haben mehr als 43 Millionen Zuschauer mindestens eine Übertragung von den European Championships gesehen, und auch die jungen Zuschauer haben sich überdurchschnittlich für unsere Übertragungen interessiert. Das ist ein herausragendes Ergebnis.“
ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann erklärt: „Ein Hauch von Olympia lag über den Übertragungen. Das Konzept ist voll aufgegangen – im Fernsehen und Online mit den Livestreams. Wir haben der Vielfalt des Sports eine Bühne geboten, die genutzt wurde. Turnen, Schwimmen, Rad, Triathlon, Leichtathletik, Rudern, Golf – die Kombination dieser Europameisterschaften war für eine Premiere eine gelungene Erfahrung. Alle haben durch dieses Ereignis gewonnen – die Sportarten ebenso wie wir Sender. Diese Erfolgsgeschichte sollte in vier Jahren weitergehen.
Thomas Steiger
MB 4/2018
© European Championships Matthias Hangst/Getty Images