Ran an die Bundesliga-Rechte

Pay-TV hat sich schleichend in Deutschland über viele digitale Plattformen durchgesetzt, die alle mehr oder weniger das gleiche TV-Angebot in undurchsichtig vielen Varianten und Preisen bieten: Dutzende Spartensender für Film und Sport und viel Hollywood-Lizenzware. Nur die Fußball-Bundesliga scheint ein gewisses Alleinstellungsmerkmal zu behalten. Jüngst hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) die TV-Rechte ab der Saison 2013/2014 neu ausgeschrieben. Der Run auf die Rechte hat begonnen. Es sind viele Player und Spekulationen im Spiel.

7
Ran an die Bundesliga-Rechte

Auch der Executive Vice President Communications vom Pay-TV-Sender Sky Deutschland braucht mal einen freien Tag und ein Späßchen. So hat Wolfram Winter kürzlich einen freien Tag genutzt, um in der ARD-Vorabendreihe „Hubert und Staller“ als Schauspieler mitzumachen. Er hat eine schöne Leiche in einem Schweinestall gemimt. „Das haben viele gesehen“, erklärte er gegenüber dem Werbefachblatt W&V. Immerhin habe er 150 SMS von Leuten bekommen, die ihn erkannt haben. Auch von seiner Schwiegermutter, fügte Winter schelmisch hinzu: Zwar sei Leiche seine „Traumrolle“ gewesen, doch in einem so kalten Schweinestall werde er sie nicht noch einmal spielen.
Interessant. Wieso aber macht der Kommunikations-Chef vom Bezahlfernsehen plötzlich für das Gebührenfernsehen Reklame? Ganz einfach: Die Systeme haben sich angenähert. In HD-Qualität werden die ARD/ZDF-Sender mittlerweile auch über die Pay-TV-Plattform von Sky angeboten und beworben. Sie gehören über die Sky-Box mit zur Sky-Senderfamilie. Natürlich werden sie frei geschaltet.

Damit tragen ARD/ZDF zum Erfolg von Sky bei und gleichzeitig können sie über die Sky-Plattform ihre eigene technische HD-Reichweite vergrößern. Eine typische Win-Win-Situation der digitalen Welt, in der alle großen Content-Aggregatoren mal kooperieren, mal Gegner im Wettbewerb sind. „Mit 40 HD-Sendern sind wir die Pay-TV-Plattform mit dem größten HD-Angebot“, sagt der Leiter der Unternehmenskommunikation von Sky Deutschland, Dr. Jörg Allgäuer, stolz. HD gilt für alle Pay-TV-Plattformen als Wachstumstreiber, auch in den Kabelnetzen. Demnächst sollen es bei Sky sogar 60 HD-Sender werden, trumpft Allgäuer auf. Dazu werden ab dem 1. Mai 2012 (analoger Satelliten-Switch-off!) insbesondere die vielen ARD- und ZDF-Sender gehören, von den Dritten der ARD bis zur ZDF-Digitalfamilie mit beispielsweise ZDFNeo, räumt Allgäuer ein.
Voraussichtlich bis zum nächsten Mai will die DFL die Bundesliga-TV-Rechte für die Jahre 2013 bis 2017 vergeben haben. Dafür hat sie in Absprache mit dem Bundeskartellamt ein sehr kompliziertes Vergabeverfahren entwickelt, das sich im Einzelnen nur Fachjuristen entschlüsselt. Es handelt sich um zwei Verwertungsszenarien mit jeweils 19 Rechte-Paketen und sechs Rechtepaketbündel für die Verbreitungswege Kabel, Satellit, Terrestrik, IPTV sowie Web- und Mobile-TV. Die beiden Szenarien unterscheiden sich durch die Verbreitungsart der Highlight-Zusammenfassung der Samstagsspiele im klassichen Free-TV oder als kostenloses Web-TV-Angebot (Die Eckpunkte der Rechtevergabe finden sich auf: www.mebucom.de). So viel war bereits im Vorfeld bekannt: Das Kartellamt besteht nicht mehr auf eine Art „Grundversorgungs“-Sportschau als frei empfangbare Bundesliga-Zusammenfassung für alle, sondern hat die Highlight-Berichterstattung auch als eine Web-Sportschau genehmigt.

Damit ist die bisherige ARD-Sportschau auf ihrem angestammten Sendeplatz um 18.30 Uhr in Gefahr. Allein für diese Highlight-Berichterstattung zahlt die ARD der DFL bislang 75 Millionen Euro pro Jahr. Der Internet-Konzern Yahoo hat bereits öffentlich gemacht, das sei ihm zu teuer, er wolle sich lieber auf andere Bundesliga-Rechte kaprizieren. So hat die ARD schon mal einen Konkurrenten weniger. Als Hauptkonkurrenten für die Live-Spiele werden bislang Sky und Entertain von der Deutschen Telekom gehandelt. Sie dürfen nach DFL-Vorgabe auch für „Rechtepaketbündel“ bieten. Wie stehen sich die beiden bislang im Wettbewerb gegenüber?
Weil die Telekom bei der letzten Vergaberunde vor vier Jahren lediglich die IPTV-Rechte erworben hatte, die damals noch nicht als besonders kostbar galten, zahlt sie an die DFL pro Jahr laut FTD zurzeit 25 Millionen Euro, wohingegen Sky nach verschiednen Presseberichten mit rund 225 bis 250 Millionen Euro tief in die Geldschatulle von Rupert Murdoch greifen muss, dessen News Corp 49,9 Prozent der Anteile an Sky Deutschland besitzt. Dafür besitzt Sky aber auch die Satelliten- und Kabelverbreitungsrechte, die sie auch sublizenzieren kann, insbesondere an Kabelnetzbetreiber. Beide Plattformen haben in den letzten Monaten speziell auch beim Weihnachtsgeschäft viele neue Abonnenten angelockt. Sky hat erstmals mehr als drei Millionen zahlende Kunden generiert, womit der seit Jahren defizitäre Pay TV-Sender langfristig in die schwarzen Zahlen kommen könnte. Die Deutsche Telekom gab in ihrer Bilanz zum Jahr 2011 bekannt, dass die Zahl der angeschlossenen Nutzer des TV-Angebots Entertain um 34 Prozent auf 1,6 Millionen gestiegen sei. Dabei habe sich das erst im September gestartete zusätzliche EntertainSat-Angebot „als besonders erfolgreich“ erwiesen: „Von den 177.000 Entertain-Neukunden im vierten Quartal nutzen 97.000 die neue satellitengestützte Variante des Angebots“, verkündete die Deutsche Telekom. Um das TV-Geschäft mit Entertain anzukurbeln, will sie sich jetzt auch um die Satelliten- und Kabelrechte der Fußball-Bundesliga bewerben. Bislang ist Bundesliga auf EntertainSat ja nicht drauf, weil die Deutsche Telekom nur über die IPTV-Rechte verfügt. Hinzu kommt: Dank EntertainSat ist man in 75 Prozent aller deutschen TV-Haushalte technisch zu empfangen, allein Entertain kann technisch nur jeden zweiten TV-Haushalt via IPTV bedienen, erklärt ein Telekom-Sprecher auf Anfrage.

Kabelnetzbetreiber mit eigenem Pay-TV-Service

Sky kann potentiell jeder empfangen, der sich die entsprechende Satelliten-Schüssel samt Receiver oder neuem TV-Gerät installiert. Sky sei zwar in allen Kabelnetzen vorhanden. Aber gerade die großen Kabelnetzbetreiber blocken, ärgert sich Sky-Sprecher Allgäuer. Kabel Deutschland habe nur acht Sender aus dem Gesamt-Portfolio von Sky an Bord, Unity Media sogar nur einen Sender, nämlich Sky Sport HD 1. Vor allem diese beiden großen Kabelnetzbetreiber wollen ihre eigenen Pay-TV-Plattformen durchsetzen, weiß Allgäuer. Man darf also gespannt sein, ob und für welche TV-Rechte an der Bundesliga sie mitstreiten werden. Im Alltag von Pay TV spielt sie, was man in der hitzigen Debatte rund um den teuren Inhalt Bundesliga oft vergisst, eher eine untergeordnete Rolle, um Quoten und Kunden zu erzeugen. Die Bundesliga ist vor allem ein Wochenende-Vergnügen.

Was haben Sky und Entertain jenseits der Bundesliga an Inhalten zu bieten?
Beide halten vor allem Hollywood-Spartensender vor, die allerdings zu unterschiedlichen Verkaufspaketen mit unterschiedlichen Preisen gebündelt worden sind. Dazu gehören etwa 13th Street und Syfy aus dem Hause NBC Universal, TNT Film von Turner Classic Movies, AXN und Animax von Sony Pictures, Entertainment Fox und etliche Disney-Produkte vor allem als Angebot für Kinder. All diese Sender sind zudem weitgehend auch auf den Digital-Plattformen der Kabelnetzbetreiber wie auch bei Vodafone TV und Alice homeTV zu finden.

Hollywood spielt mit

13th Street, der Sender für Crime und Action, beispielsweise ist in Deutschland, Österreich und Schweiz auf insgesamt 20 verschiedene Pay-TV-Plattformen drauf. Die deutschen Pay-TV-Sender Kinowelt TV, Spiegel Wissen und andere sind nur bei Entertain (und Kabelnetzbetreibern) im Paket zu haben. „GoldstarTV – alles Schlager“ gibt es exklusiv nur bei Sky wie zuvor schon bei Premiere zu sehen. Im Basispaket von „Sky Welt“ sind rund 27 Sender enthalten. Weitere rund 40 Sender – auch Sportprogramme einschließlich der Fußball Bundesliga – lassen sich über verschiedene Pakete zubuchen.

Wer sich für Entertain entscheidet und damit auch für eine Flatrate für das Internet und Telefon, dem stehen 70 Sender frei zur Verfügung. Weitere 70 Sender lassen sich ebenfalls über verschiedene Pakete und Preise abonnieren. Sie sind alle auch in EntainSat eingebunden. Auch wenn Sky sich rühmt über mehr Sender in HD-Qualität als Entertain zu verfügen, sind die meisten HD-Sender, insbesondere die öffentlich-rechtlichen, auch über die Entertain-Plattform zu empfangen. Ebenso ist auf beiden Plattformen die Unterplattform HD+ zu finden. Sie wird vom SES Astra-Tochterunternehmen HD PLUS GmbH betrieben. Hier haben sich etliche private Free-TV-Sender etwa die von der RTL- und ProSiebenSat.1-Gruppe zusammen getan, um für HD-Qualität extra zu kassieren. Nach einer Schnupperphase muss der Abonnent dafür jährlich 50 Euro zahlen. Was heute Bezahlfernsehen in Deutschland ist, was nicht, lässt sich kaum mehr definitorisch auseinanderdividieren, zumal man auch im Kabel zahlen muss, besonders kräftig, wenn man die digitalen Plattformen empfangen will. Das hat kürzlich die Stiftung Warentest ermittelt, die für den TV-Empfang in HD-Qualität den Satelliten als preisgünstigste Variante empfiehlt. Im Gegensatz zu Entertain und allen anderen Pay-TV- Anbietern ist Sky der einzige Plattform-Anbieter, der ein Teil seines Programms, etwa den kürzlich gestarteten Sender „Sky Sport News HD“, auch selber produziert und sich als echter Programmveranstalter versteht. Was medienpolitisch wichtig ist.

Wer bekommt die Rechte?

Gretchenfrage: Wer wird welche Bundesliga-Rechte für welche Vertriebswege in der digitalen Welt von der DFL bekommen? Sicher: Wer ihr jeweils am meisten zahlt. Wobei die DFL verkündet hat mindestens zehn Prozent mehr als bisher bei den TV-Rechten erlösen zu wollen. Bislang belaufen sich die DFL-Gesamteinnahmen für TV-Rechte in Deutschland laut Tagesspiegel auf durchschnittlich 412 Millionen Euro je Spielzeit.
Aber es kommen noch andere Aspekte hinzu. So hat die Deutsche Telekom, die die Satelliten- und Kabelübertragungsrechte für Entertain erwerben will, derzeit aus medienpolitischen Gründen scheinbar wenige Chancen, diese auch zu erhalten. Telekom sei noch zu 30 Prozent im Staatsbesitz und dürfe wegen des Gebots der Staatsferne nicht selber Fernsehen machen. Die Analyse stammt ursprünglich interessanterweise vom US-Finanzinstitut Morgan Stanley und soll für „interne“ Zwecke gemacht worden sein, wie „Die Welt“ berichtet. Danach hat die Telekom in Bezug auf die IPTV-Bundesliga-Plattform „Liga total!“ noch ein Schlupfloch genutzt, indem man mit Constantin Medien einen externen Programmproduzenten beauftragt habe. Ein zwischengeschalteter Partner sei aber bei der Broadcast-Verbreitung via Kabel und Satellit nicht mehr möglich. Dagegen würden Behörden wie KEK und Bundeskartellamt einschreiten. Bislang hat die Telekom allerdings solche Bedenken vom Tisch gewischt, mit dem Hinweis, sie sei ein Plattform-Betreiber. Die Programmhoheit für „Liga total!“ liege derzeit bei Constantin Medien.
Wie auch immer: Anzunehmen ist, dass die DFL den Aspekt schon mit dem Kartellamt abgeklärt hat. Das komplizierte Vergabeverfahren wurde schließlich im langwierigen Procedere von beiden zusammen ausgetüftelt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und irgendein neues Schlupfloch könnte sich schon finden. Die Deutsche Telekom könnte die gewünschten Rechte auch über strategische Partnerschaften erhalten. Beispielsweise wird auch Google als potenter Mitstreiter immer wieder genannt.

Dass neben dem großen Geld auch noch andere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind, hat die DFL schon in der vorletzten Vergaberunde erfahren. Da hatte sie ein Chaos produziert, als sie die Rechte an Kabelnetzbetreiber anstatt an Premiere als Vorgänger von Sky vergeben hatte (Stichwort: „Arena“/Unitymedia). Arena scheiterte an der Refinanzierung der Rechtekosten in der Vermarktung. So landeten die Rechte dann doch wieder bei Premiere. Das war der DFL damals peinlich.
Beim komplizierten Schachspiel um die Bundesliga-Rechte in der digitalen Welt mit ihren vielen verschiedenen Distributionswegen kommen neben den Plattformbetreibern noch ganz andere Player ins Spiel. Da ist immer noch die Sirius Sports Media aktiv, die der mittlerweile verstorbene Leo Kirch zusammen mit Dieter Hahn nach der Pleite seines Imperiums auf die Beine gestellt hat. Sie könnte laut Presseberichten auch als Zwischenhändler für alle fungieren, auch für Telekom, wenn sie der DFL dafür nur genügend Geld bietet.

Neue Player

Bei der letzten Vergaberunde hat Sirius bereits den Vertrag mit der DFL geschlossen, bevor es das Kartellamt stoppte. Nicht aus Monopolstellungsgründen, sondern weil man damals noch die ARD-Sportschau um 18.30 Uhr und nicht, wie von Sirius gewünscht, erst am späten Abend haben wollte. Dieses Problem hat das Kartellamt mittlerweile, wie erwähnt, ausgeschlossen.
Vermutlich wird es nicht besonders viele Player geben, die für die super teuren Satelliten- und Kabelverbreitungsrechte der Bundesliga bieten werden. Bestimmt wird sich die Deutsche Telekom auch weiterhin für die IPTV-Rechte interessieren, die allerdings wegen des eigenen Erfolgs mit Entertain jetzt sehr teuer sein dürften. An IPTV könnten aber auch andere Player Interesse haben, zum Beispiel eben Kabelnetzbetreiber.

Ebenso könnten beispielsweise IPTV-, Web- oder Mobile-TV-Rechte an der Bundesliga für den reichen Springer-Konzern einen großen Mehrwert haben. Man beobachtet den Markt: „ARD und Sky zittern“, will beispielsweise Springers „Welt“ wissen.
Sicher ist: Für Sky sind die Bundesliga-Rechte an den Live-Spielen überlebenswichtig. Brian Sullivan, Chef von Sky Deutschland, hat kürzlich seine Forderung nach einer Bundesliga-Exklusivität bei der Rechte-Neuvergabe aufgegeben und in der FTD gegenüber der ARD generös angekündigt: „Wir können mit einer Sportschau um 18.30 Uhr leben“. Eine schöne Schmeichelei ohne Folgen. Auch der Online-Auftritt von Bild.de könnte sowohl mit einer Highlight-Berichterstattung über die Bundesliga wie mit Live-Streaming beflügelt werden. Als App ist bild.de ja schon auf dem großen TV-Schirm präsent: bild.de ist in allen App Stores der Geräteindustrie eingebunden, die sie via SmartTV als hybride Plattform seit 2010 auf den Markt gebracht hat: Es sind bereits rund sechs Millionen Geräte. Geld hat Springer jedenfalls genug.
Auch Vodafone TV wird als Interessent gehandelt und hat jüngst sein Angebot schon mal mit neuer Hollywood-Filmware aufgestockt. Ob man sich aber auch für IPTV-Rechte bewirbt? Die Erfolgsstory der Deutschen Telekom mit Entertain, die zu sehr günstigen Preisen die IPTV-Rechte für die Bundesliga erworben hatte, wird sich wohl nicht wiederholen lassen: Über 20 Jahre hat Premiere/Sky gebraucht um die drei Millionen-Abonnenten-Grenze zu überspringen. Entertain hat in fünf Jahren nur rund 1,6 Millionen Anschlüsse verkauft und mit EntertainSat seine Verbreitungsprobleme großteils gelöst.

Allerdings: Zumindest noch vor einem Jahr gab die Deutsche Telekom bekannt, dass nur jeder zehnte Kunde auch ein extra zahlender Abonnent von „Liga total!“ war. Offensichtlich lässt sich in Deutschland neuerdings Bezahlfernsehen auch ohne Bundesliga verkaufen. Je mehr verwirrende Programmvielfalt es gibt, je mehr das Free-TV zu verflachen scheint, um so mehr Konsumenten wollen etwas Besonderes haben, sei es HD oder besondere Spartensender mit Hollywood-Ware. Trotzdem ist die Bundeliga ein Marketing-Treiber für Pay-TV. Vor allem für Sky. Murdoch hat seinem deutschen Projekt schon mal 300 Millionen Euro frisches Geld zugesagt.
Aber wie viel oder wie viel mehr wird die DFL in der aktuellen Vergaberunde von welchen Playern erzielen? Der Wettbewerb ist eröffnet: Faites vos jeux!
Erika Butzek
(MB 03/12)

Relevante Unternehmen