Die UEFA-Fußballeuropameisterschaft 2016 vom 10. Juni bis 10. Juli in Frankreich eröffnete in Sachen Content-Produktion neue Dimensionen. Nie zuvor wurde von UEFA Host Broadcast (HB) soviel produziert und über zahlreiche Plattformen verbreitet wie bei dieser EM. Mit ausschlaggebend war dafür, dass bei der EM 2016 nicht wie bislang nur 16 sondern 24 Teams teilnahmen. Die Zahl der Spiele erhöhte sich dadurch von 31 auf 51 und die Dauer des Events von drei auf vier Wochen. Gespielt wurde in Frankreich in insgesamt zehn Stadien: in Nizza, Paris, Saint-Denis, Villeneuve-d’Ascq, Marseille, Saint-Etienne, Lyon, Lens, Toulouse und Bordeaux.
Zentrum der TV-Produktion der UEFA Euro 2016 war das Internationale Broadcast Center (IBC) in den Hallen 6 und 8 der Pariser Expo an der Porte de Versailles. Auf rund 3.000 Quadratmetern Fläche waren hier alle produktionstechnischen Einrichtungen des Hostbroadcasters UEFA Production untergebracht, ebenso wie Studios, Redaktions- und Technikräume einiger Fernsehsender. Die mit Abstand größte Fläche davon belegten ARD und ZDF. Mit deutlich kleineren Produktionseinrichtungen begnügten sich im IBC hingegen die BBC, RAI TV, CCTV, ESPN, TF1, ORF, SRG und andere. 150 Sender weltweit übertrugen, 14 davon waren als UEFA Broadcast Partners (UBPs) vor Ort in Paris vertreten. Alle Spiele wurden in 1080i/50 produziert mit insgesamt 46 Kameras inklusive Superslowmotion- und Hypermotion-Kameras (35 davon im Live-Verbund). Das sind rund zehn mehr als bei der letzten UEFA Euro 2012. Für die Produktion der einzelnen Spiele sorgten fünf Teams mit fünf europäischen Top-Regisseuren. Jedes Team war immer für zwei Spielstätten zuständig. Dazu waren für die UEFA 43 ENG-Teams, verteilt auf die Spielorte und Trainingscamps, mit Panasonic P2-, Arri-, GoPro- und Sony-Kameras im Einsatz.
Unterstützung holte sich UEFA Production bei der Produktion seiner Inhalte bei zahlreichen Dienstleistern und Systemherstellern.
Bernie Ross, Chef der TV-Produktion der UEFA, machte bei einem Pressebesuch im IBC die Produktionsstrategie seines Verbandes deutlich. „Unser Ziel ist es nicht, die Produktion einfach irgendwelchen Subunternehmen zu überlassen, sondern alle Spiele und Wettbewerbe, für die wir verantwortlich zeichnen, in der höchstmöglichen Qualität zu produzieren und dafür die Besten im Geschäft zusammen zu bringen“, erklärte er. Das IBC stehe für das UEFA-Konzept, Inhalte möglichst optimal zu verteilen. Besonderer Fokus würde dabei auf die Inhalte selbst gelegt und nicht die Technik. „Wir sind im Content-Business und produzieren hier zur EM über 3.000 Stunden live sowie weiteres Material. All das muss den höchstmöglichen Standards entsprechen. Dafür haben wir Partner gewählt, die das sicherstellen und dabei auch die höchste Produktionssicherheit gewährleisten können“, betonte Ross. „Die Unternehmen profitieren von dieser Zusammenarbeit und wir selbst können einen erweiterten Service bieten.“
Technik im IBC
Im Central Equipment Room (CER), dem technischen Herzstück des IBC, waren alle wichtigen Systeme für die TV-Produktion des Hostbroadcasters untergebracht. Daneben befand sich, abgesperrt von einer Gitterwand, der Telecom Interface Room (TIR) mit der Glasfaserkopfstelle von Orange. Der französische Telekommunikationsanbieter hatte zur EM alle zehn Stadien, das Media Base (siehe Beitrag in dieser Ausgabe) an der Pariser Fanzone und das IBC mit einem redundanten bi-direktionales 100 Gbit/s Glasfaser-Netzwerk verbunden – insgesamt rund 70.000 Kilometer Glasfaserkabel wurden dabei genutzt.
Die IP-basierte Signal-Kontribution via Glasfaserleitung von jedem Stadion ins IBC besorgte im UEFA-Auftrag die European Broadcast Union (EBU). Die wiederum hatte Lawo mit der Bereitstellung der dafür nötigen Systeme und Endgeräte beauftragt. Zum Einsatz kamen hier unter anderem 264 V__remote4-Einheiten (19 – 20 pro Venue, 73 im IBC), zwei redundante Lawo VSM Server im IBC, zwei Lawo VSM LBP51 Panel im MCR, zwölf Lawo VSM Softpanels, zwei Arista 7504 Switches (jedes mit vier Blades), 26 Cisco SG300 (zwei in jedem Venue, sechs im IBC).
Zwei verschiedene Glasfaserstrecken von jedem Stadion lagen im IBC an. Bei jedem Match wurden 16 multilaterale Signale produziert plus die unilateralen. Dazu kamen noch die Signale von Spielen, die in 4k/UHD produziert wurden. Alle Feeds wurden im Masterkontrollraum (MCR) geschaltet und zur Überwachung und Qualitätskontrolle auch noch ins UEFA Command Center nach Zürich geschickt.
Von jedem Stadion kamen konstant acht Feeds im IBC an. Während eines Matches waren es dann über 40. An einem Match-Tag fanden in der Vorrunde in vier Stadien Spiele statt. Eine Menge Signale mussten also hier verteilt werden. Dabei half die IP-Installation ungemein. In der Vergangenheit mussten zur Einrichtung der nötigen Leitungen Glasfaser-Verbindungen immer neu aufgelegt und jedes Mal dabei auch die Signal-Qualität und -Dämpfung neu geprüft werden. Das war zeitintensiv. Bei der IP-Übertragung kann man hingegen über das VSM-Kontrollsystem einfach das entsprechende Stadion anwählen und die Signale automatisch ohne Umverkabelung hin und her routen. Umschalten von einem zum anderen Stadiom dauert hier nur Sekundenbruchteile. Die Stadien können auch untereinander verbunden werden. Keine Video-Router waren dabei involviert. Das alles spart laut Lawo eine Menge Zeit und reduziert das Risiko bei der Produktion.
Lawo war bei der UEFA Euro auch noch anderweitig involviert. So wurde das Unternehmen von der für die Organisation der Kommentatorenplätze in den Stadien zuständigen Firma Host Boadcasting Services (HBS) mit der Lieferung der Kommentatoreneinheiten beauftragt. Auch sie arbeiten mit Ravenna AES 67 als Transportmethode komplett IP-basiert. Eingesetzt wurden hier die gemeinsam von HBS und Lawo zur Fußball Weltmeisterschaft 2014 entwickelten Kommentatoreinheiten – insgesamt 500 Stück (50 pro Stadion). Dazu kamen 50 Lawo LCC Commentary Control PCs sowie 46 Lawo DALLIS als modulare Audio-I/O Units (drei an jedem Venue, 16 im IBC).
Die UEFA selbst beauftragte Lawo mit der Lieferung des Equipments für den Transport der Audio- und Spezialkamera-Signale in den Stadien. Genutzt wurden pro Stadion vier Lawo-Stageboxen, die die entsprechenden Video-Signale und alle Mikrofon-Signale einsammelten und dann via IP in den Special-Kamera-Kontrollraum schickten, wo auch alle Audiosignale aufliefen. Von dort aus wurden sie dann in die jeweiligen Produktions-Ü-Wagen am Stadion weiter geleitet. In jeder Stagebox (6 RU) befand sich eine V__Remote 4 Unit und eine A Line Mic 8, welches dazu dient, analoges Audio in IP zu transformieren, sowie ein VSM Kontroll-Panel. Je eine weitere Lawo-Stagebox wurde im Special-Kamera-Kontrollraum und im Technikraum zur Bespielung der Stadion-Großleinwände eingesetzt.
Insgesamt, so berichteten Experten in Paris, war die diesjährige UEFA Euro Produktion wahrscheinlich die größte IP-Produktion, die jemals im Rahmen eines großen Live-Sport-Events stattgefunden hat.
Spezialkameras
Im Bereich der Spezialkameras unterstützte TV Skyline die UEFA-Produktion mit 50 Mitarbeitern und 200 Kameras vom Typ SportsCam 5 und CubeCam und Gentle Mode. In allen zehn Stadien waren jeweils eine BeautyCam auf 90 Meter Steiger außerhalb und eine im Stadion für Supertotale unterm Stadiondach, eine im Spielertunnel (TunnelCam), eine Remote Kamera hinter einem Tor auf Rasen-Niveau und eine Tornetz-Kamera. Dazu wurden 80 ComCams je nach Bedarf in den Stadien verteilt. Die Kommentatoren-Kameras konnten über die UEFA gebucht werden. Alle von TV Skyline bereit gestellten Spezialkameras hatte die UEFA über PLAZAMEDIA geordert.
Bei allen Spielen waren zudem Spidercams und ab dem Viertelfinale zwei Antelope Pico Ultra Slowmotion-Kameras, die 500 Bilder pro Sekunde lieferten, im Einsatz. Diese gaben als InGoal-Kamera jeweils einen Live- und einen Replay-Output ab. In einigen Stadien wurde zudem die Anbindung des Spidercam Control Panels über Lawos V__link4 realisiert. Die CCU stand dabei abgesetzt im Stadion und wurde über Netzwerk aus dem Ü-Wagen ausgesteuert.
Die ComCam Outputs kamen direkt via Glasfaser im TOC (Technical Operation Center) an und wurden von dort aus entweder an einen unilateralen Ü-Wagen oder über VandA-Boxen (Video-and-Audio-Boxen) mit Lawos V__remote4-Systemen ins IBC weiter geleitet.
Digitaler Content
Bei der UEFA Euro 2016 wurden umfangreiche digitale Zusatzinhalte produziert und verteilt. Dazu gehörten Live-Match-Streams, Highlight- und Multi-Angle-Clips sowie zusätzliche Daten und Statistiken, die für diverse Plattformen und Endgeräte verfügbar gemacht wurden. Die UEFA hatte dafür Deltatre ins Boot geholt. Das italienische Unternehmen war mit 100 Mitarbeitern bei der UEFA Euro vertreten. Zum Einsatz kam Deltatres Broadcast Production Grafic Suite, einschließlich VR-Studio- und Touchscreen-Lösungen, ein Player-Tracking-System in jedem Stadion zusammen mit 4k-Grafik-Produktion. Bei der Produktion und -Distribution der neuen Multimedia- und Second Screen-Services setzte Deltatre ferner auf das C-Cast-System von EVS. C-Cast besteht aus der Datenverwaltungs-Software IP Director für die Auswahl der Szenen und das Logging, sowie dem C-Cast Agent, der das Transcoding des Materials in das Kompressionsformat H.264 übernimmt und mit den Logging-Informationen versieht, mit dem das Material im Cloud-Archiv bereit gehalten wird und abrufbar ist; C-Cast Central schließlich ist der Webserver in der Zentrale des jeweiligen Service-Anbieters, von wo die entsprechenden Applikationen mit Material gefüttert werden. In jedem EM-Stadion wurde ein C-Cast Agent zur Verbindung von Inhalten mit dem C-Cast Cloud SaaS zur Auslieferung an mobile Apps eingesetzt und ein C-Cast Agent zur Lieferung von HighRes-Content ins IBC an die als LiveX bezeichnete zentrale Ingest- und Media-Plattform der UEFA.
EVS und LiveX
EVS spielte, wie auch bei vergangenen UEFA-Events, eine zentrale Rolle in der Produktionstechnik der UEFA Euro 2016. Das belgische Unternehmen war mit einem 22-köpfigen Support-Team im IBC und an den Spielstätten vertreten.
Von EVS stammte auch die Technik für die LiveX-Plattform, auf der elf Live-Feeds pro Match (bis zu 48 Feeds wurden gleichzeitig an Matchday 23 aufgezeichnet) in HD (AVC Intra) und LowRes Proxy aufgezeichnet werden konnten. LiveX bestand aus neun XT3-/SX-Servern. Die Speicher-Infrastruktur basierte auf XStore SAN für 4.000 Stunden Material. Hierauf abgelegt wurden auch alle von den ENG-Teams produzierten Inhalte ebenso wie der C-Cast Content, Material zu Pressekonferenzen, Interviews etc.
„Wir haben das System etwas größer ausgelegt als notwendig, weil wir manchmal zwei der drei Spiele parallel laufen hatten. Wir mussten in der Lage sein, ein Maximum an Feeds gleichzeitig zu verarbeiten“, erklärte Nicolas Bourdon, Marketing-Direktor von EVS beim MEDIEN BULLETIN-Besuch des IBC in Paris.
Weitere Bestandteile der LiveX-Plattform waren eine IPDirector Produktion Asset Management Suite, 13 IPDirector-Stationen zum Loggen der Inhalte, IPLink zur Verbindung der bei der multilateralen Produktion eingesetzten 36 Premiere Pro-Schnittplätzen von Adobe, 17 IPDirector-Stationen zum Content Browsen und Media Management, 38 Desktops mit IPBrowse-Lizenzen und fünf XFile3 zur Archivierung und Desaster Recovery. Zu den elf verschiedenen Feeds pro Match, die gleichzeitig auf LiveX eingespielt wurden, gehörten unter anderem Clean-Feed, Dirty Feed, Player A + B, Arial und Beautyshot. Auf die LiveX-Services und die dort verfügbaren Extra-Inhalte konnten die UBPs im IBC aber auch remote von anderen Standorten aus zugreifen. Neu war, dass man nicht nur selbst Browsen musste, um an interessanten Content zu gelangen, sondern dass man sich auch für bestimmte Inhalte registrieren konnte und diese dann automatisch zugeschickt bekam, sobald sie produziert wurden (z.B. Verletzungs-Reports von einzelnen Teams).
Technik an den Spielstätten
In jedem EM-Stadion befand sich eine kleine Version des IBC-Technikraums sowie ein Produktionsbereich mit einem Ü-Wagen für das multilaterale Signal und einem Ü-Wagen für die Fan-Unterhaltung (FANtertainment). Dabei handelte es sich um einen Extra-Service zur Bespielung der Großleinwände der Fanzonen in Frankreich. Der FANtertainment-Ü-Wagen diente auch als Backup für den multilateralen Ü-Wagen.
An jeder Spielstätte war EVS mit 16 XT3 Live Production Servern vertreten. Zwölf Server zeichneten die bis zu 46 Kamera-Feeds auf, einschließlich Slowmotion- und Hypermotion-Signale, zwei Server dienten der Clip Compilation und dem Storytelling. Für die besten Spielszenen wurde MultiReview genutzt und für Emotionen von Spielern und Fans IPDirector. Ein Server produzierte die Match-Highlights mit LMS Connect und einer wurde für das FANtertainment genutzt.
Von EVS kam auch das Ingest Funnel-System, mit dem die Beträge der ENG-Teams von den Stadien und anderen Standorten auf den Zentralspeicher im IBC übertragen werden konnten. Beim Filetransfer der Clips arbeitete man mit Aspera zusammen. Auch den Broadcast Partnern der UEFA stand das Ingest Funnel-System zur Verfügung. Zwei Ingest Funnel gab es an jedem Venue sowie zusätzliche Ingest Funnel Lite-Systeme für jede ENG-Crew.
4k-Produktion
Bei der UEFA Euro 2016 wurden erstmals auch acht Spiele live in UHD/4k produziert. Dabei handelte es sich um das Eröffnungsspiel, Viertel- und Halbfinals und das Endspiel. Pro Match wurden 14 UHD/4k-Feeds mit Sony-Kameras aufgezeichnet. Eingesetzt wurden dabei jeweils sieben XT3-Server von EVS und Ü-Wagen von AMP Visual und Telegenic. ASC sorgte für 4k-Helikopterbilder und TV Skyline für 4k-Beautyshots in fünf Stadien und für die Glasfaseranbindung der 4k-Spidercam. Auch die 4k/UHD-Bilder wurden via Orange-Glasfasernetz in das IBC geschickt. Die UFA übergab das Signal dann an zehn 4k-Rechtehalter weltweit. Eine UHD-Übertragung von sieben EM-Spielen bot unter anderem die italienische RAI – mit Unterstützung von Eutelsat. Verbreitet wurden die Bilder über Eutelsats Free-TV-Satelliten-Plattform Tivùsat.
Remote Produktion und virtuelle Services
Die UEFA organisierte ferner eine Remote-Testproduktion zwischen IBC und Stade de France in Staint-Denise. Eingesetzt wurde dabei der Live-Produktionsmischer DYVI von EVS. Das Prozessormodul (PM) war dabei im Stadion und das Panel zur Steuerung im IBC. Das gleiche Prinzip wurde auch bei den Servern getestet. Der Server im Stadion wurde über einen LSM Controller im IBC gesteuert. Angebunden waren die Systeme über Glasfaser. „Die Remote Produktion auf Basis von SMPTE 2022-6 für HD und 4k wird bei der nächsten EM im Jahr 2020 sehr wichtig, weil diese dann in 13 verschiedenen Ländern stattfindet“, sagte Ross.
Er sieht zwar einen gewissen Trend hin zu Remote-Produktionen, glaubt aber trotzdem, dass das IBC für die Broadcaster weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird, weil hier alle verfügbare Inhalte zentralisiert sind. Ross: „Das IBC bleibt der Distributions-, Kontributions- und Kreations-Mittelpunkt der EM. Die Sender wollen möglichst nahe bei UEFA und unseren Signalen sein.“ Es gebe keine Anzeichen dafür, dass weniger Broadcast-Kunden das IBC oder auch unsere technischen Services an den Venues buchen wollten. „Wenn wir ein IBC für die Champions League machen würden, wäre die Situation die gleiche. Die Broadcaster wollen immer ihre Fachleute zum Event schicken, brauchen dort aber zusätzliche Kapazitäten wie zum Beispiel bei Edit Suites. Wir können ihnen das anbieten und deshalb kommen sie hierher“, betonte er. Das UEFA-Angebot von Zusatzinhalten wie vorproduzierte Filme zu den Spielorten, Spieler- und Team-Profile, Magazin-Beiträge während des Turniers und das von den ENG-Teams zusammen getragene Material erfreue sich wachsender Nachfrage, auch bei digitalen Plattformen und Kanälen. Die LiveX-Plattform sei deshalb auch für digitale Distribution von zentraler Bedeutung. „Rechtehalter wollen natürlich nicht nur im IBC Zugang zu diesem Material haben, sondern auch via Cloud überall dort, wo sie die Inhalte brauchen“, meinte er. Das komplett virtuelle IBC existiere aber noch nicht ebenso wie eine durchgehend IP-basierte Produktion. „Vielleicht sieht das 2020 etwas anders aus. Aber selbst dann wird es das IBC als physische Struktur weiter geben. Nur werden wir bis dahin noch mehr virtualisierte Services anbieten können“, sagte der UEFA TV-Produktionschef.
Im UEFA-Showroom im IBC in Paris wurden bereits einige neue Technologien vorgestellt, die laut Oliver Gaches, UEFA Digital Media Solutions Manager, in Richtung Virtualisierung und Dezentralisierung gehen. Die UEFA testete hier zum Beispiel gemeinsam mit Deltatre VR-Systeme in Live- und Near-Live-Umgebungen. Dazu gehörte die Evaluierung von VR-Equipment, -Apps und technischen Workflows. „Wir haben einerseits die Zentralisierung im IBC, anderseits aber auch, mit Blick auf die neuen digitalen Services, den Trend hin zur Dezentralisierung mit Cloud-basierten Services, Remote Produktion und Distribution“, erklärte Gaches. Im UEFA-Showroom zu sehen war auch der von der UEFA erstmals angebotene Live Studio Backdrop Service mit Panorama-Bildern aus den Stadien. Im IBC genutzt wurde dieser Service von ARD und ZDF in ihrem gemeinsamen IBC-Studio auf einer riesigen LED-Wand (11,20 x 2,70 Meter), die eine Auflösung von 4k ermöglichte.
ARD/ZDF
ARD und ZDF arbeiten – wie schon in der Vergangenheit – auch bei der EURO 2016 Hand in Hand. Die gesamte Technik, die während der EM im Einsatz war, wurde von beiden Seiten gemeinsam genutzt, und ein Großteil davon direkt nach der EM zum Einsatz bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro geschickt. Die technische Federführung lag beim WDR. Als Produktionsleiter der ARD-Lenkungsgruppe UEFA EURO zeichnete Andreas Heiserholt verantwortlich. Von den 51 Spielen der Euro übertrugen das ZDF 23, die ARD 22 und Sat.1 als Unterlizenznehmer von ARD/ZDF sechs. Die gemeinsame UEFA Euro-Produktionsstätte von ARD und ZDF im IBC bestand aus Studio, Regie, Hauptschaltraum, weiteren Technikräumen sowie Schnitt- und Redaktionsarbeitsplätzen. Im Studio kam neben der großen LED-Wand weiter entwickelte Augmented Reality-Technologie zum Einsatz.
Das ZDF nutzte für seine EM-Moderationen häufig auch die von der EBU angebotenen Stand-up-Positionen in der Media Base an der Pariser Fanzone mit Blick auf den Eiffelturm. Die ARD wiederum setzte mehr auf gläserne Studios in den Stadien.
ARD und ZDF nutzen wie bei allen großen Sport-Events wie der Fußball-Europameisterschaft UEFA EURO 2016 auch bei den Olympischen Spielen 2016 im Bereich Medienproduktion, -management und -distribution Workflow-Lösungen von Avid. Eingesetzt wurden insbesondere Avids Asset Management- und Zentralspeicher-Systeme, in das sich Drittanbieterlösungen nahtlos integrieren lassen. Bereitgestellt und installiert wurden die Avid-Lösungen vom Systemintegrator Qvest Media. Zum Einsatz kamen bei der mobilen und flexiblen Infrastruktur das Media Asset Management-System Avid Interplay sowie Avid Shared Storage Systeme; der Schnitt erfolgte auf Media Composer Nitris DX, während iNEWS und mehrere Interplay-Systeme für die Nachrichtenproduktion genutzt wurden. Zum integrierten, file-basierten HD-Workflow gehörten für Ingest und Playout auch der Media Server XT3 sowie der IP Director von EVS sowie eine Grafiklösung von Vizrt. Das Erste registrierte bei seinen EM-Übertragungen im Schnitt 13,6 Millionen Zuschauer – das entspricht einem Marktanteil von 51,1 Prozent. Das meist gesehene Spiel war dabei mit 28,5 Millionen und einem Marktanteil von 79,7 Prozent das Viertelfinale zwischen Deutschland und Italien. Auch das Angebot von sportschau.de wurde stark nachgefragt. Die Website und die Sportschau-App hatten im Zeitraum vom 10. Juni bis zum 10. Juli insgesamt 33 Millionen Visits und 123,2 Millionen Page Impressions. Die Videos im neuen Multicam-Angebot der Sportschau, bei dem man Livestreams und Highlight-Videos aus verschiedenen Kameraperspektiven betrachten kann, wurden rund 3,9 Millionen Mal abgerufen. Top-Video bei YouTube ist mit bislang knapp 946.000 Abrufen die Zusammenfassung des Viertelfinalspiels der deutschen Mannschaft gegen Italien. Alle Spiele, die Das Erste und das ZDF übertrugen, wurden erstmals mit einer Audio-Deskription für sehbehinderte und blinde Zuschauerinnen und Zuschauer versehen. Speziell geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschrieben detailliert für jedes dieser Spiele das Fernsehbild. Das hatte es in diesem Umfang und in dieser Qualität bisher nicht gegeben. Das Angebot konnte im Zweikanalton genutzt werden.
Eckhard Eckstein
MB 3/2016