Viel Luft nach oben

Das neue digitale terrestrische Fernsehen DVB-T2 HD war auf der ANGA COM 2016 ein Top-Thema. Für die Kölner Kongressmesse, die sich schwerpunktmäßig mit Fragen rund um die Kabel- und Satellitenverbreitung befasst, war das eher ungewöhnlich. MEDIA BROADCAST mit freenet TV präsentierten hier die terrestrische TV-Zukunft. MEDIEN BULLETIN sprach darüber mit Holger Meinzer.

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Viel Luft nach oben

Mit einem neu errichteten Backbone für die Signalzuführung sowie der Umrüstung aller digitalterrestrischer Senderstandorte auf den neuen DVB-T2-Standard macht MEDIA BROADCAST derzeit die Terrestrik fit für die HDTV-Verbreitung. Zugleich betreibt das Unternehmen mit freenet TV eine neue Plattform für den terrestrischen Empfang von privaten TV-Programmen in HD-Qualität. Der Start von DVB-T2 HD und freenet TV erfolgte am 31. Mai 2016 mit der Verbreitung von sechs TV-Sendern in ausgewählten Ballungsräumen. Die HD-Programme Das Erste, RTL HD, ProSieben HD, SAT.1 HD, VOX HD und ZDF sind in Bremen/Unterweser, Hamburg/Lübeck, Kiel, Rostock, Schwerin, Hannover/Braunschweig, Magdeburg, Berlin/Potsdam, Jena, Leipzig/Halle, Düsseldorf/Rhein/Ruhr, Köln/Bonn/- Aachen, Rhein/Main, Saarbrücken, Baden-Baden, Stuttgart, Nürnberg und München/Südbayern zu empfangen.

Am 29. März 2017 wird das Programmpaket von freenet TV um HD-Programme wie RTL NITRO, SUPER RTL, RTL II, n-tv, kabel eins, sixx, SAT.1 Gold und ProSiebenMAXX erweitert.

Der Regelbetrieb mit etwa 40 HD-Programmen ist ab dem 1. Quartal 2017 in den genannten und weiteren Ballungsräumen geplant. Der Umstieg auf DVB-T2 HD soll 2019 abgeschlossen sein. Rund 16 Jahre nach dem Start von DVB-T soll das digitale Antennenfernsehen dann komplett auf die HDTV-Verbreitung umgestellt sein und seine Position als Rundfunkübertragungsweg mit einem relevanten Set an TV-Programmen weiter festigen. Der technische Footprint für DVB-T2 HD wurde zur ANGA um die Metropolenregion Rhein-Neckar erweitert. Zusätzliche 1,5 Millionen Menschen können dort erreicht werden. Insgesamt hat DVB-T2 damit heute eine Reichweite von 55 Millionen Menschen. „Da sind Regionen dabei, wo heute private Sender über DVB-T derzeit gar nicht on air sind. Das zeigt: Wir fahren einen Kurs der konsequenten Markterschließung – nicht nur der DVB-T-Kerngebiete sondern auch darüber hinaus. So haben wir auch in Halle/Leipzig/Jena, in Stuttgart oder Rostock die großen Privaten wieder on air gebracht. Und das wird so weiter gehen“, betonte Holger Meinzer, Chief Commercial Officer B2B (CCO B2B) und Mitglied der Geschäftsleitung von MEDIA BROADCAST, im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN.

Neben den Programmen der RTL Gruppe und von ProSiebenSat.1, so Meinzer, würden auch weitere Private wie Sport.1 und QVC Teil der Plattform werden. Das gesamte Channel Line-up soll im Vorfeld der IFA veröffentlicht werden. „Wir sehen ein großes Interesse der Veranstalter darin, die Terrestrik weiterhin in ihrem Distributionsmix unter zu bringen“, erklärt er. Theoretisch gibt es auf DVB-T2 40 HD-Plätze. Die Hälfte davon wird von den öffentlich-rechtlichen Programmveranstaltern belegt. Und die andere Hälfte wird Teil der freenet TV-Plattform sein.

Heute in der ersten Stufe ist man mit sechs Programmen unterwegs: ARD, ZDF und je zwei Programmplätze für RTL Deutschland und die ProSiebenSat.1 Gruppe. Zum offiziellen Start am 29. März 2017 wird deutlich ausgebaut. Dann erfolgt auch in einigen Regionen die komplette Umschaltung von DVB-T heute auf DVB-T2 HD. DVB-T-Zuschauer brauchen dann neue Geräte. Die sind bereits im Handel günstig zu haben. Die Preise dafür liegen zwischen 50 und 70 Euro. „Der Preispunkt war bei Planung noch eines der großen Risiken, die wir mit unseren Partnern diskutiert haben. Die Geschlossenheit der Branche und das Migrationsszenario, das keinen langen Umstieg vorsieht, haben dazu geführt, dass das Volumen an auszutauschenden Geräten so hoch ist, dass die Hersteller günstigere Preise für die neuen Geräte realisieren können. Das ist eine sehr positive Entwicklung“, betont Meinzer.

Neben Set-top-Boxen gibt es auch CI+ Module, die jetzt sukzessive in die Märkte kommen. In vielen der neuen TV-Geräte können diese Module zur Freischaltung des DVB-T2-Empfangs eingesetzt werden. Der Absatz von CI+ Modulen seit dem „DVB-T2-Softstart“ am 1. Juni 2016 war laut Meinzer sehr erfreulich. „Der Handel hat ordentlich bestellt. Sodass die ersten Chargen schnell weg waren“, berichtet er.

Die hohe Bildqualität bei DVB-T2 ist laut Meinzer ein starkes Argument für den neuen terrestrischen Verbreitungsweg. „Man kann sagen, dass die Terrestrik vom qualitativen Stiefkind jetzt wirklich zum absoluten Qualitätsführer wird“, betont der MEDIA BROADCAST-Manager. Er erwartet deshalb auch einen ordentlichen Schub bei der Nutzung des Mediums. Laut aktuellem Digitalisierungsbericht nutzen heute bundesweit rund zehn Prozent der Haushalte DVB-T mit stationären TV-Empfängern. „Eine wettbewerbsfähige TV-Plattform mit öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ist DVB-T jedoch nur in den Kernregionen. Und hier liegt die Verbreitung eher zwischen 20 und 30 Prozent“, erklärt Meinzer. „Mit DVB-T2 sehen wir da natürlich noch massiv Luft nach oben – auch im Wettbewerb mit anderen Plattformen. Wir bauen den Footprint deutlich aus und werden in Zukunft doppelt so viele Sendeanlagen haben wie heute mit den Privaten. Die Attraktivität des Produkts wird weiter steigen“, verspricht er. Wichtig für den Netzbetreiber sei, dass im Vorfeld der Migration, mit Umschaltzeitpunkt am 29. März 2017, die etwa vier Millionen Geräte im Markt auch wirklich ausgetauscht würden, damit die Zuschauer dann auf die neue Terrestrik gut vorbereitet seien. „DVB-T ist nach wie vor das einfachste Produkt, ist sehr günstig, hat die beste Qualität und es lässt sich mobil und portabel einsetzen“, fasst Meinzer zusammen. Das jährliche Zugangsentgelt für freenet TV mit seinen privaten TV-Angeboten steht seit Anfang Juli fest: 69 Euro. Damit gehört freenet TV laut MEDIA BROADCAST zu den preiswertesten Angeboten für modernes HD-Fernsehen.

Ohne Freischaltung von freenet TV lassen sich kostenfrei und unverschlüsselt nur öffentlich-rechtliche Sender empfangen. Die bezahlt der Endverbraucher aber wiederum über seinen Rundfunkbeitrag. Die 69 Euro für die Privaten werden erst ab dem 1. Juli 2017 fällig. Bis dahin sind die aufgeschalteten privaten HD-Programme noch kostenlos zu sehen. DVB-T2-Programme sollen dann in 80 Prozent der deutschen Haushalte verfügbar sein. Die kostenpflichtige Freischaltung der privaten Sender erfolgt so einfach wie bei einem Prepaid-Mobiltelefon. Interessenten können sich bereits heute unter www.freenet.tv informieren und registrieren. „Durch das Zugangsentgelt ist DVB-T2 zwar eine Bezahlplattform, aber keine Pay-TV-Plattform im klassischen Sinne. Das wird auf der Broadcastebene auf Grund der vorhandenen Restriktionen auch so bleiben“, betont Meinzer. Darüber hinaus sei DVB-T aber schon heute als integral-hybrides System angelegt. Meinzer: „Das heißt, wir werden die bestehende Multithek, also unser HbbTV-Angebot entsprechend weiter entwickeln und können damit perspektivisch eine unendliche Zahl an Programmen oder Programmpaketen unverschlüsselt oder verschlüsselt anbieten. freenet TV wird auch die Vermarktung dieser Inhalte realisieren.“

Die Übernahme von MEDIA BROADCAST durch Freenet eröffne insgesamt große Chancen für die DVB-T2-Vermarktung in Richtung Endkunden. „Freenet verfügt in Deutschland über 600 eigene Shops und ist flächenpräsent in den großen Elektronikmärkten. Diese Vermarktungspower werden wir natürlich entsprechend für unsere TV-Angebote nutzen“, betont Meinzer. Die Vermarktung des freenet TV-Produktes würde parallel dazu auch von MEDIA BROADCAST als DVB-T2-Betreiber weiter forciert – auch im B2C-Umfeld. Dazu habe man eine eigene Mannschaft mit Kundendienst- und Subscriber-Management-Infrastrukturen. Ferner gebe es Marketing- und Vertriebseinheiten für Kunden aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Beim Betrieb der Senderinfrastruktur für DVB-T2 in Deutschland arbeiten die beiden Sendernetzbetreiber MEDIA BROADCAST und ARD eng zusammen. „Damit wollen wir sicherstellen, dass alle Programme in einer bestimmten Region dann auch in einer vergleichbaren Qualität empfangen werden können. Es macht deshalb auch Sinn, gemeinsame Senderstandorte zu nutzen“, sagt Meinzer.

Als Plattformbetreiber hat MEDIA BROADCAST die DVB-T2-Kapazitäten medienrechtlich direkt zugewiesen bekommen. Bei der Vorgängertechnik DVB-T war das Unternehmen nur als technischer Dienstleister für öffentlich-rechtliche und private Sender unterwegs. Private TV-Veranstalter erhalten heute für die terrestrische Verbreitung keine medienrechtlichen Genehmigungen, sondern schließen partnerschaftliche Vereinbarungen mit MEDIA BROADCAST. Das Unternehmen ist Lizenznehmer für die drei Multiplexe, die man jetzt für freenet TV nutzt. Entscheidend für den Erfolg der Terrestrik ist laut Meinzer, dass sie weiterhin sehr günstig bleibt und man hier „keine Experimente“ macht. Auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin haben Besucher die Möglichkeit, freenet TV vom 2. September bis 7. September 2016 in Halle 2.2, Stand 105 zu erleben.

Eckhard Eckstein

MB 3/2016

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