Aus den vielen Studien, die der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) in Auftrag gibt, stach kürzlich eine von den Instituten Aris und Forsa durchgeführte heraus. Hier ging es mal nicht wie sonst um eine Erfolgsmeldung in Sachen Akzeptanz und Verbreitung rund um die Informations- und Kommunikationstechnologie. Vielmehr wurde die kritische Frage gestellt: „Information overload? Wie die Deutschen mit Nachrichtenflut und Medienvielfalt umgehen?“
Die Ergebnisse dieser Studie hat BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer höchstpersönlich in einer telefonischen Pressekonferenz vorgestellt und interpretiert. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Mehrheit der Deutschen via Handy, Internet, Smartphones und Social Communities vielfach vernetzt und ständig erreichbar ist, bei der Arbeit wie im Privatleben. Es gebe „immer mehr Informationen, über immer mehr Kanäle“, sagte Scheer. Dabei „sind die Medien brandneu. Vor 100 Jahren gab es das noch nicht“. Und deshalb, so Scheer, sei es „nicht verwunderlich“, dass es „noch keinen richtigen Umgang“ damit gebe. Nach dem Motto ‚mach mal eine Kommunikationspause’ plädierte Scheer dafür, den Ausschaltknopf öfter zu bedienen.
Die Daten zur Verbreitung der Medien: „TV hat jeder“, nämlich 96 Prozent der Deutschen, es folgen Handy (83%), PC (80%) und das Internet liegt mittlerweile schon bei 77 Prozent. In der Summe seien „9 Stunden Medienberieselung am Tag“ erhoben worden.
Weil man via Internet „neue Freundschaften schließen, sich bilden und Geld sparen“ könne, so erklärte Scheer, treffe es weit mehr als alle anderen Medien auf „hohe Akzeptanz“ und habe für seine Nutzer, insbesondere für Jugendliche auch „mehr Bedeutung als andere Medien“.
Außer den so genannten Digital Natives fühlten sich alle anderen repräsentativ befragten Deutschen „zumindest manchmal von Informationen überflutet“, ganz besonders gilt das für ältere Menschen. Als Quelle und größten Verursacher der Überflutung hat die Studie überraschenderweise laut Scheer das Fernsehen ausgemacht. Das Internet sei erst im großen Abstand danach genannt worden. Scheer erklärt sich das so: Während das Internet aktiv genutzt werde und die Nutzung dementsprechend auch aktiv beendet werde, kämen viele beim Fernsehen nicht auf die Idee, den Ausschaltknopf zu drücken.
Das sei vergleichbar mit der Wahrnehmung einer quietschenden Tür. Man nehme das Geräusch wahr, aber versuche in der Regel nicht spontan es zu beseitigen. Besonders problematisierte Scheer auch, dass durch die ständige Erreichbarkeit, die die neuen Kommunikationsmedien heute erlauben, die Grenze zwischen beruflichem und privatem Leben fließend wird. Selbstkritisch erwähnte er, dass er selber, wenn er am Wochenende einen Mitarbeiter anmaile, auch sofort eine Antwort erwarte. Dagegen hat BITKOM nun eine lange Liste mit verschiedenen Verhaltenstipps für die private und berufliche Nutzung der Kommunikationsmedien erstellt, in der auch empfohlen wird, dass als Antwortzeit bei E-Mails 24 Stunden reichen.
All denjenigen, die den einflussreichen BITKOM-Präsidenten Scheer gerne eine Mail schreiben möchten, sei ein Tipp gegeben: Sie sollten vorab eine nette Beziehung zu seiner Sekretärin knüpfen. Sie filtert nämlich aus den vielen Mails an ihn 18-25 Emails aus, die dann Scheer tatsächlich erreichen. Von anderen, die sich den Service einer Sekretärin nicht leisten, hat Scheer offensichtlich mitgeteilt bekommen, „dass es sich bei den meisten Emails um Schrott“ handele. So fand es Scheer „erstaunlich“, dass die Studie herausgefunden hat, dass mehr als 50 Prozent der Befragten angaben, sie würden via Email „kein Schrott“ erhalten.
Wie wirkt sich nun die potentielle ständige Erreichbarkeit in Bezug auf die Trennung von Beruf- und Freizeit aus? Fast 30 Prozent der Befragten und damit fast jeder Dritte gaben an, auch außerhalb der Arbeitszeit hinsichtlich beruflicher Belange erreichbar zu sein. Umgekehrt gaben 50 Prozent an, keine privaten Dinge während der Arbeitszeit zu erledigen, nur 28 Prozent räumten dies ein. Ein Ergebnis, was man vermutlich noch vertiefen müsste, um daraus Schlussfolgerungen für neue Arbeitszeitregelungen in Folge der stetigen Erreichbarkeit durch mobile Kommunikationsmedien zu gewinnen. Scheer regt allerdings an, „Richtlinien“ vorzugeben, wie und in welchem Umfang Mitarbeiter beispielsweise auch das Internet für private Belange „nutzen dürfen“, andernfalls solle das private Surfen im Internet am Arbeitsplatz verboten werden. Ein anderer BITKOM-Tipp regt an, dass durch die Erreichbarkeit im Privatleben entstandene Mehrarbeit auch extra bezahlt werden müsse, es sei denn der Arbeitsvertrag schließe diese Leistung explizit ein.
Ein richtiger Umgang mit den Kommunikationsmedien müsse unbedingt „ernst genommen“ werden, appellierte Scheer. Dies gelte auch für die Erziehung der Jugendlichen in den Schulen. Mit Untersuchungen wie der vorgestellten „trage BITKOM gerne dazu bei“. Ganz klar zeigt BITKOM mit der vorgestellten Studie – auch gegenüber der Politik – die Flagge der sozialen Verantwortung. Das wahre Problem der Informationsüberflutung allerdings wurde mit dieser Studie gar nicht untersucht: die zunehmend mangelhafte inhaltliche Qualität der Informationen, die durch die digitalen Netze gejagt werden.
Erika Butzek
(MB 05/11)