Giga Digital, so positioniert man sich selber, sei „der erste deutsche Fernsehsender, bei dem es rund um die Uhr um die Themen Digital Lifestyle, Games und eSports“ gehe. Der Free-TV-Sender, der kürzlich von Premiere gekauft worden ist, verfüge „über eine technische Reichweite von über 22 Millionen Zuschauern“. Via Live-Internetstream erreiche man sogar „100 Prozent der Zielgruppe“. Da Giga Digital außerdem zielgenau – ohne Streuverlust – die Lieblingsgruppe der Werbezeiteneinkäufer bedient, nämlich junge Männer, die sich ihrer Meinung noch am besten formen lassen, müssten sie doch eigentlich die Bude des Kölner Senders einrennen?
Auf diese Frage hin lacht Stephan Borg und weist darauf hin, dass er nicht der „Salechef“, sondern seit drei Jahren Programmdirektor von Giga sei. In der Vergangenheit, so räumt er ein, sei man „in der speziellen Situation wie alle anderen Digitalsender“ gewesen, deren Akzeptanz bei ihren Zielgruppen mit der marktführenden Methode der Quotenmessung seitens der GFK/ AGF nicht erfasst werden könnte. Die in der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung, AGF, zusammengeschlossenen großen Sender hätten bislang auch kein Interesse daran. So habe Giga in 2006 eine eigene Zuschauerbefragung mit durchaus validen Methoden, die sich an der MA des Radiomarktes orientieren, durchgeführt. Heraus kam: Die Zuschauergruppe – oder „Community“ – von Giga ist zu 96,5 Prozent männlich, durchschnittlich 18,8 Jahre alt, hat ein recht hohes Bildungsniveau und repräsentiert, wie Borg sagt, „den Idealtypus des jungen Gamers“. Bei einer speziellen aktuellen Digitalstudie sei sogar herausgekommen, dass Giga zu den fünf reichweitenstärksten Sendern hinsichtlich des digitalen TV-Empfangs zähle.
Auch nach dem Kauf von Giga seitens des Pay-TV-Veranstalters Premiere können Giga-Fans ihren Sender weiterhin über Astra digital und Web-TV frei empfangen. Vorerst zumindest wird der Sender, der demnächst sein zehnjähriges Jubiläum feiert, ebenso weiterhin über diverse digitale Plattformen von Kabelnetzbetreibern wie auch als IPTV ausgestrahlt. Borg freut sich, dass der Sender, der unter verschiedensten Besitzern und Investoren operierte, mit Premiere einen Heimathafen gefunden hat. Überlegt werde neuerdings, das Programm ein wenig mehr auf etwas ältere junge Männer auszurichten, und Borg persönlich kann sich vorstellen auch als Auftragsproduzent speziell für Premiere perspektivisch neue Formate im Bereich „Game“ zu entwickeln: in HD-Qualität, die bei Games mehr und mehr selbstverständlich sei. Auch der Verkauf von Werbezeiten scheint unter dem Dach von Premiere prima zu funktionieren, schon wurde mit Coke Zero ein neuer Kunde bei Giga genannt.
Borg, der nach seinem Studium zunächst erfolgreich den Berufsweg als Journalist einschlug (Bayerischer Landesfernsehpreis, Journalistenpreis für den Nachwuchs der Rheinischen Post) und sich dann als Producer und Entwickler für die creatv Fernsehproduktions GmbH (eine Firma von Hans Meiser und frühere RTL-Tochter) tummelte, landete 2004 über die „Games Convention“ bei Giga. Schon damals galt das Programmprofil von Giga als „uniques“, erinnert sich Borg: sehr frisch, sehr jung, sehr schnell, sehr kommunikativ – aber auch zu techniklastig auf Early Adopters orientiert, indem das Medium Fernsehen als Rückkanal für das Web eingesetzt wurde und nicht umgekehrt. Für das Web-Angebot konnte man sogar einen Grimme-Preis ergattern, der aber nicht die Werbewirtschaft lockt.
Um zu überleben, musste man sich ändern. Als erste Maßnahme wurde das Programm schwerpunktmäßig auf den zunehmend boomenden Content „Gaming“ umgepolt, um sich damit „der neuen Unterhaltung des anfangenden Jahrhunderts“ zu widmen. Doch das Herz des Senders, seine Einmaligkeit in der TV-Landschaft, werde nach wie vor von dem „Community-Gedanken“ geprägt, betont Giga-Programmdirektor Borg.
Das heißt: Der Impuls für das Programm stamme vom User und seiner Lebenswelt und werde nicht von der Redaktion diktiert. Borg nennt ein Beispiel. Als die Videospielkonsole XBox 360 von Microsoft im Preis um 80 Euro reduziert wurden, sei das in Deutschland zuallererst von einem User im Giga-Community-Forum „gepostet“ worden. Die Redaktion habe die Information „qualifiziert“, auf den Wahrheitsgehalt geprüft mit Videos und genauen Informationen zum Vorgang aufbereitet und gesendet, im Web und im Fernsehen.
Ähnlich reagiere die Redaktion auf andere Anregungen der User im Forum, ob sie sich auf den Umgang mit digitalen Entertainment- und Kommunikationsprodukten wie etwa iPhone, DVD, der Sony Play Station beziehe oder aus anderen Lebensbereichen stamme. Wobei natürlich das Thema Liebe und Sex in der Zielgruppe eine große Rolle spiele, wozu es das Format „Love Shack“ als „Giga Liebesnest“ in der Prime-Time gibt.
Ob „Love Shack“, „GIGA Games“, „Spam Deluxe“, „Screen“, „P3 – Life in HD“ oder auf spezielle Spiele von Nintendo bezogenen Formate, sie springen dem Zuschauer alle durch ihre ganz besondere Machart ins Auge: nicht gestelzt, nicht aufgesetzt, sondern direkt in der Sprache der Zielgruppe kommuniziert und technisch hipp aufbereitet. Borg nennt das Rezept dafür: Bei der Auswahl der jungen Moderatoren achte man darauf, dass diese selber eine hohe Affinität zur GIGA-Community hätten. Sie müssten stark kommunikationsorientiert sein und auch über den Bildschirm den direkten Kontakt zu ihrem Publikum suchen wollen. Es müsse Authentizität in dem Sinne rüberkommen, dass klar sei: Der Moderator steht hinter dem, was er sagt und tut. Natürlich steht eine Redaktion – und sogar eine Jugendschutzbeauftragte – hinter den manchmal auch heiklen Inhalten.
Im Laufe der Jahre sind rund 80 Mitarbeiter bei Giga angelandet, die selbstredend auch als Praktikanten oder Volontäre ihre Chance erhalten. Tag für Tag, so Borg, werden acht Stunden frisches Programm produziert, das dann in die Rund-um-die-Uhr-Schleife geht. Auf „Spam Deluxe“ zum Beispiel erhalte man jeden Tag um die 1.400 Kommentare im Forum.
Unter dem Dach von Premiere, so hofft Borg, werde man sich in Zukunft gegenseitig positiv beeinflussen: Premiere könne mit Giga-Produktionen sein Publikum verjüngen. Giga könne auf den Erfahrungsschatz von Premiere aufbauen.
Erika Butzek (MB 04/08)