„Nicht mehr nur ein Backup“ – Ronen Artman im Interview

Wie verändert sich die Übertragung im Livebetrieb? Ronen Artman von LiveU über technologische Entwicklungen und neue Anforderungen im Broadcast.

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Zwischen vollen Hallen, neugierigen Besuchern und dicht gedrängten Ständen blieb auf der NAB Show 2025 auch Zeit für ein lockeres Gespräch mit Ronen Artman, Vice President Marketing bei LiveU. Im Messetrubel am LiveU-Stand sprach er mit mebucom über technologische Entwicklungen, neue Kundenbedürfnisse und den mutigen Schritt eines großen deutschen Senders, der künftig ganz auf klassische Ü-Wagen verzichten will. Artman blickt zurück auf 18 Jahre LiveU – und erklärt, warum der Mobilfunk heute nicht mehr nur Backup ist, sondern eine verlässliche Hauptinfrastruktur für moderne Broadcast-Workflows.


ProSiebenSat.1 hat sich entschieden, auf klassische Ü-Wagen zu verzichten und stattdessen auf LiveU zu setzen. Natürlich wird man nicht in jeder Situation ganz ohne Ü-Wagen auskommen. Aber was bewegt Broadcaster aktuell dazu, solche Entscheidungen überhaupt in Erwägung zu ziehen?

Ronen Artman: Wenn man sich anschaut, wie wir vor 18 Jahren gestartet sind, dann war das wirklich ein disruptiver Moment für die Branche. Wir haben damals eine komplett neue Kategorie geschaffen. Vor uns gab es kein „Cellular Bonding“ – das war schlicht nicht existent. Und wenn man mal ehrlich ist: Es gibt nur sehr wenige Firmen, die eine ganze Branche erfunden haben. Selbst bei Dyson, das ja gern als Beispiel genannt wird – das war letztlich ein besserer Staubsauger, aber Staubsauger gab es schon.

Wir sind mit der Idee auf den Markt gekommen, dass man Satelliten-Übertragungswagen durch eine mobilfunkbasierte Lösung ersetzen kann. Und das war ein wirklich langer Weg, mit vielen Herausforderungen, aber auch einem kontinuierlichen Fortschritt.

Was uns dahin gebracht hat, wo wir heute stehen, ist eine Kombination aus verschiedenen Entwicklungen: Unsere eigenen Geräte und Algorithmen haben sich über die letzten 18 Jahre immer weiterentwickelt – sie sind heute extrem zuverlässig. Gleichzeitig ist das Mobilfunknetz mitgewachsen: Als wir angefangen haben, war gerade mal 3G verfügbar. Dann kam 4G, jetzt sind wir bei 5G.

5G hat nochmal vieles verändert, vor allem in Bezug auf Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit. Dazu kommt die Möglichkeit, durch Network Slicing oder private Netzwerke eine garantierte Bandbreite zu sichern – selbst an überfüllten Orten.

All diese Faktoren zusammengenommen führen dazu, dass wir heute nicht mehr als Backup gesehen werden für Satellit oder Glasfaser, sondern als Hauptübertragungstechnologie.

Natürlich war das ein langer Übergang. Manche Broadcaster wie NBC oder Fox News waren sehr früh dabei. Andere brauchten länger. Aber mit der Zeit haben wir bewiesen, dass wir auch mit einem eigentlich unkontrollierbaren Netzwerk – dem Mobilfunknetz – stabile und kontrollierte Übertragungen möglich machen können. Zusammen mit der technologischen Weiterentwicklung ist das heute so weit, dass wir sagen können: Wir sind eine echte Alternative – oder besser: ein vollwertiger Ersatz – zu den klassischen Übertragungswegen, und das mit garantierter Qualität, unabhängig vom Ort. Wenn ich gleich über unsere neue Lösung LiveU IQ spreche, dann geht es genau darum: Übertragung, egal wo man ist.

Sie sind hier auf der NAB mit einem eigenen Stand vertreten und sprechen mit vielen Ihrer Kunden. Was bewegt die aktuell am meisten? Was sind die größten Herausforderungen, mit denen sie zu Ihnen kommen?

Ich denke, es fängt fast immer beim Thema Budget an – gerade in den letzten Jahren. Die Broadcastbranche steht unter Druck und sucht nach Lösungen, wie sie effizienter arbeiten kann.

Es gab den Übergang zu IP, dann kam die Cloud – und wir bieten nicht nur die Geräte, die sozusagen das Fundament unseres Angebots bilden, sondern ein ganzes Ökosystem: die LiveU-Plattform. Dieses Ökosystem ist modular aufgebaut und umfasst alles – von Contribution über Produktion bis zur Distribution.

Und in jedem dieser Bereiche integrieren wir uns mit vielen Partnern, immer mit einem „Best-of-Breed“-Ansatz. Denn wir wissen, dass jeder Kunde eigene, spezifische Workflows hat. Wir geben ihnen die Möglichkeit, unser System in bestehende Prozesse einzubinden – egal, um welchen Produktionstyp es sich handelt, egal, wohin sie mit ihrem Team müssen.

Was sie sich wünschen, ist ein verlässliches Toolset, das IP-fähig ist und ihnen gleichzeitig hilft, Kosten zu sparen. Genau das bieten wir – weltweit einsetzbar, flexibel, zuverlässig.

Wir sind hier auf einer Messe – und wie auf jeder Messe fliegen die Buzzwords nur so durch die Hallen. Können Sie ein paar davon für uns einordnen? Künstliche Intelligenz, Interoperabilität, Cloud-Workflows, IP – wie wichtig sind diese Begriffe für Sie, wie würden Sie sie priorisieren?

Ganz ehrlich: KI ist aktuell das dominierende Thema – überall. Und zwar zu Recht. Sie bringt echten Nutzen für Broadcaster. Sie kann viele Aufgaben deutlich vereinfachen, zum Beispiel die Transkription von Interviews, automatische Übersetzungen, Content-Erkennung – Dinge, die bislang viel Zeit gekostet haben.

Ich würde also KI ganz klar an die erste Stelle setzen.

An zweiter Stelle kommt für mich die Cloud – Cloud-Workflows sind inzwischen überall, das ist kein Zukunftsthema mehr.

Dann kommt IP. Das ist schon lange Teil der Diskussion, aber es ist immer noch relevant und in vielen Bereichen noch nicht komplett umgesetzt.

Und wenn ich es in der Reihenfolge sagen soll: Interoperabilität wäre für mich Platz vier. Wichtig, ja – aber mehr als Grundlage für die anderen drei Themen zu verstehen.

KI ist heute der „König“ unter den Buzzwords – nicht nur im Broadcast, sondern in fast allen Lebensbereichen. Jeder nutzt es – ob bei Bildern aus Midjourney, automatischer Transkription oder Übersetzung. Und genau darum geht es.

Abschließend: Welche neuen Produkte oder Lösungen stellen Sie dieses Jahr auf der NAB vor?

Wir haben ein paar wirklich spannende Sachen dabei – aber was ich besonders hervorheben möchte, ist LiveU IQ.

Wir haben ja vorhin über die Zuverlässigkeit von Mobilfunknetzen gesprochen. Und mit LiveU IQ bringen wir das auf ein völlig neues Niveau. Stellen Sie sich vor: Sie sind mit Ihrem Smartphone bei Vodafone – und an einem bestimmten Ort ist einfach kein Empfang. Normalerweise können Sie dann nichts tun. Aber jetzt stellen Sie sich vor, Ihr Gerät erkennt automatisch, dass Vodafone hier schwach ist, fragt in der Cloud nach dem besten Netz für genau diesen Ort – und wechselt in Echtzeit auf den Anbieter mit der besten Abdeckung.

Genau das machen unsere neuen Einheiten. Diese Technologie wurde auf der IBC erstmals gezeigt, und jetzt auf der NAB ist sie voll funktionsfähig. Wir zeigen Demos von Geräten, die wir in den USA und Europa an schwierigen Orten getestet haben – Orten, an denen früher keine Übertragung möglich war. Und mit unserer neuen IQ-Technologie – basierend auf eSIM und Cloud-Intelligenz – haben wir dort stabile Verbindungen hinbekommen.

Das Besondere ist auch die AI-gestützte Logik im Hintergrund: Unsere Systeme merken sich, wo andere Anwender erfolgreich waren – und können Ihnen dann sagen, zum Beispiel: „Geh 100 Meter nach links, dort ist der bessere Spot.“

Wir nutzen also nicht nur Mobilfunknetze intelligenter, wir schaffen gewissermaßen unser eigenes Netzwerk – angepasst an die jeweilige Umgebung, mit Hilfe von Crowd-Intelligenz und Cloud-AI. Das ist LiveU IQ. Und wir glauben, dass das ein echter Gamechanger ist.