Als Jan Eveleens Anfang des Jahres die Leitung der Product Division von Riedel übernahm, war der Moment geprägt von Unsicherheit: wirtschaftliche Turbulenzen, globale Krisen, technologische Umbrüche. Und doch war der Einstieg für ihn vor allem eins – ein persönlicher Einschnitt. „Als die Pressemitteilung rauskam, ist mein Handy explodiert“, erinnert er sich. „Da wurde mir klar: Jetzt ist es offiziell. Jetzt geht es los.“
Dass Eveleens keine Übergangsfigur ist, sondern mit einem klaren Plan antritt, wird schnell deutlich. Jahrzehntelange Branchenerfahrung, unter anderem bei Axon und Grass Valley, prägen seine Sichtweise. Nicht technikverliebt, sondern pragmatisch. Viele der aktuellen Umwälzungen, sagt er, habe er in ähnlicher Form schon einmal erlebt. Doch das Tempo, mit dem sich Märkte und Anforderungen verändern, sei neu.
Fokus statt Hype
In Zeiten von Buzzwords wie IP, Virtualisierung oder KI fällt es nicht leicht, die Substanz vom Trend zu trennen. Für Eveleens ist klar: Nicht jede technologische Verheißung verdient auch sofort Aufmerksamkeit. „Ich habe noch die 3D-Brille im Schrank“, sagt er und lacht. Doch anders als frühere Hypes haben IP und Cloud längst reale Auswirkungen auf Entwicklungsprozesse und darauf, wie Kunden arbeiten.
Gerade diese Kundensicht ist für ihn entscheidend. Es geht nicht darum, das Neueste zu bauen, sondern das Nützlichste. „Technologie muss dem Kunden helfen, effizienter zu arbeiten und nicht komplizierter.“ Deshalb entwickelt Riedel parallel für sehr unterschiedliche Zielgruppen. Die einen fragen nach KI, die anderen bestellen weiterhin SDI-Systeme. Beides, so Eveleens, habe seine Berechtigung.
Kultur schlägt Struktur
Bei aller Technikorientierung: Was den neuen CEO wirklich antreibt, ist das Zusammenspiel im Team. „Am Ende geht es immer um Menschen“, sagt er. Der richtige Mix, gegenseitige Unterstützung und ein klarer Kurs – das sei entscheidender als jede Plattformstrategie. Dass Riedel trotz mehr als tausend Mitarbeitenden einen familiären Charakter bewahrt habe, sei ein echter Wettbewerbsvorteil.
Genau das zeichnet für ihn auch die Firmenkultur aus: lösungsorientiert, nahbar, kooperativ. „Wir haben flache Hierarchien, aber eine starke Richtung.“ Seine Aufgabe als CEO versteht Eveleens nicht als Kontrollinstanz, sondern als Impulsgeber. Wenn das Ziel klar sei, brauche es weniger Kontrolle und mehr Vertrauen.
Wachstum mit Augenmaß
Riedel hat sich in den vergangenen Jahren strategisch erweitert, etwa durch Lösungen für Drohnenmanagement oder 5G-Kommunikation. Doch Akquisitionen sind kein Selbstzweck. „Wir kaufen keine Firmen, um Schlagzeilen zu machen“, sagt Eveleens. „Aber wenn etwas zur DNA passt, schauen wir genau hin.“
Diese DNA ist klar umrissen: Lösungen für Live-Kommunikation, die zuverlässig funktionieren, ob beim Segelrennen oder in der Oper. Die Grenzen des Begriffs „Live“ werden dabei bewusst weitergedacht. Ob Riedel noch in diesem Jahr durch weitere Zukäufe wächst, lässt er offen – konkrete Namen oder Pläne will er nicht nennen.
Jan Eveleens: Verlässlichkeit als Prinzip
An disruptiven Umbau glaubt Eveleens nicht. Stattdessen setzt er in seiner Zeit als CEO auf Evolution. Viele Prozesse, sagt er, wurden von seinem Vorgänger Rick Hoerée angestoßen. Seine Aufgabe sei jetzt es, darauf aufzubauen: „Wir sind kein börsennotiertes Unternehmen. Wir können Veränderungen mit Weitblick angehen.“ Das ermögliche nicht nur bessere Entscheidungen, sondern auch respektvolleren Umgang mit den Menschen, die davon betroffen sind.
Ein Produkt, das alles verkörpert
Fragt man ihn, welches Produkt Riedel am besten beschreibt, zögert Eveleens spürbar. „Was ich jetzt sage, wird mir wahrscheinlich jemand im Team übelnehmen“, meint er und lächelt. Dann entscheidet er sich doch – für Bolero. Die kabellose Intercom-Lösung habe das Unternehmen auf ein neues Level gehoben, sowohl technisch als auch international. „In den USA hat uns Bolero einen riesigen Schub gegeben“, sagt er. „Und es hat auch intern etwas ausgelöst – Stolz, Motivation, Lust auf mehr.“ Dass der Produktname mittlerweile fast als Synonym für drahtlose Intercom-Systeme verwendet wird, sei eine besondere Anerkennung. Auch wenn es ihm schwerfällt, sich festzulegen: „Damit hat Riedel sich profiliert.“
Und morgen?
Was bleibt, ist Bewegung. Neue Geschäftsmodelle, neue Anforderungen, neue Technologien – Stillstand ist keine Option. Aber Wandel muss mit Maß passieren. „Veränderung ist eine Konstante, aber wir versuchen, sie mit möglichst wenig Reibung umzusetzen.“
Am Ende des Gesprächs darf Eveleens noch träumen. Auf die Frage, welches Live-Event er gern mit Riedel-Technik ausstatten würde, denkt er kurz nach und sagt dann: „Vielleicht eines auf dem Mars. Klingt verrückt, aber wer weiß?“ Ein Gedanke, halb Scherz, halb Ernst. Und vielleicht genau das, was es braucht, um in unsicheren Zeiten zu führen: Weitblick, Neugier und Bodenhaftung zugleich.