Live aus Roth: Triathlon ohne Netzsicherheit

Funklöcher und dennoch 15 Stunden Live: Die TV-Produktion der Challenge Roth ist ein logistisches und technisches Meisterstück. So meistert DropIn-TV den wohl härtesten Triathlon-Job des Jahres.

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Laura Philipp am Solarer Berg
Laura Philipp erklimmt unter tosendem Jubel den Solarer Berg – später triumphiert sie beim Challenge Roth in 8:18:18 Stunden.

Die Challenge Roth ist einer der renommiertesten Langdistanz-Triathlons der Welt. Fans vor Ort schwärmen von einer Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. 3,8 Kilometer Schwimmen im Main-Donau-Kanal, 180 Kilometer Radfahren über das fränkische Umland und ein Marathonlauf durch die Stadt und entlang des Kanals – alles an einem Tag, begleitet von rund 300.000 Zuschauern – mehr als bei jedem Ironman. Für eine Liveproduktion bedeutet das, drei eigenständige Sportereignisse nahtlos in einer 15 Stunden langen Übertragung zu verbinden.

„Man muss das planen, als würde man drei Produktionen an einem Tag durchführen“, sagt Manuel Durst, Geschäftsführer von DropIn-TV. 2025 verantwortete sein Team das komplette Bewegtbildangebot: das internationale englischsprachige Programm mit eigenem Moderationsstudio, das Weltbild für nationale Sender wie den Bayerischen Rundfunk und umfangreiche Inhalte für Social Media. Redaktion, Moderation, Fieldreporting und Technik lagen vollständig in den Händen von DropIn-TV.

Kameramann im Einsatz am Schwimmstart des Main-Donau-Kanals.
Kameramann am Schwimmstart des Main-Donau-Kanals, wo sich tausende Zuschauer dicht an dicht entlang des Ufers drängen.

Drei Disziplinen, eine durchgehende Produktion

Die Umsetzung beginnt mit dem Schwimmstart am Main-Donau-Kanal. Dort drängen sich morgens um 6 Uhr zehntausende Zuschauer auf engem Raum. Für Durst ist das der Auftakt einer logistischen wie technischen Ausnahmesituation: „Wir sind an drei unterschiedlichen Schauplätzen unterwegs, und alle sind voneinander getrennt. Das macht die Koordination besonders anspruchsvoll.“

Vom Schwimmen geht es direkt auf die 180 Kilometer lange Radstrecke. Spitzengeschwindigkeiten von 40 bis 50 km/h verlangen nicht nur den Athleten, sondern auch den Kamerateams auf den Motorrädern höchste Konzentration ab. Zum Abschluss führt die Marathonstrecke durch die Innenstadt und entlang des Kanals – dort, wo die Atmosphäre am emotionalsten, aber die Netzsituation am schwierigsten ist.

Sam Laidlow gewinnt die Challenge Roth und feiert als Gesamtsieger der Herren seinen Zieleinlauf im Stadion.
Sam Laidlow gewinnt die Challenge Roth und feiert als Gesamtsieger der Herren seinen Zieleinlauf im Stadion.

Netzprobleme als Dauerherausforderung

Die Mobilfunkabdeckung in der Region ist für Liveproduktionen ein permanentes Risiko. „Deutschland hat in ländlichen Gebieten einfach eine katastrophale LTE-Abdeckung“, sagt Durst. Klassisches Bonding über LTE-Modems reicht unter diesen Bedingungen nicht aus.

Starlink-Terminals bei der Challenge Roth
Starlink-Terminals sichern die Connectivity der Liveproduktion. ©DropIn-TV

DropIn-TV bündelte deshalb sechs Starlink-Terminals zu einer stabilen Highspeed-Verbindung, um die Signale vom Schwimmstart zuverlässig in die Regie zu übertragen. Auf der Radstrecke wurden Funklöcher bereits im Vorfeld kartiert. „Wir fahren die Strecke vorher ab und wissen genau, wo wir keinen Empfang haben werden“, erklärt Durst. In diesen Zonen überbrückten Drohnen mit Starlink-Relays die Verbindung, bis die Motorräder wieder Netz hatten.

Ein ähnliches Konzept kam beim Marathon zum Einsatz, insbesondere entlang des Kanals, wo großflächig kein Empfang möglich ist. „Dort fliegt dann eine Drohne mit Starlink, um die Signalschwäche zu überbrücken“, so Durst.

Konsistenter Look auf allen Kamerapositionen

Optisch entschied sich DropIn-TV für einen cineastischen Look in 1080p50. „Wir wollen nicht den typischen 50i-Broadcast-Look, sondern Bilder mit Tiefe und Charakter. Vollformat liefert uns diesen Unterschied“, sagt Durst.

DropIn-TV Geschäftsführer Manuel Durst im Einsatz bei der Challenge Roth.
DropIn-TV Geschäftsführer Manuel Durst im Einsatz bei der Challenge Roth. ©DropIn-TV

Auf den Motorrädern arbeiteten die Kameraleute mit Sony FX3, DJI Ronin RS3 und 24-70mm-Zoomoptiken, verbunden mit Teradek Prism Mobile Bonding-Packs mit sechs integrierten LTE-Modems. An festen und mobilen Landpositionen kamen Sony FX6 mit wechselnden Optiken zum Einsatz – vom 24-70mm-Standardzoom über 70-200mm bis zu langen Brennweiten wie dem Sigma 60-600mm, das im Crop-Modus (1,5x) eine Reichweite von bis zu 900 Millimetern bietet. Für Slow-Motion und Highlights nutzte das Team eine Sony Burano, meist mit Festbrennweiten.

Kamerateam in der Absprache vor dem Einsatz – immer mit Unity Intercom am Ohr, um nahtlos in die Liveproduktion eingebunden zu sein.
Kamerateam in der Absprache vor dem Einsatz – immer mit Unity Intercom am Ohr, um nahtlos in die Liveproduktion eingebunden zu sein.

Im Zielstadion ergänzte das Team eine Sony ILME-FR7 PTZ-Kamera, deren Sensor und Bildcharakteristik zu den übrigen Vollformat-Systemen passte. Drohnenseitig kamen eine DJI Inspire 3 für Luftaufnahmen beim Schwimmen sowie DJI Mavic 4 Pro-Modelle zum Einsatz, die von Motorrädern aus gestartet und gelandet wurden – inklusive minutengenau geplanter Akkuwechsel.

Regie aus München und niedrige Latenzen

Die gesamte Produktion lief aus zwei Regien im Münchner Studio von DropIn-TV, beide auf Basis des Vizrt Tricaster Vizion. Eine Regie steuerte das Weltbild, die andere den internationalen Stream. Vor Ort gab es keinen Ü-Wagen, sondern lediglich einen kleinen SRT-Mini-Server, der Programmsignale für die Videowall und das Moderationsstudio im Stadion zurückführte.

Remote-Regie in München: Von hier steuert DropIn-TV das Weltbild und den internationalen Stream der Challenge Roth.
Remote-Regie in München: Von hier steuert DropIn-TV das Weltbild und den internationalen Stream der Challenge Roth. ©DropIn-TV

Die Verbindung zwischen Studio und Vor-Ort-Set war nahezu in Echtzeit. „Die Moderatoren bekommen unser Programmbild mit etwa 200 Millisekunden Verzögerung zurück, ihre Kamerasignale kommen mit der gleichen Latenz zu uns“, erklärt Durst. Bei den LTE-basierten Bonding-Streams aus dem Feld lag die Verzögerung naturgemäß höher – rund zwei bis drei Sekunden –, was für den Triathlon laut Durst jedoch unproblematisch ist.

Auch Triathletin und Social-Media-Star Paula Enzweiler (@paula.enx, re.) feuert die Athleten am Streckenrand begeistert an.
Auch Triathletin und Social-Media-Persönlichkeit Paula Enzweiler (@paula.enx, re.) feuert die Athleten und Athletinnen am Streckenrand begeistert an.

Die Kommunikation lief über Unity Intercom, eine LTE-basierte Lösung mit Tally-Funktion, die in mehrere Gruppen für Technik, Redaktion und Moderation strukturiert war. In Bereichen ohne Mobilfunk stellte das Team lokale WLAN-Netze über die Starlink-Terminals bereit. Ergänzend nutzte man Hollyand Soldicom C1 Pro und M1 an festen Standorten, eingebunden ins Unity-System.

Datenintegration und Grafik

Die Zeitmessung kam vom Provider Mika Timing. Über eine eigens programmierte API flossen die Daten ins Vizrt-Grafiksystem Flowics. Um auch Positionsgrafiken mit Abständen in Echtzeit zu erstellen, stattete DropIn-TV die Kameramotorräder zusätzlich mit GPS-Modulen aus. „So konnten wir immer sehen, wo die Führungsgruppen sind, und die Zuschauer wussten genau, wie sich die Abstände entwickeln“, sagt Durst.

Produktion für mehrere Plattformen

Während im Studio live geschnitten wurde, arbeiteten parallel fünf Editing-Workstations an Highlight-Clips, Recaps und Social-Media-Formaten. Über 50 Rubriken – von Führungswechseln über Age-Grouper-Geschichten bis zu „Best Moments“ – wurden noch während des Rennens veröffentlicht. Sender, die nicht den kompletten Livefeed übernahmen, erhielten vorproduzierte Pakete, die DropIn-TV zeitnah ausspielte. Zusätzlich entstand ein rund 26-minütiger Highlightfilm, der das Rennen in kompakter Form zusammenfasst und über quattro media international vertrieben wurde. (siehe auch: 352 Millionen Views für den Nischensport)

Ausblick auf 4K

Für die kommenden Jahre bleibt DropIn-TV exklusiver Produktionspartner der Challenge Roth. Der Vertrag läuft zunächst über drei Jahre. „Das Ziel ist es, in Zukunft 4K zu produzieren – HDR wäre mein Wunsch“, sagt Durst. „Unsere Technik ist dafür ausgerüstet, damit das funktioniert. Aber dafür müssen wir die Bandbreite einfach hinkriegen.“ Für ihn ist klar: Erst wenn eine stabile und ausreichend schnelle Datenverbindung vor Ort gewährleistet ist, lässt sich der nächste große Qualitätssprung umsetzen.

Einer der ersten Gratulanten ist der deutsche Triathlet Patrick Lange. Tausende Fans feiern im Stadion, während der BR die Szene live einfängt.
Einer der ersten Gratulanten ist der deutsche Triathlet Patrick Lange. Tausende Fans feiern im Stadion, während der BR die Szene live einfängt.

Sein Fazit für dieses Jahr fällt indes positiv aus: „Wir arbeiten hier unter Bedingungen, die mit der Tour de France oder Olympia vergleichbar sind – nur ohne deren Infrastruktur. Dass wir trotzdem über 15 Stunden stabil live senden können, ist das Ergebnis monatelanger Planung und eines eingespielten Teams.“

Besonders wichtig sei dabei das Vertrauen der Team-Challenge-Familie, die DropIn-TV die komplette Umsetzung anvertraut habe. „Und ohne Partner wie BPM, die uns im Materialsupport helfen, Vizrt mit ihrem Support für Regie- und Grafiksysteme oder Teradek, mit denen wir eng bei unseren Streaming-Lösungen zusammenarbeiten, wäre eine Produktion dieser Dimension nicht möglich“, betont Durst.