Die Southeast Asian Games (SEA Games) gehören zu den größten Multisport-Events der Welt. Bei der 28. Auflage in Singapore waren 7.000 Athleten aus elf Nationen vertreten. Vom 5. bis 16. Juni ermittelten sie in 28 Sportarten mit insgesamt 36 Disziplinen, bei 402 Wettkämpfen, an neun Wettkampfstätten ihre Besten. Veranstaltet wurden die 28. SEA Games vom Singapore Southeast Asian Games Organising Committee (SINGSOC) im Sportzentrum von Singapur mit dem im Sommer 2014 eröffneten, rund 55.000 Besucher fassenden, National Stadium als Hauptsportstätte.
Großen Wert legte SINGSOC bei den 28. SEA Games auf eine hochwertige TV-Berichterstattung, mit der man bereits am 29. Mai begann. Eine zentrale Rolle spielte dabei MediaCorp als Medienpartner, Hauptsponsor und Host Broadcaster. Das in Singapur ansässige Medienunternehmen ist sehr vielseitig aufgestellt und in den Bereichen Fernsehen, Radio, Tageszeitungen, Zeitschriften, digitale und mobile Medien tätig.
Um eine perfekte Übertragung der Spiele zu gewährleisten holte sich MediaCorp den Spezialisten für Großevents wie die Fußball-Weltmeisterschaften, Host Broadcast Services (HBS), als Produktionspartner ins Boot. HBS war schon des Öfteren in Asien aktiv, allerdings noch nie bei den SEA Games. So war man 2002 Hostbroadcaster des FIFA World Cup Korea/Japan. Zudem arbeitete HBS bei einigen Großevents in Asien als Teil der IGBS, einem 50:50 Joint Venture mit IMG. Dazu zählten etwa die 15. Asian Games Doha 2006, die 16. Asian Games Guangzhou 2010, die 17. Asian Games Incheon 2014 und die 7. Asian Winter Spiele in Astana-Almaty 2011. „Ich freue mich sehr, dass wir MediaCorp bei ihrer Aufgabe als Hostbroadcaster unterstützen können. Diese Partnerschaft wird dafür sorgen, dass die Zuschauer die besten jemals realisierten SEA Games-Übertragungen sehen können,“ zeigte sich HBS-Geschäftsführer Francis Tellier im Vorfeld des Events zuversichtlich. „Wir gehen davon aus, dass wir in Singapur eine neue Richtmarke für künftige Ausgaben der Veranstaltung setzen werden“, betonte er. Das wurde auch geschafft. „Für uns ist immer wichtig, dass unsere Kunden zufrieden mit unserer Arbeit sind. Und das ist so. Wir haben bislang ein sehr positives Feedback von Kunden, Partnern und Rechtehaltern bekommen“, erklärte Daniel Wlochovski, HBS Projekt Direktor der SEA Games 2015, am Tag der Schlussveranstaltung gegenüber MEDIEN BULLETIN.
Mit 350 Mitarbeitern, die meisten davon, – wie bei solchen Großveranstaltungen üblich, – Freelancer, kümmerte sich HBS um die meisten Broadcasting-Aufgaben. „Alle Hostbroadcaster-Funktionen sind im Grunde an uns als Subunternehmen übergeben worden. Wir haben den ganzen Live-Sport produziert, die technische Gesamtplanung für das IBC und die Venues gemacht und deren Betrieb organisiert“, erklärte Wlochovski. Für die technische und organisatorische Planung des Events benötigte HBS rund fünf Monate. Mit der Installation der Technik begann man einen Monat vor dem Start der Spiele.
HBS-Produktionsleistung
Insgesamt wurden von HBS über 490 Stunden Sendezeit zu den SEA Games produziert. Dazu gehörte auch die Liveübertragung der Eröffnungs- und Schlussveranstaltungen im National Stadium. Live wurde über 14 Sportarten und Disziplinen berichtet, plus „Bonus”-Liveberichterstattung von den Wassersprung-Wettbewerben und einzelnen Wettbewerben der artistischen Gymnastik. Alle anderen Sportarten und Disziplinen wurden durch die Berichterstattung von vier ENG-Teams für das tägliche Highlight-Programm abgedeckt. Bei allen Live-Produktionen kamen jeweils sechs bis 16 Kameras zum Einsatz.
HBS bediente an den neun Sportstätten mit Live- oder erweiterter Highlight-Berichterstattung sowie im IBC alle Broadcast-Rechtehalter mit buchbaren Services. Erfahrene Broadcast Venue Manager (BVMs) von HBS betreuten dort alle Broadcast-Aktivitäten, multilaterale und unilaterale, mit buchbaren Services wie Stand-up-, Mixed Zonen- und unilateralen Kamera-Positionen.
Neben der Live-Berichterstattung sorgte HBS an den zwölf Wettkampftagen ferner für die Produktion von täglichen Highlight-Shows sowie für ein zusammenfassendes 104-minütiges Highlight-Programm am Ende der Veranstaltung. Vor dem Event wurden von HBS für Promotion-Zwecke bereits allgemeine Kurzfilme zum kulturellen Leben und den Sporteinrichtungen in Singapur produziert sowie On-Screen-Grafiken und Ein- und Ausstiegssequenzen für die folgenden Berichterstattung produziert.
Bei der Erstellung der internationalen TV-Signale arbeitete HBS mit Produktionsteams des HBS/IMG-Joint Ventures IGBS zusammen sowie mit Teams von Astro Malaysia, TPT (Television Pool of Thailand), G-Force und Henrik Saabye Production. Das eingesetzte Produktionsequipment stammte unter anderem von Broadcast Solutions aus Singapur, MediaCorp, Astro Malaysia und Arial Camera Systems (ACS). Letztere Firma gehört seit 2010 zur Euro Media Group und ist Anbieter von Spezialkameras, die auch schon bei Olympischen Spielen eingesetzt wurden. Insgesamt arbeitete HBS bei den 28. SEA Games mit acht Produktionseinheiten und insgesamt 72 Kameras.
Erstmals bei SEA Games gab es in Singapur auch eine zusätzliche Live-Berichterstattung, die nicht vom Hostbroadcaster selbst realisiert wurde. Der sogenannte „Broadcaster Production Pool“, bestehend aus den fünf Broadcastern TPT (Television Pool of Thailand), Astro Malaysia, MediaCorp, TV5 Philippines und SCTV Indonesia produzierte die fünf Sportarten Tennis, Volleyball, Hockey, Billiard und Snooker, die nicht im HBS-Live-Plan waren. „Die Beschränkung unseres Live-Produktionsengagements hat immer mit dem uns dafür zur Verfügung stehenden Budget zu tun, das wir auch hier vorher mit der SINGSOC und MediaCorp besprochen haben. Aber wir haben den Produktionspool natürlich, so weit wir konnten, unterstützt“, erklärte Wlochovski. So habe man dessen Signale redistribuiert, insbesondere im IBC und bei Satellitenübertragungen sowie den eigenen Mediaserver im IBC so dimensioniert, dass dort auch noch Platz für den zusätzlichen Content des Production Pool war.
Wichtiger Technik-Partner der 28. SEA Games war auch EVS. SINGSOC hatte zu den Spielen mit dem belgischen Unternehmen eine Kooperation zur Bereitstellung eines End-to-End Multimedia Produktionsservices geschlossen. Er beinhaltete mit C-Cast eine Cloud basierte Second Screen-Distributionsplattform von Multimedia-Inhalten für mobile Endgeräte. Damit hatten Zuschauer zu den Spielen die Möglichkeit, Live- und Near-live-Multicam-Clips über eine SEA Games App auf Android- und iOS-Smartphones und -Tablets zu nutzen. Das von EVS bereit gestellte Live Multimedia Produktionssystem erlaubte Echtzeit-Ingest, Multicam-Editing und Metadaten-Anreicherung des Live-Contents. Neben den Ingest, Clipping und Speicher-Funktionalitäten, die bei den SEA Games von den EVS XT3 Servern und IPDirector Asset Management bereitgestellt wurden, sorgte die C-Cast-Lösung von EVS für die Verbindung zu den Produktionsinfrastrukturen an den Sportstätten und die Verbreitung von Live- und Near-live-Inhalten auf mobile Endgeräte. Zuschauer waren mit ihrem SEA Games App so in der Lage, aus verschiedenen gleichzeitig übertragenen Wettbewerben auszuwählen, sich On-Demand-Replays anzuschauen oder Highlights mit Multicam-Option. MediaCorp wiederum hatte zu den Spielen von Magna Systems aus Singapur eine Cloud basierte Broadcast Monitoring Plattform von Actus Digital für die Aufzeichnungen und crossmediale Inhalteverwertung implementieren lassen. MediaCorps nutze die Actus-Lösung zum Ingest von Live-Signalen der SEA-Games-Wettbewerbe, zur automatischen und halbautomatischen Clip-Generierung für seine eigene OTT-Plattform sowie zur Verpackung und Distribution in verschiedenen Bitraten und Auflösungen für verschiedene Empfangsgeräte.
International Broadcast Center
Das International Broadcast Centre (IBC), in Laufweite zum Sportzentrum von Singapur, wurde auch von HBS betreut. Die Einrichtung bot Platz für unilaterale Produktionen der Rights Holding Broadcasters (RHBs) der Spiele, und wurde laut Wlochovski nach Kundenwünschen von HBS realisiert.
Neben dem Aufbau und der Bereitstellung von unilateralen Einrichtungen sorgte HBS dort ferner für die multilateralen Einrichtungen für Kontribution und Distribution der Signale, den Betrieb des Transmission Control Room (CDT), die technische Zentrale für alle eintreffenden und ausgehenden Feeds, den Master Control Room (MCR), den Central Equipment Room (CER), den Central Information Counter (CIC) sowie für die Satelliten-Farm zur Übertragung von unilateralen Signalen in die Heimatländer der RHBs.
Der Hauptkontrollraum war laut Wlochovski dafür ausgelegt, gleichzeitig zehn Signale von den Sportstätten empfangen und weiter verarbeiten zu können. Die Produktions-Regien an jedem der neun Live-Venues waren redundant über Glasfaser mit dem IBC verbunden. „Im IBC haben wir unter anderem die Qualitätskontrolle für Technik und Redaktion realisiert, die Postproduktion für das Highlight-Editing mit täglich einer Stunde Highlight-Produktion und den Support unseres Media Servers mit zwei XT3 von EVS“, sagte Wlochovski. Im IBC sei auch wieder, wie zuletzt bei der Fußball-WM in Brasilien, die HBS-eigene Kreuzschiene von Imagine Communications zum Einsatz gekommen und die HBS-eigenen Power Distribution Systeme. Für die Satelliten-Distribution habe man mit Globecast zusammen gearbeitet.
Besondere produktionstechnische Innovationen waren bei den SEA Games 2015 indes nicht am Start. „Wir hatten Ultramotion- und Robotic-Kameras, eine Schienenkamera für die Schwimmwettbewerbe und für Leichtathletik sowie virtuelle Technik, um dort die Bahnen der Wettkämpfer zu beschreiben. Wirklich neu war bei den 28. SEA Games eigentlich nur, dass wir die Spiele erstmals komplett in HD produziert haben“, sagte Wlochovski. Bei den letzten SEA Games 2013 in Myanmar war noch in SD produziert worden, weil HD-Technik bei manchen Broadcastern in einigen südostasiatischen Ländern noch nicht Einzug gehalten hatte. „Deshalb waren Anfang des Jahres, als die Entscheidung für HD fiel, erst einmal nicht alle begeistert davon“, meinte der HBS-Manager.
Am Ende der Spiele in Singapur sei das jedoch anders gewesen. „Alle haben gemerkt dass wir signifikant die Produktionsstandards angehoben haben. Anfangs haben sich viele noch gefragt, was wir da eigentlich machen. Am Ende haben sie dann aber gut verstanden, warum wir engagiert wurden. Der Unterschied in der Qualität der Produktion war für sie deutlich sichtbar.“ Eine Herausforderung sei gewesen, einige Rechtehalter auf Grund ihrer fehlenden technischen Möglichkeiten nicht zu überfordern. Es habe aber gut geklappt, hier das richtige Maß zu finden. HBS habe bei den SEA Games in Singapur wieder einmal zeigen können, dass man auch ein guter Partner für Multisport-Events sei und dass man auch in diesem Feld über viel Erfahrung verfüge. Eine interessante Übung sei auch gewesen, dass HBS neben den SEA Games gleichzeitig den FIFA Frauen Weltcup in Canada vorbereiten und betreuen konnte. „Auch hier haben wir bewiesen, dass wir in der Lage sind, mehrere Großevents auf verschiedenen Kontinenten in verschiedenen Sportarten gleichzeitig abzuwickeln“, betonte der HBS-Manager.
Eckhard Eckstein
MB 4/2015
© HBS