„Rollback statt Fortschritt“: Produzenten schlagen Alarm

Die deutsche TV- und Filmbranche steckt in der Krise: Produzenten fordern deshalb Reformen, doch die Politik blockiert. Droht der Kollaps? Hintergründe vom Deutschen Produzententag. (Teil 1)

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Deutscher Produzententag 2025 – Die Branche steht vor großen Herausforderungen
Deutscher Produzententag 2025 – Die Branche steht vor großen Herausforderungen

Laut Deutscher Produzentenallianz finden nur 0,5 Prozent der TV- und Filmproduzenten, es gehe ihnen gut, 80 Prozent beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als schlecht. Hintergrund und Herausforderungen dazu thematisierte der Deutsche Produzententag, der mit rund 650 Veranstaltungsbesuchern am 13. Februar im Berliner Filmtheater Colosseum zum Start der Berlinale stattfand.

Ganz klar ist die miese Stimmung, die sich in den letzten drei Jahren der Ampelkoalitions-Regierung in der deutschen Wirtschaft und Bevölkerung breit gemacht hat, auch voll auf die hiesige Film- und TV-Produktionslandschaft durchgeschlagen: in Form einer großen Planungsunsicherheit, was die Finanzierung von neuen Projekten betrifft.

Beispiel Filmförderung. Drei Jahre lang wurde von den verantwortlichen Politikern zusammen mit der Branche an einem großen nachhaltigen Konzept gebastelt, das die deutsche Film-und TV-Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen sollte. Ein Dreiklang war geplant. Neben der Novelle für das Filmförderungsgesetz (FFG) samt Erhöhung der bestehenden Förderung des Bundes auf 30 Prozent ohne Kappungsgrenze sollte es die rechtliche Etablierung einer Investitionsverpflichtung für Streamingdienste und ein Steueranreizmodell für internationale Produktionen geben.

Beides ist in anderen europäischen Ländern schon üblich. Doch die Verhandlungen zogen sich im Schneckentempo hin. Anstatt an einem Strick für eine starke, finanziell gut ausgestattete nationale Film- und TV-Wirtschaft zu ziehen, verstritten sich die Regierungsparteien und CDU in der parlamentarischen Diskussion in ideologischen Details ihrer Interessenspolitik, wie die medienpolitische Diskussion auf dem Produzententag deutlich machte.

Wohin steuert das Produktionsland Deutschland – diese und andere Fragen wurden auf dem Deutschen Produzententag beantwortet.
Wohin steuert das Produktionsland Deutschland – diese und andere Fragen wurden auf dem Deutschen Produzententag beantwortet.

Zwar wurde nach dem Zusammenbruch der Ampel-Regierung im Bundesparlament noch kurz vor Jahreswechsel in letzter Minute eine Verlängerung und Novelle des Filmförderungsgesetzes (FFG) verabschiedet und damit notwendige Gelder für laufende Filmprojekte frei gegeben. Aber die zwei grundsätzlichen Innovationen blieben auf der Strecke. 

Wenn die neue Bundesregierung die mit dem FFG begonnene Reform nicht schnellstmöglich fortführe, „droht Rollback statt Fortschritt“, referierte der CEO der Produzentenallianz Björn Böhning. Er forderte von der Branche „Mut zu Visionen und gemeinsames Anpacken“ und von der Politik schnelle Reformentscheidungen. 

Verändertes Mindset

Dr. Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, der für seine emotionale Rede zu den Ursachen der schlechten Lage frenetischen Beifall erhielt, hat als Negativum auch ein verändertes „Mindset“ bei Politikern ausgemacht.

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg ©Thomas Kierok

Verkürzt: Anstatt wie es traditionell Konsens war, Kultur und Kreativität im Rahmen einer offenen, demokratischen Gesellschaft alle Freiheit zu geben, werden an Förderungen zunehmend inhaltliche oder ökonomische Bedingungen geknüpft. Aber ohne Freiheit keine Kunst, weil das Ergebnis von Kreativität „nicht vorhersehbar“ sei. „Die Kunst ist zwecklos aber deshalb sinnvoll“, zitierte Brosda August Everding. 

Unsichere Zukunft von ARD/ZDF

So wie Kultur in der Gesellschaft Freiraum für seine Entwicklung braucht, müsse auch gewährleistet sein, dass öffentlich-rechtliche Medien eine „öffentliche Aufgabe“ und eine „gesellschaftliche Vereinbarung“ hierzulande bleiben, sagte Brosda, wohlwissend, dass ARD/ZDF mit rund 1,5 Milliarden Euro jährlich der wichtigste Auftraggeber der Produktionswirtschaft sind. Auch diesbezüglich hat sich allerdings in den letzten Jahren, um Brosdas Vokabular aufzunehmen, eine „Mindset-Veränderung“ in der Politik ergeben.

Möglicherweise in Anlehnung an die Vorreiterschaft der AFD, die ARD/ZDF auf eine irrelevante Größe stutzen will, wollen auch eine Reihe von Politiker in verschiedenen Bundesländern ARD/ZDF auf kleine Flamme setzen und die Finanzierung minimieren. HR-Intendant und aktueller ARD-Vorsitzender Florian Hager beschreibt die Situation: „Unser Geschäftsmodell ist, dass es uns geben soll. Wenn diese Vereinbarung bröckelt, dann wird es schwierig“.

Auch für die Produktionswirtschaft und ihre Auftragslage sowie ihre bislang relative Freiheit in Bezug auf inhaltliche Kreativität. „Wir kämpfen“, sagte Hager. Weshalb man auch die Klage beim Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Verweigerung einer Beitragserhöhung seitens der Bundesländer nicht zurückziehe, obwohl die Klage politisch umstritten sei. 


Neben Medienpolitik waren u.a. auch Programmtrends und KI Thema: Teil 2 (VÖ. 18.02.2025)